Reisewarnung auch für Kanaren:Was Spanien-Urlauber wissen müssen

Kanaren: Ein Tourist auf Teneriffa

Ein Mann spaziert mit Mundschutz am Strand von Santa Cruz auf Teneriffa - auch die Kanaren gelten nun als Risikogebiet.

(Foto: dpa)

Für ganz Spanien - die Kanarischen Inseln nun eingeschlossen - gilt eine Reisewarnung. Welche Folgen hat das für Urlauber? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Eva Dignös und Irene Helmes

Gerade erst hatten sich die Touristen wieder auf den Weg gemacht ins beliebteste Auslands-Reiseziel der Deutschen, da ist es schon wieder vorbei mit dem Gedanken an einen unbeschwerten Urlaub. Das Robert-Koch-Institut erklärte Mitte August zunächst Spanien mit Ausnahme der Kanarischen Inseln zum Risikogebiet, diese Einstufung gilt seit 2. September auch für die Inselgruppe im Atlantik. Seit Tagen schon gibt es dort binnen einer Woche weit mehr als 50 neue Erkrankungen pro 100 000 Einwohner, damit ist der Schwellenwert überschritten. Mit 300 Fällen pro Tag während der vergangenen Woche meldeten etwa die Behörden in Las Palmas besonders stark steigende Infektionszahlen. Das Auswärtige Amt hat seine Reisewarnung entsprechend erweitert: Alle nicht notwendigen Reisen aufs spanische Festland sowie nach Mallorca, die übrigen Baleareninseln und die Kanaren sollten unterlassen werden. Was bedeutet das für Urlauber, die gerade vor Ort sind? Und was ist mit gebuchten Reisen in den kommenden Wochen?

Sind Reisen nach Spanien jetzt verboten?

Eine Reisewarnung ist kein Reiseverbot - aber eine durchaus ernst zu nehmende Maßnahme, ein "dringender Appell", nicht zu reisen, wie es das Auswärtige Amt selbst formuliert. Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wird sie ausgesprochen, wenn mit drastischen Einschränkungen des öffentlichen Lebens, mit Quarantänemaßnahmen und einem erhöhten Ansteckungsrisiko zu rechnen ist.

Müssen Urlauber sofort heimkehren?

Nein, aber Pauschalreisende könnten es, wenn sich die Situation an ihrem Urlaubsort deutlich verschlechtert: Entsteht während des Urlaubs "am Reiseziel ein plötzlicher Hotspot, so dass Gefahr für Leib und Leben besteht, liegen außergewöhnliche, unvermeidbare Umstände vor", die dazu berechtigen, den Reisevertrag zu kündigen, informiert der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Das Geld für nicht genutzte Leistungen müsse erstattet und, sofern vertraglich vereinbart, der Rücktransport durch den Reiseanbieter organisiert werden. Veranstalter sagen derzeit Pauschalreisen in die betroffenen Regionen ab. Mitte August konnten Gäste von DER Touristik, FTI Group und Alltours, die gerade in Spanien waren, laut den Unternehmen selbst entscheiden, ob sie ihren Urlaub vorzeitig beenden wollten. Tui bat seine Kunden, in den sieben Tagen nach Verkündung der Reisewarnung die Heimreise anzutreten.

Leichtere Einschränkungen wie eine zeitweise Maskenpflicht müssen Pauschalurlauber übrigens hinnehmen. Lassen allerdings strikte Hygiene-Auflagen und andere Beschränkungen nicht mehr viel übrig vom Urlaubsgefühl, können möglicherweise Reisemängel geltend gemacht werden. Das muss gleich am Urlaubsort geschehen, damit der Veranstalter rein rechtlich eine Chance zum Nachbessern hätte (auch wenn dies während der Pandemie nicht in der Macht der Veranstalter liegt). Anders sieht es aus, wenn schon vor der Buchung bekannt war, wie die Verhältnisse am Urlaubsort sind, und der Reisende darüber informiert wurde. Dann kann er sich nicht mehr auf entgangene Urlaubsfreuden berufen

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Welche Hygiene-Auflagen gelten derzeit in Spanien?

Im ganzen Land muss an allen öffentlichen Orten - ganz gleich, ob drinnen oder draußen - ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden, ebenso in öffentlichen Verkehrsmitteln. Bei Verstößen drohen Strafen von rund 100 Euro. Am Strand, in Schwimmbädern und beim Sport gelten Ausnahmen. Auf Mallorca müssen Lokale und Geschäfte rund um die "Bier-" und "Schinkenstraße" an der Playa de Palma bis mindestens Mitte September geschlossen bleiben - eine Reaktion auf Party-Exzesse ohne Abstand. Einer Ankündigung von Gesundheitsminister Salvador Illa am 14. August nach mussten in ganz Spanien die Nachtclubs wieder schließen. Zudem dürfen Restaurants und Bars nur bis ein Uhr morgens öffnen, auf Gran Canaria und Lanzarote nur bis Mitternacht. Das Rauchen im Freien ist nur noch gestattet, wenn der Mindestabstand von anderthalb Metern eingehalten werden kann. In Barcelona etwa sind die Menschen aufgerufen, das Haus nur wegen dringender Erledigungen wie etwa für Einkäufe oder Arztbesuche zu verlassen. Kleinere Gebiete in Kastilien-León und Murcia wurden wegen lokaler Ausbrüche abgeriegelt. Für die Einreise nach Spanien ist eine Online-Registrierung im "Spain Travel Health-Portal" erforderlich.

Was passiert, wenn man im Spanien-Urlaub positiv auf Covid-19 getestet wird?

Einen ersten Fall gab es Ende Juli auf Mallorca: Der betroffene Urlauber wurde ebenso wie seine Begleiter in einem eigens für Quarantänefälle angemieteten Hotel untergebracht. Die Kosten für die Unterbringung würden übernommen, hieß es, nicht jedoch für eine möglicherweise notwendige medizinische Behandlung. Keine Kosten sollen Touristen bei einer Quarantäne auf den Kanarischen Inseln entstehen. Eine Versicherung decke den Rückflug in die Heimat, die Quarantäne-Unterkunft sowie die medizinischen Kosten ab, kündigte die regionale Tourismusministerin Yaiza Castilla Anfang August an. Eine Bedingung allerdings gibt es: Betroffene dürfen bei Reiseantritt nichts von ihrer Infektion gewusst haben.

Grundsätzlich ist der Blick in das Kleingedruckte der Auslandskrankenversicherung in Corona-Zeiten umso wichtiger. Manche Versicherer schließen Leistungen im Pandemie-Fall oder bei einer Reisewarnung aus. Pauschalurlauber, die von einer Quarantäne betroffen sind, können sich nach Ansicht von Reiserechtsanwalt Paul Degott auf die Beistandspflicht des Veranstalters berufen. Er müsse beispielsweise neue Flüge organisieren, wenn sich der Aufenthalt durch eine Quarantäne verlängert.

Müssen Rückkehrer in Deutschland in Quarantäne?

Nach einem Aufenthalt in einer Risikoregion muss seit 8. August nach der Einreise ein Corona-Test absolviert werden. Fällt er negativ aus, ist die sonst vorgeschriebene zweiwöchige Quarantäne nicht notwendig. Teststationen gibt es an den Flughäfen, ebenso an großen Bahnhöfen und in der Nähe einiger Autobahn-Grenzübergänge. Der Abstrich ist kostenlos, bis das Ergebnis vorliegt, müssen Rückkehrer aus Risikogebieten zu Hause bleiben. Mediziner geben allerdings zu bedenken, dass eine ganz frische Infektion oft nicht erkannt wird. In Mecklenburg-Vorpommern darf die Quarantäne deshalb erst nach einem zweiten negativen Test beendet werden. Auch nach einem Urlaub in einem Nichtrisikogebiet kann man sich freiwillig - und ebenfalls kostenlos - testen lassen.

Kann eine geplante Pauschalreise nach Spanien nun storniert werden?

Pauschalurlauber dürfen bei "unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen" am Urlaubsort, die eine "Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen", vom Vertrag zurücktreten, ohne die sonst üblichen Stornogebühren bezahlen zu müssen. Eine Reisewarnung, wie sie für Spanien ausgesprochen wurde, gilt dafür als "starkes Indiz". Alle schon geleisteten Zahlungen müssen innerhalb von 14 Tagen erstattet werden. Das gilt auch, wenn es der Veranstalter ist, der die Reise absagt. Geld oder Gutschein - beides ist dabei möglich, der verhinderte Reisende hat die Wahl.

Gutscheine sind mittlerweile über eine Staatsgarantie gegen Insolvenz abgesichert. Ihr Wert wird ausgezahlt, wenn sie nicht spätestens bis 31. Dezember 2021 eingelöst wurden. Findet die Reise allerdings erst in einigen Monaten statt, können sich Verbraucher nicht auf die aktuelle Reisewarnung berufen: Es ist jetzt noch nicht absehbar, ob sie dann noch gilt. Wer beispielsweise seinen für den Spätherbst geplanten Urlaub an der katalanischen Mittelmeerküste nun aus Angst vor Corona lieber absagen möchte, muss - sofern der Veranstalter keine Umbuchung erlaubt - Stornogebühren entrichten.

Allerdings hat ein Urteil des Amtsgerichts Frankfurt die Rechte der Verbraucher für den Fall gestärkt, dass zum Zeitpunkt der Absage die Prognose für Urlaubsziel- und -zeitraum ungünstig ist. Eine aktuelle Reisewarnung sei dafür nicht unbedingt erforderlich: Es reicht schon eine 25-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass sich die Lage am Ferienort verschlechtert, um kostenfrei absagen zu können - in dem speziellen Gerichtsfall war das vier Wochen vor der Abreise. Was man dabei beachten muss, erfahren Sie in diesem Interview mit Reiserechts-Experten Paul Degott.

Wie reagieren die Reiseveranstalter?

Der Deutsche Reiseverband DRV kündigte nach der Reisewarnung vom 15. August direkt an, alle Veranstalter würden geplante Reisen zu den betroffenen Zielen von sich aus absagen. Die Absagen würden "erstmal von Woche zu Woche" erfolgen, um abzuwarten, ob die Reisewarnung nicht bald wieder aufgehoben wird, sagte DRV-Sprecher Torsten Schäfer. Denn, so wörtlich: "Man kann ja nicht Mallorca bis zum Jahresende absagen."

Die Erweiterung der Reisewarnung auf die Kanaren kritisierte der DRV am 3. September deutlich: Es sei "nicht verhältnismäßig", die gesamte Inselgruppe einzubeziehen. Betroffen seien nur die Städte auf Gran Canaria und Teneriffa. "Risikogebiete sollten möglichst zielgenau und differenziert ausgewiesen werden - ähnlich wie dies in Deutschland bereits auf Landkreisebene geschieht", forderte der Verband. Pauschale Warnungen würden den Realitäten in den Ländern nicht gerecht.

Was ist mit individuell gebuchten Flügen und Hotelaufenthalten?

Individualreisende, die Anreise und Unterkunft getrennt voneinander buchen, sind rechtlich schlechter gestellt: Die Reisewarnung berechtigt dann nicht zum kostenfreien Rücktritt. Je kurzfristiger die Absage, umso höher sind in der Regel die Stornogebühren. Sogar der Gesamtpreis kann fällig sein. Die Details der Stornostaffelung stehen im Vertrag, der mit dem Hotelier oder Ferienhausvermieter geschlossen wurde. Es ist auf jeden Fall einen Versuch wert, vor der endgültigen Absage Kontakt mit dem Gastgeber aufzunehmen: Vielleicht lässt sich der Aufenthalt aufs kommende Jahr verschieben.

Anders ist die Rechtslage, wenn ein individuell gebuchter Flug von der Airline gestrichen wird. Dann muss die Fluggesellschaft den Preis erstatten. Sie kann auch einen Gutschein anbieten, der Kunde muss ihn jedoch nicht akzeptieren und kann auf der Rückzahlung bestehen.

Die Lufthansa mit der Tochter Eurowings kündigte im August an, ihr Mallorca-Angebot von 180 Flügen aus Deutschland pro Woche weiterhin aufrechtzuerhalten. Es gebe weiterhin genug Nachfrage von Menschen, die reisen wollten oder gar müssten, sagte ein Unternehmenssprecher.

Europas größter Billigflieger Ryanair hingegen hat sein Flugangebot wegen steigender Corona-Infektionszahlen in Spanien und anderen Ländern wieder zurückgefahren. Die Vorausbuchungen seien zuletzt deutlich gesunken, teilte das Unternehmen mit. Im September und Oktober werde Ryanair deshalb die angebotene Flugkapazität um 20 Prozent kappen. Betroffen seien vor allem Flüge in die Länder Spanien, Frankreich und Schweden, für die verschiedene Regierungen die Reisebeschränkungen zuletzt verschärft haben.

Wie sind die Reaktionen auf den Kanaren?

Auf den Kanaren lagen die Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen zuletzt bei mehr als 95. Damit ist die Lage auf den Inseln vor der Westküste Afrikas inzwischen schlechter als in manch anderen spanischen Gebieten, wie etwa im ebenfalls vom Tourismus stark abhängigen Valencia (62) oder Andalusien (knapp 57). Auf Mallorca liegt der Wert derzeit bei knapp 60.

Eine Reisewarnung samt Quarantänepflicht für Heimkehrer werde der bereits schwer angeschlagenen Tourismusbranche, die einen Anteil von etwa 35 Prozent am Regionaleinkommen hat, einen "Todesstoß" versetzen, befürchtete ein örtlicher TV-Kommentator schon Ende August. Trotz der bisherigen Sonderstellung habe auf den Kanarischen Inseln bereits vor der Berliner Entscheidung vom 2. September "Trostlosigkeit" und "Verzweiflung" geherrscht, schrieb die Zeitung El Día - und illustrierte dies mit Fotos leerer Straßen, Plätze und Kneipen.

"Dass es bei uns noch schlimmer kommen würde, hätten wir nie gedacht", zitiert die dpa einen Wirt, der ein Restaurant in Las Palmas de Gran Canaria betreibt. Die Hoffnung, dass viele deutsche Mallorca-Fans nach der Reisewarnung Mitte August auf die Kanaren umbuchen würden, habe sich nämlich nicht erfüllt. Obwohl die Kanaren seit Mitte August als einzige Region Spaniens noch nicht als Risikogebiet galten, traten demnach zuletzt weiterhin nur relativ wenige Deutsche eine Reise nach Teneriffa, Gran Canaria, Lanzarote oder zu einem anderen Teil des Archipels an.

Der Chef des Hotelierverbandes von Gran Canaria (FEHT), José María Mañaricúa, bezeichnete die Lage der Unterkunftsbetreiber auf allen Inseln als "dramatisch". Mit 2,65 Millionen Besuchern 2019 sind die Deutschen nach Briten und noch vor den Spaniern eigentlich die zweitwichtigste Gästegruppe auf den Kanaren. Dem Reiseverband DRV zufolge waren die Kanaren aktuell bei Urlaubern durchaus noch sehr beliebt und für die nächsten Wochen gut gebucht.

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