Reiseportale im Netz:Vom Geldeintreiber zum Schülerlotsen

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Hilft bei Problemen mit dem Flug, Entschädigung zu bekommen: fairplane.net.

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Reisen im Internet zu buchen, funktioniert auf vielen Onlineportalen. Einige aber versuchen, mit speziellen, praktischen und teils originellen Angeboten zu überzeugen. Eine Übersicht.

Von Melanie Staudinger

Die Sache ist ärgerlich: Man kommt am Flughafen an, voller Vorfreude auf die bevorstehende Reise, und stellt fest, dass der Flug annulliert wurde, überbucht ist oder eine mehrstündige Verspätung hat. Nur die wenigsten Kunden wissen, dass sie in solchen Fällen bis zu 600 Euro von ihrer Fluggesellschaft einfordern können. "Alleine in Deutschland sind im Jahr ungefähr zwei Millionen Passagiere anspruchsberechtigt", sagt Andreas Sernetz. Ihnen will er mit seiner App fairplane.net helfen, an ihr Geld zu kommen. Kostenlos überprüfen die Anwälte, ob ein Anspruch besteht, also ob keine höhere Gewalt wie politische Unruhen oder ein Streik dazu geführt hat, dass der Flug eine Verspätung hatte oder gestrichen wurde. Dann fordern sie den Betrag ein. Bezahlen muss der Kunde nur im Erfolgsfall - 29,4 Prozent des Betrages, den er von der Fluggesellschaft bekommt.

Auf die Idee zu seinem Start-up kam Sernetz, weil er selbst einmal auf einem Flug von Moskau nach Shanghai 48 Stunden feststeckte. Ein Freund erzählte ihm, dass in seinem Fall zwar nichts zu machen sei, wohl aber, wenn die Sache in der EU passiert wäre. Denn hier gibt es seit 2004 eine verbraucherfreundliche Richtlinie. Fairplane demokratisiert den Flugmarkt und deckt dabei eine Marktlücke ab. "Privatpersonen haben alleine oft keine Chance, weil sie gar nicht durchdringen", sagt Sernetz. Und wegen des geringen Streitwerts lohne es sich auch nicht, einen eigenen Anwalt zu beschäftigen.

Die Firma gibt es seit gut zwei Jahren. Sie hat bisher nach eigenen Angaben drei Millionen Euro an ihre Kunden ausbezahlt. Momentan bearbeiten neun Angestellte und zusätzlich freiberufliche Anwälte etwa 20.000 Fälle. Dass die App die Ansprüche bündelt, hilft ihnen. "Pro Flug, der in Frage kommt, haben wir vier bis fünf Kunden", sagt Sernetz. Die meisten sind derzeit Privatreisende. Nun will Sernetz gezielt Unternehmen ansprechen, die über Fairplane Ansprüche ihrer Mitarbeiter geltend machen können.

Der Punkberater

Noch steht wenig auf der Homepage von citties.net: Eine Straßenkarte von Berlin-Mitte ist zu finden, und der Hinweis, dass Citties neue Wege biete, um Städte zu erkunden und in die lokale Szene einzutauchen. Bald wollen Philip Brandts und sein Team die Seite freischalten. Auch eine App soll es geben, auf der man Metropolen durch unterschiedliche Brillen entdecken kann: Bagpacker, Hipster, Gay, Sightseer, Fashionista oder Businessman. "Wir arbeiten mit Klischees, aber diese Geschmacksmuster helfen, das Dickicht an Informationen zu lichten", sagt Brandts.

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Lotst Menschen an genau die Orte, die sie wirklich interessieren: citties.net.

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Auf die Idee kam er, als er in Prenzlauer Berg mal zwei Punks traf. Die fragten sich, wo sie abends hingehen sollten. Als Einheimischer dachte er natürlich sofort daran, dass die beiden in der Familiengegend falsch sind. Er schickte sie ins alternativere Kreuzberg. "Da wurde mir klar, dass Menschen Städte unterschiedlich wahrnehmen und ein Reiseführer für alle nicht funktionieren kann", sagt Brandts. Natürlich gebe es alle Informationen, die Citties bietet, schon irgendwo im Netz. Aber gebündelt seien sie eben nicht zu finden.

Die App speist sich aus zwei Quellen: den von Brandts und seinem Team geschaffenen Typen und einem Netzwerk aus Bloggern. Brandts arbeitet dafür mit den Internetschreibern zusammen: Zurzeit sind 20 Blogger aus Berlin integriert, darunter etwa "FoodieinBerlin", ein Blog, der an die 300 Restaurants und Bars beschreibt, oder ein Vintage-Blog, der Berlin aus Sicht der Achtzigerjahre illustriert. Für die Hauptstadt haben die Mitarbeiter von Citties bereits 350 Orte auf einer Karte zusammengetragen, dazu Beschreibungen, etwa zum Flohmarkt im Mauerpark. Ähnliche Auskünfte soll es bald auch für Istanbul und London geben. Im Juli startet die Testphase, im Spätsommer wird die App öffentlich zugänglich sein. "Unser Ziel ist es jetzt, weitere Geldgeber zu finden, damit wir unser Angebot auf alle interessanten Metropolen ausweiten können", sagt Brandts.

Der Kompass

Wer für längere Zeit nach China reisen und jenseits der ausgetrampelten Pfade unterwegs sein wollte, dem boten sich bisher zwei Möglichkeiten. Er besuchte ein Reisebüro, wenn dieses denn gerade offen hat, oder er suchte sich mühsam alles selbst aus dem Internet heraus. Beides hat Nachteile: Bisweilen ist es auch für Reisebüros schwierig, die richtigen Angebote herauszufiltern, weil sie gerade für das gewünschte Ziel nicht spezialisiert sind. Wer sich seine Reise alleine zusammenstellt, muss auf fundierte Beratung verzichten. Das ist nicht optimal. Die Firma Nezasa aus Zürich schuf nun eine dritte Art der Buchung.

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Bringt Backpacker abseits der bekannten Wege durch China: nezasa.com.

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Auf nezasa.com können sich Individualreisende ihre Trips online nach ihrem Geschmack zusammenstellen. Das Planen auf der interaktiven Oberfläche, so verspricht Patrick Hammer, wird zu einer spielerischen und inspirierenden Beschäftigung. Die Reisepartner seien bewusst ausgewählt worden. Statt 100 Hotels wie auf herkömmlichen Plattformen bekommt der Kunde zehn vorsortierte Unterkünfte. Gleiches gelte für die Aktivitäten. "Das ist der nächste logische Schritt für den Reisemarkt", sagt Hammer. Qualitativ hochwertige Angebote seien ja vorhanden, müssten aber je nach Interessenlage gebündelt werden.

In der derzeitigen Testversion können Kunden zwischen fünf China-Reisen wählen, von Peking nach Hongkong etwa oder einen Trip mit dem Namen "Kultur- und Naturerbe Chinas", der nach Xi'an und Yangshuo führt. Die Touren sind nur Vorschläge - Reisende können Hotels austauschen, an schönen Orten länger bleiben oder statt des Zugs ein Flugzeug nehmen, falls das möglich ist. Nezasa ging erst im Frühjahr online. Deshalb ist das Angebot momentan noch auf China beschränkt. Das Team um Hammer arbeitet an weiteren Angeboten für Indien, Vietnam und Thailand. Irgendwann sollen alle Ziele, die von Europäern gerne angesteuert werden und die sich für Individualreisen eignen, angeboten werden.

Der Entertainer

Früher war das Fliegen noch etwas Besonderes. Man freute sich, wartete gespannt aufs Einchecken, weil man vorher nie wusste, welchen Platz man bekommen würde. Heute ist das anders: Alle fliegen, viele von uns sogar ziemlich oft. Der Platz lässt sich vorher im Internet heraussuchen, alles ist automatisiert und hat seinen Glanz verloren. Nun tritt eine neue App an, um die Flugreise wieder zu einem echten Erlebnis zu machen. "Flying" heißt sie und sie wurde von der Firma "Seat4a" mit Sitz in Hamburg entwickelt. "Wir wollen wieder Emotionen wecken, das Gefühl dafür, was man eigentlich macht, wenn man fliegt", sagt Panos Meyer. Flying stellt sich gegen den Billigtrend auf dem Flugmarkt und bietet beispielsweise einen Boarding-Pass, der alle schon getätigten und künftigen Flüge anzeigt - mit Startzeit, Gate und eventuellen Verspätungen. Und dies über verschiedene Fluggesellschaften hinweg.

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Will Flüge wieder zu einem spannenden Erlebnis machen: die App Flying.

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Das zweite Element sind Infografiken, die Fakten rund um den Flug veranschaulichen. Witziges Feature dabei: Die Nutzer können verschiedene Stempel sammeln, etwa für den zehnten Flug, den ersten Trip mit der A 380 oder die erste Ankunft in New York. Wie bei einem sozialen Netzwerk kann zudem jeder die Flüge seiner Freunde beobachten. Und wenn man sich zufällig in einer Stadt befindet, lässt sich auch schnell ein Treffen organisieren. Die App in ihren Grundfunktionen ist kostenlos. Wer Echtzeitinformationen über seinen Flug wünscht, muss zahlen. Die Angebote starten bei 1,79 Euro und enden bei 17 Euro. "Das Gesamtpaket umfasst dann 80 Flüge", sagt Meyer. Das entspreche ungefähr dem, was ein Vielflieger im Jahr absolviert. Flying ist seit Mai in Apples App-Store erhältlich. Für Smartphones mit dem Betriebssystem Android gibt es sie noch nicht. Seat4a bietet auch Fluggesellschaften einen Service an: gezielte Werbung. Allerdings, so betont Meyer, würden keine personenbezogenen Daten an die Unternehmen weitergegeben.

Der Schülerlotse

Eigentlich, möchte man meinen, gibt es im Internet schon alles. Thomas Quadbeck aber hat eine Nische gefunden, in der die entscheidende Brücke zwischen Anbietern und Kunden noch fehlte: Klassenreisen. Wenn Lehrer mit ihren Schülern wegfahren wollen, können sie zwar aus Tausenden Dingen wählen. Sie müssen sie sich allerdings auch langwierig selbst zusammensuchen. Klassenreisen.de bietet eine Auswahl an Unterkünften, Busanbietern, Veranstaltern von Pauschalreisen und Freizeitprogrammen wie Stadtführungen oder Erlebnispädagogik. Man kann sich dann auf der Internetseite je nach seinen Bedürfnissen die Angebote filtern lassen.

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Erleichtert Lehrern die Planung von Ausflügen: klassenreisen.de.

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"Bei Klassenfahrten ist der Organisationsaufwand immens", sagt Quadbeck. Ein Lehrer sei nicht nur für das Wohl von 30 Schülern verantwortlich, sondern müsse sich, wenn etwas schiefgeht, auch vor 60 Eltern und der Schulleitung verantworten. "Muslimische Schüler dürfen kein Schweinefleisch essen, und einen Bildungsauftrag gibt es ja auch noch", sagt Quadbeck. Früher verbrachten Pädagogen unzählige Stunden vor dem PC, um Klassenreisen zusammen zu stellen. Unternehmen hingegen hätten nicht so recht gewusst, wie sie ihre Klientel ansprechen sollen.

Quadbeck weiß, wovon er redet. Er leitete jahrelang eine Ferienunterkunft für Jugendliche. Es sei schwierig gewesen, Schulklassen direkt anzusprechen, erzählt er. Oft versandeten die E-Mails im Sekretariat. Auf anderem Wege an die Lehrer zu kommen, das sei teuer und aufwendig gewesen. Klassenreisen.de biete den Vorteil, dass Angebote schneller vergleichbar seien, sagt er. Kommerzielle Anbieter fänden einen günstigen Kanal, um sich vor ihrer Zielgruppe erfolgreich zu präsentieren. Die App, die demnächst starten soll, bündelt momentan etwa 300 Angebote. Bis Jahresende sollen es 2500 sein. Quadbeck setzt auf Qualität und sucht die Offerten genau aus. "Wir wollen die Lehrer unterstützen und müssen ihr Vertrauen gewinnen", sagt er.

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