Reiseziel Künstlerort:Urlaub wie gemalt

Dieses Licht! Diese Landschaft! Diese Stimmung! Berühmte Künstler hatten gute Gründe, sich in der Provinz zu treffen - die schönsten Orte zum Nachreisen in Deutschland und Europa.

Daniela Dau

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Den Rückzug in die Natur antreten, neue Lebensformen erproben, Gleichgesinnte um sich scharen - es gab viele Gründe, warum sich Maler, Schriftsteller, Musiker und andere Künstler ab Ende des 19. Jahrhunderts in der Provinz trafen, um Künstlerkolonien zu gründen. Noch heute pflegen die Orte ihr Andenken und sind geprägt vom Schaffen der Koloniegründer - eine Reise durch Künstlerorte in Deutschland und Europa. Worpswede, Niedersachsen Worps - wo? Es ist keine Schande, das niedersächsische Dorf Worpswede nicht auf den ersten Versuch orten zu können - wohl aber, es nicht zu besuchen. Fritz Mackensen war der erste einer Reihe von Malern, der das damals bettelarme, aber idyllisch gelegene Dorf inmitten des Teufelsmoors nordöstlich von Bremen für sich entdeckte. Begleitet von Studienkollegen wie Otto Modersohn und Hans am Ende entschloss er sich Ende der 1880er Jahre, dort eine Künstlerkolonie zu gründen. Maler, Bildhauer und Schriftsteller folgten ihnen in der Hoffnung, im Teufelsmoor ein Paradies zu finden, das sie den Lärm und die Hektik des Industriezeitalters vergessen ließ. Sie lebten wie in einer Kommune und abgeschottet von der Dorfbevölkerung. Landschaften, Menschen und Tiere waren die Hauptmotive ihrer Werke, bei den Malern spielte vor allem das Licht in all seinen unterschiedlichen Ausprägungen eine wichtige Rolle. Teufelsmoor bei Worpswede Foto: Nicole Kanning/www.worpswede.de

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Die reetgedeckten Bauernhäuser entlang der Moorkanäle gibt es noch und auch die alte Windmühle, die wie damals ihre Flügel dreht. Ebenfalls unverändert sind die Schönheit und das geheimnisvolle Dunkel der Moorlandschaft, der hohe Himmel und die Stille in der weiten Ebene zu jeder Jahreszeit. "Käseglocke", Museum für regionale angewandte Kunst Foto: Gabi Anna Müller/www.worpswede.de

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Seinen Ruf als Künstlerkolonie pflegt Worspwede bis heute. Idyllische Feldwege sowie mit alten Eichen, Linden und Birken gesäumte Straßen führen zu traditionellen Bauernhäusern, Museen, Kunst- und Kulturstiftungen, Galerien und Ateliers. Im Wohnhaus von Paula Modersohn-Becker Foto: dpa

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Ahrenshoop, Mecklenburg-Vorpommern Die Gemeinschaft von Worpswede löste einen Trend unter deutschen Künstlern aus. Auch in dem abseits auf der Halbinsel Darß an der Ostsee gelegenen Dorf Ahrenshoop gründete sich Ende des 19. Jahrhunderts eine Künstlerkolonie. Rund um die "Malschule für höhere Töchter" von Paul Müller-Kaempff versammelten sich Künstler wie Otto Frenzel und die als "Malweiber" bekanntgewordenen Elisabeth von Eicken und Dora Koch-Stetter, Schülerin von Lovis Corinth. Noch mehr als bei den Worpswedern stand die atmosphärische Darstellung der Landschaft mit ihren Farben und Formen im Mittelpunkt ihres Schaffens, inspiriert durch die weiten, einsamen Landschaften zwischen Meer und Bodden. Blick vom Hohen Ufer Foto: Kurverwaltung Ahrenshoop

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Auch wenn der Künstlerort im Sommer bei Badegästen beliebt ist: Von Hektik ist in Ahrenshoop mit seinen reetgedeckten Häusern bis heute nicht viel zu spüren, in der kalten Jahreszeit kann es sogar sehr ruhig werden. Wer dann nach windigen Spaziergängen am Ostseestrand den Kopf frei hat, kann selbst kreativ werden: Ahrenshooper Künstler bieten in ihren Ateliers auch im Winter Zeichen- und Keramikkurse an. Galerie im Dornenhaus Foto: Kurverwaltung Ahrenshoop

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Murnau, Oberbayern Das "Blaue Land" wird die Gegend rund um Murnau genannt - und das nicht wegen der Weite des oberbayerischen Himmels, dessen Blau sich so wunderbar im Staffelsee und den anderen Gewässern des Alpenvorlands spiegelt. Kunstsinnige wissen, dass hinter dem Namen "Der Blaue Reiter" steckt, jener von Wassily Kandinsky und Franz Marc initiierte Almanach samt Ausstellungsreihe. Die im Umfeld des Blauen Reiters tätigen Künstler wie Gabriele Münter, Paul Klee, Albert Block, die Cousins August und Helmuth Macke, sowie die Musiker Alban Berg, Arnold Schönberg und Anton von Webern werden gelegentlich als Künstler des Blauen Reiters bezeichnet. Doch als feste Künstlergruppe verstanden sie sich nicht. Foto: dpa

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Ein Häuschen auf dem Lande sollte es sein - aus diesem Grund kamen Kandinsky und Gabriele Münter im Sommer 1908 zufällig nach Murnau. Ein Jahr später erwarb die Münter ein damals wenig komfortables Anwesen; "Russenhaus" nannten es die Einheimischen, auch das Malerpaar Marianne von Werefkin und Alexej Jawlensky war häufig zu Gast. Beeinflusst von Murnau und seiner Landschaft, auch von der volkstümlichen Hinterglasmalerei, entwickelten die Künstler eine auf Grundformen reduzierte, flächige Bildgestaltung, ungemischte und kontrastreiche Farben dominieren. Foto: Tourist-Information Murnau

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Das Münter-Haus kann heute noch besichtigt werden, weitgehend im Originalwohnzustand mit einfachen Möbeln, die die Künstler mit ländlich bäuerlichen Motiven bemalt haben. Außerdem gibt es eine kleine Bildauswahl und Exponate der Hinterglasmalerei. Weitere Münter-Bilder sind im Murnauer Schlossmuseum zu sehen. Aber auch die anderen aus dem Umfeld des Blauen Reiters haben ihre Spuren in der Gegend hinterlassen, allen voran Franz Marc. Von 1909 bis 1914 lebte er im nahegelegenen Sindelsdorf; die Gartenlaube, in der er zusammen mit Kandinsky den Namen "Blauer Reiter" erdachte, steht noch heute in der Franz-Marc-Straße 1. Die Murnauer Gegend hat Franz Marc nicht mehr losgelassen, Kochel am See erkor er gar zu seinem "Schicksalsort". Zur Erinnerung an ihn richtete die Franz-Marc-Stiftung 1986 in einer Villa des späten 19. Jahrhunderts ein Museum ein. In sieben Räumen sind Gemälde, Skulpturen und Graphiken des Künstlers ausgestellt. Treppe im Münter-Haus Foto: Tourist-Information Murnau

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Nida, Kurische Nehrung (Litauen) "Wir haben einige Tage im Fischerdörfchen von Nida verbracht. Wir sind so von der unsagbaren Eigenart und Schönheit der Natur, der phantastischen Welt der wandernden Dünen, den Kieferwäldern, in denen die Elche wohnen. begeistert, dass wir beschlossen haben, hier eine ständige Heimstätte zu erwerben." So schrieb Thomas Mann 1929 in seinen Erinnerungen, ein Jahr später war das Sommerhaus auf der Kurischen Nehrung fertig. Bis 1932 verbrachte ein Teil der Familie die Sommerferien in dem kleinen Dörfchen, Mann arbeitete hier an der Trilogie "Josef und seine Brüder" und verfasste die anti-nationalsozialistische Polemik "Was wir verlangen müssen". Heute gehört die Gemeinde zu Litauen und im ehemaligen Ferienhaus befindet sich ein kleines Museum sowie der Sitz einer Stiftung für kulturelle Begegnung. Geblieben ist der Blick aufs Kurische Haff, genannt "Italienblick", den Thomas Mann von seinem Arbeitszimmer aus genoss. Foto: Lithuania Culture and Tourism Information Centre Agila, www.visitneringa.com

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(Foto: Lithuania Culture and Tourism Information Centre Agila, www.visitneringa.com)

Jahrzehnte zuvor war bereits eine ganze Reihe von Malern von der Weite des Blicks, den starken Farben und der eigenwilligen Landschaft auf der Kurischen Nehrung und am Haff fasziniert. Lovis Corinth malte schon um 1900 den "Friedhof von Nidden", wie Nida früher mit deutschem Namen hieß; die beiden "Brücke"-Maler Max Pechstein und Karl Schmidt-Rottluff blieben monatelang in dem kleinen Ort. Ernst Mollenhauer ließ sich schließlich sogar ganz in Nida nieder: Er heiratete die Tochter des Wirts Hermann Blode, der viele Künstler bei sich hatte wohnen lassen und seine Gaststube teilweise zur Galerie umfunktionierte. Im ehemaligen Stallgebäude des inzwischen abgerissenen Hotels ist heute ein kleines Museum eingerichtet. Blodes einmalige Sammlung wurde allerdings 1945 von Soldaten der Roten Armee in einer Sauna verheizt. Foto: Lithuania Culture and Tourism Information Centre Agila, www.visitneringa.com

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St. Ives, Cornwall Die Keltische See und ein ganz besonderes Licht - mit diesen Pfunden wuchert der kleine Ort an der Nordwestküste Cornwalls. Seit der Fertigstellung der Eisenbahnlinie 1877 rücken Künstler aus aller Welt mit ihren Skizzenblöcken und Staffeleien an und lassen sich inspirieren von Fischer- und Hafenszenen, wettergegerbten Gestalten und der Landschaft. Die künstlerische Krönung erhielt der Fischerort vor gut 16 Jahren: Die Tate Gallery, ein Ableger des Londoner Tempels für moderne Kunst, wurde eröffnet. Neben wechselnden Ausstellungen ist ein Raum ständig den heimischen Modernisten gewidmet, unter anderem Werken der Skulpteurin Barbara Hepworth, ihres Mannes Ben Nicholson, des russischen Konstruktivisten Naum Gabo oder des japanischen Keramikers Shoji Hamada. Mit ihrer Ankunft in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatten diese und weitere Künstler die örtliche Szene durcheinandergewirbelt und die außergewöhnliche Kulisse für Freiluftmaler zu einem Ort der Ideen und Kontroversen gemacht. Foto: Tourism St. Ives

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Doch nicht alle Besucher kommen der Kunst wegen, die in den Gassen des Fischerorts, in unzähligen Galerien, Pubs und Cafés ein nicht zu übersehender Teil des Alltags ist. Auch Golfspieler und vor allem Surfer finden an der Küste vor St. Ives ideale Bedingungen. Und ihr Publikum am Strand macht das, was auch Kunstliebhaber und Künstler auszeichnet: Es betrachtet die Szenerie, manchmal stundenlang. Foto: Tourism St. Ives

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Cadaqués, Katalonien Früher fuhren Kunstfreaks scharenweise mit VW-Bussen nach Cadaqués an der Costa Brava und lungerten in den Gassen und Bars herum, in der Hoffnung IHN zu treffen - Salvador Dalí, der ein Stück weiter in Port Lligat sein Wohnhaus hatte. Er war nicht der einzige spanische Künstler, den der kleine Ort auf der Halbinsel Cap de Creus faszinierte und inspirierte, auch Joan Miró, Pablo Picasso, Luis Buñuel und Federico García Lorca verbrachten Zeit in der Gegend. Den Ferienort seiner Kindheit verewigte Dalí in den Gemälden Die Madonna von Port Lligat und Das letzte Abendmahl. Foto: iStock

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Das alles ist natürlich längst kein Geheimtipp mehr und in den Sommermonaten wälzen sich Touristenströme durch die Altstadt-Gassen rund um die Kirche Santa Maria. Statt dort mitzudrängeln, meldet man sich besser telefonisch für einen Besuch in Dalis Wohnhaus in Port Lligat an (Casa Museu Dalí, Tel.: 0034-972-251015). In Gruppen von etwa zehn Personen wird man durch das verwinkelte, noch weitgehend original eingerichtete Haus und Atelier geführt und staunt, wie spartanisch der Meister gelebt und gearbeitet hat. Wer das Dalí-Programm komplett abarbeiten will, wird natürlich auch das Dalí-Museum im nahen Figueres besichtigen, doch das Haus in Port Lligat vermittelt einen weit persönlicheren Eindruck. "Egg-Tower" am Dalí-Museum in Figueres Foto: AFP

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Monte Veritá, Ascona Ascona am Lago Maggiore steht heute für einen sehr gepflegten und luxuriösen Tourismus, für teure Gastronomie und Hotellerie, für Galerien und Antiquitätengeschäfte. Dabei wurde das ehemalige Fischerdorf in der italienischen Schweiz zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf ganz andere Art bekannt. Künstler, Querdenker und Weltverbesserer, viele von ihnen aus Deutschland, sammelten sich auf dem nahen Monte Veritá und lebten dort in einer alternativen Lebensform nach den Grundsätzen freie Liebe, Vegetarismus, Antroposophie, Anarchie und einer Art Kommunismus. Man kann sich vorstellen, wie die Einheimischen über die zum Teil spärlich bekleideten Lebenskünstler und "das Lotterleben der Vegetarini auf dem Berg" die Nase rümpften. Foto: Commune di Ascona

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Die Weltverbesserer zogen Schriftsteller und Künstler an, unter anderem besuchten im Laufe der Jahrzehnte Franziska zu Reventlow, Hermann Hesse, Stefan George, Erich Maria Remarque, Paul Klee, Else Lasker-Schüler, aber auch C.G. Jung die Kommune. Ihnen folgten vermögende Großindustrielle, die Kunst und Künstler förderten. Dann kamen noch mehr Wohlhabende und Ruheständler. So wurde Ascona zu dem, was es heute ist. Doch die Geschichte des Monte Veritá bleibt lebendig, auf einem Rundgang durch den Park und die zum Teil noch erhaltenen Originalhäuser kann man ihr nachspüren, vor allem aber im Museum Casa Anatta. Wer mag, lässt die Eindrücke bei einer Erfrischung im Restaurant des Hotel Monte Veritá Revue passieren, 1928 von Emil Fahrenkamp im Bauhausstil errichtet. Foto: ETH Zürich Centro Stefano Franscini

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Céret, Südfrankreich Gewaltige Platanen überschatten die Boulevards zwischen den hohen Bürgerhäusern in der Altstadt von Céret, hier lässt es sich wunderbar flanieren und auf einer der zahlreichen Bänke pausieren. Die besondere Atmosphäre der Kleinstadt im heißen Westen Südfrankreichs zog zu Beginn des 20. Jahrhunderts so gut wie alle bekannten Künstler des französischen und spanischen Kubismus an. Ihr Treffpunkt war das Grand Café, bis heute die erste Anlaufstelle im Ort. Foto: Céret Tourisme

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Touristen schätzen Céret nicht nur wegen der glorreichen Vergangenheit oder wegen der köstlichen Kirschen, für die der Ort in ganz Frankreich berühmt ist. Sie kommen vor allem wegen des bedeutenden Museums für moderne Kunst (Musée d'Art moderne), dessen Sammlung rund 700 Arbeiten moderner Künstler umfasst. Mehr als 50 Werke von Pablo Picasso sind hier zu bewundern, mehr als ein Dutzend Zeichnungen von Henri Matisse, Chagalls Gouache Die Kuh unter dem Regenschirm sowie diverse Arbeiten von Joan Miró, Jean Cocteau, Aristide Maillol und vielen anderen. Diese Sammlung hat Céret dem Maler Pierre Brune zu verdanken, der seit 1916 im Ort lebte. Er wollte ein Museum gründen und rief seine Künstlerfreunde aus der Regioin zu Spenden auf. Die Dauerausstellung wurde in jüngerer Zeit durch den Ankauf von Werken zeitgenössischer Künstler ergänzt - ein Abstecher, für den sich auch weitere Anreisen lohnen. Foto: Céret Tourisme (sueddeutsche.de/dd/kaeb/cmat)

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