Süddeutsche Zeitung

Reiserecht:Tuifly muss erste Reisende für Flugchaos im Herbst entschädigen

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Besatzungen von Tuifly hatten sich reihenweise krankgemeldet, nachdem Pläne für ein Bündnis mit der Touristiksparte von Air Berlin und der arabischen Fluglinie Etihad bekanntgeworden waren. Am 7. Oktober 2016 musste Tuifly den Betrieb daraufhin fast komplett einstellen, auch an den Tagen davor und danach gab es viele Flugausfälle. Allein 3000 Reiseverträge - meist auf mehrere Personen ausgestellt - musste Tui nach eigenen Angaben kündigen. Für den heftigsten Tag hatte Tuifly von 9700 betroffenen Fluggästen berichtet.

Nun entschied das Amtsgericht Hannover, dass die Airline zwei Klägern Entschädigungen zahlen muss. Es hatte seit gestern über einige der ersten Fälle beraten.

Ein Ehepaar aus Bergisch Gladbach hat demnach Anspruch auf 800 Euro Entschädigung, weil es fast vier Stunden später als geplant auf der griechischen Insel Kos landete. Eine Familie aus Celle bekommt 2000 Euro, weil die Reise für die fünf Personen ganz abgesagt wurde. Bisher wollte Tuifly die Urlauber nicht auf Basis der EU-Fluggastrechteverordnung entschädigen, sondern nur den Reisepreis erstatten: Die Airline wertet die massenhaften Krankmeldungen von Crews als sogenannten wilden Streik. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs sind Fluglinien bei einem Streik von Entschädigungszahlungen befreit.

Doch die Kunden fordern mehr als den reinen Ticketpreis, sie wollen eine finanzielle Entschädigung beziehungsweise Mehrkosten erstattet bekommen. Bisher sind allein beim Amtsgericht Hannover etwa 630 Zivilklagen und etwa 70 gegen den Reiseveranstalter anhängig. Die Zahl der Verfahren steigt immer noch. Erste Entscheidungen gab es laut Gerichtssprecher Jens Buck bereits vergangene Woche, als je eine Klage in Hannover und in Nürtingen abgewiesen wurde. Außer in Hannover - dem Sitz von Tuifly - können Reisende auch an einem der insgesamt elf Abflugorte klagen.

Reiserechtler gingen im Vorfeld davon aus, dass Tuifly eher schlechte Karten habe, Ausgleichszahlungen zu verweigern. Nach EU-Recht haben Reisende bei einer über dreistündigen Flugverspätung je nach Strecke Anspruch auf eine Entschädigung von 250 bis 600 Euro, wenn die Fluggesellschaft die Verzögerung zu verantworten hat. Wer gar nicht fliegen kann, obwohl er pünktlich am Abfertigungsschalter war, dem stehen bis zu 600 Euro zu.

Gegen die Entscheidungen eines Amtsgerichts in erster Instanz kann die unterlegene Partei Berufung einlegen, wenn der Streitwert höher als 600 Euro ist. Da vergleichsweise wenige Menschen allein in Urlaub fliegen, dürfte diese Summe in einem Großteil der Fälle überschritten sein. Ein Klägeranwalt sprach bereits von einem Präzedenzfall und kündigte am Rande des Verfahrens am Dienstag an, notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen.

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