Reisetrends bis 2020:Die Zukunft riecht nach Curry

Bei Prognosen über das Reiseverhalten wollen sich Trendforscher nicht wirklich festlegen. Eines scheint aber sicher: Die Inder kommen.

Hans Gasser

Sie vorherzusagen ist schon schwierig genug. Aber sich zu arrangieren mit der Zukunft, wenn sie unversehens in die Gegenwart einbricht, das ist auch nicht immer leicht.

So warfen sich sämtliche Tourismusverantwortliche Österreichs bußfertig in den Staub, nachdem vor drei Wochen die Kitzbüheler Tourismusdirektorin von einer Russenquote gesprochen hatte, um die Zahl der russischen Gäste in den Hotels zu begrenzen.

Und auch mit indischen Reisegruppen hat der heimische Hotelier noch seine liebe Not. Immer wieder ist zu hören, dass man die Inder als Tagestouristen zwar schätze, aber es sei einem schon ganz recht, wenn sie woanders übernachten. Insgeheim beschweren sich die Hoteliers über vermüllte Hotelzimmer und den strengen Geruch von Curry und Zwiebel.

Trendforscher sprechen von einer ,,globalen Mittelschicht'' aus aufstrebenden Ländern, die Europa in den nächsten Jahrzehnten als Freizeitpark erschließen werde. Nur wer darauf eingestellt und ausreichend offen für die Wünsche der neuen Gäste ist, wird davon profitieren können.

So hat sich Engelberg in der Zentralschweiz auf indische Reisegruppen spezialisiert, in Hotels und auch im Bergrestaurant am Titlis bereiten indische Köche indische Mahlzeiten zu, ohne die der indische Gast auf Reisen nicht auszukommen glaubt.

In München gibt es Souvenirgeschäfte, die nur mit chinesischen Reisegruppen arbeiten und sich dabei eine goldene Nase verdienen. Und in Baden-Baden heißt es an Juweliergeschäften und Restaurants vielerorts: Man spricht Russisch.

Wie und wo aber machen die Deutschen, die Österreicher, die Schweizer in Zukunft Urlaub? Diese Frage stellen sich die großen Touristikunternehmen speziell anlässlich einer Großmesse wie der ITB und geben dafür Trendstudien in Auftrag. Wer sie liest, könnte denken: Von allem etwas, von nichts zuviel, und es kann auch genau anders kommen als prognostiziert.

Eine gewisse Beliebigkeit ist den Studien nicht abzusprechen. Das liege daran, dass man die Zukunft natürlich selber nicht kenne, sagt Klaus Burmeister vom Trendforschungsinstitut Z-Punkt, der vor kurzem beim Tui Zukunftsrat seine Ansichten präsentierte. Man könne vielmehr nur mögliche Szenarien entwerfen anhand von gegenwärtigen Daten und Entwicklungen. ,,Und diese Szenarien haben nur einen Sinn, wenn man sie immer wieder überprüft.''

Die Haupttrends bis 2020

Sowohl die von Tui in Auftrag gegebene Analyse als auch eine Trendstudie des Duttweiler-Instituts für den Schweizer Reiseveranstalter Kuoni gehen von einigen Haupttrends bis 2020 aus:

- Die Schere zwischen Billigurlaub für die Masse und absolutem Premiumurlaub für die Reichen wird weiter auseinander klaffen. Beide Segmente werden wachsen, während die Mittelschicht für das Tourismusgeschäft immer unbedeutender wird. Also: entweder ganz billig oder ganz teuer.

- Die Senioren (60+) wachsen mit ungefähr 30 Prozent zur größten Bevölkerungsgruppe an. Sie unternehmen auch im hohen Alter noch Reisen, die aber mit der Bus-Kaffeefahrt nicht mehr viel zu tun haben werden. Gefragt sind individuelle Angebote, die auf die Bedürfnisse der bereits sehr reiseerfahrenen Gruppe zugeschnitten sind. Studien- und Erlebnisreisen einerseits, Gesundheits- und Sportreisen andererseits.

- Der Markt für Präventions- und Gesundheitsangebote im Urlaub wird weiter wachsen. Die Menschen wollen den Urlaub nutzen, um etwas für ihren Alltag zu tun, um sich fit zu machen, sich vorzubereiten. Boot Camps des Arbeitgebers, bei denen man etwa Sprach- oder Computerkenntnisse erwirbt, Projekturlaub, währenddessen man Wissenschaftlern hilft oder Straßenkinder betreut - tendenziell ist mehr Aktivität gefragt.

- Was den Klimawandel betrifft, so gibt es dazu zwei Positionen. Durch die zunehmende Hitze im Süden werden viele Menschen es vorziehen, ihren Sommerurlaub an Nord- und Ostsee oder in Skandinavien zu verbringen, sagen die einen. Dadurch, dass es immer mehr Singles und weniger Paare mit Kindern gibt, sei man nicht mehr an Schulferien gebunden und könne so im April nach Sizilien oder im Oktober ans Rote Meer, sagen die anderen. Die Nebensaison wird so ein Stück weit zur Hauptsaison.

Pauschalreisen bleiben im Angebot

Auch wenn Reiseveranstalter die Auftraggeber solcher Untersuchungen sind, reagieren sie selbst nur sehr vorsichtig darauf. Man hält sich da eher an das Gesetz der Nachfrage. Der Kommentar von Tui zum immer wieder vorhergesagten Ende der Pauschalreise lautet lapidar: ,,Quatsch''. Diese werde es weiterhin geben. Das Bausteinprinzip, bei dem sich die Kunden Flug und Hotel selbst zusammenstellen können, habe nur in Ländern wie Spanien oder Italien Erfolg. In Griechenland, der Türkei oder Ägypten zögen die meisten allein schon wegen der Sprachbarriere ein Pauschalpaket vor, sagt Tui-Sprecher Robin Zimmermann.

Dass einerseits Flugbenzin teurer wird, weil es womöglich bald besteuert wird, andererseits aber das Billigflieger-Konzept auf die Langstrecke ausgeweitet wird, sei kein Widerspruch, meint Karin Frick, Mitautorin der Kuoni-Studie. ,,Jeder Trend hat einen Gegentrend''. Den Veranstaltern sei es überlassen, auf das eine oder das andere zu setzen. Letztlich bestimmten sie durch ihre Angebote ohnehin am stärksten das zukünftige Reiseverhalten.

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