Reisen nach Kentucky:USA für Profis

Auf der Suche nach dem echten Amerika: Fünf gute Gründe, den Bundesstaat Kentucky zu entdecken.

Ann-Kathrin Eckhardt

Kentucky, Inbegriff der Provinz, ist auf der touristischen Landkarte der USA noch ein weißer Fleck. Doch die Queen war schon fünfmal da. Nicht ohne Grund. Ihre Garderobe hatte Queen ElizabethII. für diesen Anlass sorgsam ausgewählt: ein lindgrünes Kostüm mit goldenen Knöpfen, dazu weiße Handschuhe und ein breiter pinkfarbener Hut mit riesiger Schleife. Es war schließlich nicht irgendein Pferderennen, das sie am 5.Mai 2007 besuchte. Es war das Kentucky Derby, das Zwei-Millionen-Dollar-Rennen, das Ascot der USA. Ein Jugendtraum der Queen ging in Erfüllung.

Es war bereits der fünfte Besuch der britischen Königin in Kentucky. Im Herbst, so hoffen die Kentuckians nun, wird sie wiederkommen. Denn am 25.September beginnen in Lexington die Weltreiterspiele. Zum ersten Mal finden sie außerhalb Europas statt, in einem Landstrich, zu dem selbst Amerikanern in der Regel recht wenig einfällt. "You're going to Kentucky? Oh..."

Die meisten kennen Kentucky - wenn überhaupt - ohnehin nur von oben. "Fly-over-States" nennen die Bewohner der Ost- und Westküste Staaten wie Kentucky abfällig. Dabei gibt es gleich mehrere gute Gründe für eine Zwischenlandung - für Pferdenarren wie die Queen ebenso wie für alle, die auf der Suche nach dem echten Amerika sind.

1. Amerika aus dem Bilderbuch

301 East Vine Street, Lexington, Kentucky - diese Adresse notiert man sich am besten sofort, sonst muss man vor Ort lange suchen. Das Schild, das den Weg weisen soll, hängt so schief, dass man gleich drei Straßen zur Auswahl hat. Fragt man Passanten nach dem richtigen Weg, so ist die Antwort stets höflich, aber wenig hilfreich: "Tourist Information? Sorry, no idea."

Wer nach Lexington kommt, merkt sofort: Fremde Menschen aus fremden Ländern verirren sich selten hierher. Zumindest keine USA-Anfänger. Für gewöhnlich kommt erst, wer Golden Gate Bridge, Grand Canyon, Miami und New York bereits abgehakt hat. Ein Fehler, denn in dem kleinen Bundesstaat zwischen Indiana und Tennessee hat das Land noch eine Ursprünglichkeit, die an Ost- oder Westküste nicht mehr zu finden ist. Hier gibt es noch Städte ohne Starbucks, Nationalparks ohne Touristenhorden, Amerikaner ohne Auto - und viele Orte, die aussehen wie Amerika aus dem Bilderbuch.

In Lexington etwa, mit 275000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Kentuckys, stehen neben millionenschweren Villen jede Menge bunte Holzhäuser mit Veranda, Schaukel und gestutztem Rasen - ein Heile-Welt-Idyll mit äußerst gastfreundlichen Leuten. Eine Einladung zum Abendessen ist hier leichter zu haben als eine Wegbeschreibung zum Tourismusbüro.

2. Bier mit Bourbon

Kentucky, sonst nichts. Kein anderer Staat darf seinen Namen auf eine Flasche Bourbon drucken. Die Frage ist nur, was so ein Privileg wert ist. Denn der Ruf des Bourbons war lange Jahre nicht der beste: Ein rauer Drink, zusammengepantscht aus mehreren Fässern, gerade gut genug, um Goldsuchern und Cowboys bei der Eroberung des Wilden Westens Beistand zu leisten.

Aus der zweifelhaften Vergangenheit des Bourbons macht Freddie Johnson bei seiner Führung durch die Buffalo Trace Destillerie keinen Hehl. Der 65-Jährige hat Frankfort, der Hauptstadt Kentuckys, ja damals selbst den Rücken gekehrt. Er ist lieber Maschineningenieur geworden, statt wie sein Vater und Urgroßvater die amerikanische Variante des Whiskeys zu brennen. Doch vor ein paar Jahren ist er zurückgekehrt. Jeden Tag führt er nun Besucher durch die mehr als hundert Jahre alten Produktionshallen von Buffalo Trace und erzählt stolz von 200 gewonnenen Medaillen und Preisen in den vergangenen zwei Jahrzehnten.

Seit die Brennereien in Kentucky Mitte der achtziger Jahre die Herstellung veredelten und mit großem Werbeaufwand ein neues Zeitalter der Bourbon-Produktion deklarierten, ist der goldbraune Tropfen in der Tat aus keiner Bar in Hollywood oder New York mehr wegzudenken. Guter Bourbon wird heute nur noch aus einem einzigen Fass abgefüllt, das nur ein einziges Mal verwendet werden darf. Mindestens zwei Jahre lang dringen die 200Liter Destillat ins angekokelte Holz der Eichenfässer. Am liebsten, verrät Freddie Johnson, trinke er seinen Bourbon allerdings nicht pur, sondern mit dunklem Bier. "Und?", fragt er erwartungsvoll bei der Verkostung am Schluss. Erstaunlich lecker, diese Mischung.

3. Pferde auf Laufbändern

Zuerst glaubt man, nicht richtig verstanden zu haben. Bei Menschen, die "Luvahl" statt "Louisville" sagen, sind durchaus Zweifel angebracht. Also lieber nachfragen: "Electric walkers? For horses?" Doch, doch, man habe schon ganz richtig verstanden, sagt die Dame, die durchs Gestüt führt. Für jüngere Pferde sei das Laufband ein ideales Training. "Darauf laufen sie schön gleichmäßig." Außerdem müssten die Tiere dann bei schlechtem Wetter nicht raus. Klar, wer will schon den Schnupfen eines Zehn-Millionen-Dollar-Hengstes verantworten?

Luxuriöser als auf dem Three-Chimneys-Gestüt bei Lexington kann ein Pferdeleben wohl kaum sein. Ställe, die aussehen wie Villen, Boxen mit goldenem Türknauf, ein Dutzend Bürsten für jedes Pferd, privater Stallbursche, privater Trainer. Und erst die Koppeln! Drei Fußballplätze für ein Pferd, umzäunt mit einer doppelten Reihe weißem Holzgatter. Zur Sicherheit. Damit dem Pferd nichts passiert, falls doch mal ein Auto von der Straße abkommt.

Die weißen Holzzäune sind so etwas wie das Markenzeichen Kentuckys. Tausende Meilen durchziehen das Land, überall werden Vollblüter gezüchtet. Aus der Luft betrachtet sieht der Fly-over-State aus wie ein riesiges Fliegengitter. Und immer häufiger kann man beobachten, wie sich die Privatjets der Scheiche wie dicke Hummeln darauf niederlassen. Wo sonst gibt es teurere Pferde zu kaufen als hier?

Mehr als 500Gestüte wetteifern allein rund um Lexington, der selbsternannten "Pferdehauptstadt der Welt", um die Gunst der Scheiche. Das blaue Gras des "Blue Grass States" soll es sein, das die Pferde hier so starkmacht. Einer Kalksteinplatte dicht unter dem Boden verdanke das Gras nicht nur seinen blauen Schimmer, sondern auch seine vielen Nährstoffe, beschwören die Menschen hier. Sogar blaue Pferde wollen sie schon gesehen haben.

4. Frühstück mit Grits

Sklavenbefreiung oder Tradition? Abraham Lincoln oder Jefferson Davis? Nord oder Süd? Während des Bürgerkriegs war Kentucky der einzige Staat, der politisch nie ein klares Bekenntnis ablegte. Die kulinarische Entscheidung fiel hingegen recht eindeutig aus: zugunsten des Südens.

Dass Kentuckys Köche mehr draufhaben, als Hühnchenteile zu frittieren (jeder nach eigenem Geheimrezept, versteht sich), zeigt ein Blick in die Cafeteria der berühmten Keeneland-Rennbahn in Lexington. In der "Track Kitchen" treffen sich Stallburschen, Jockeys, Trainer, Manager und millionenschwere Pferdekäufer zum Essen. Die Nahrung ist allerdings eher etwas für hart arbeitende Stallburschen als für leichtgewichtige Jockeys. Schon das Frühstück hat es in sich: Grits (Maisgrütze), Biscuits (eine Art Semmel), Gravy (Bratensoße), Speck, Rühreier, Apfelkompott und zum richtig Sattwerden noch Brotpudding obendrauf.

Überhaupt scheinen Köche in Kentucky stets zu glauben, dass ihre Gäste völlig ausgezehrt sind. Das Nationalgericht schlechthin ist "burgoo", ein chiliartiger Eintopf aus Rind-, Bison- und Schweinefleisch, der Bergleute seit Generationen nährt. Das ist wichtig. Kentucky produziert auch heute noch 93Prozent seiner Energie mit Kohle. Eine weitere Kochregel scheint zu sein: Ein Essen ohne Bourbon ist kein gutes Essen. Kaum ein Nachtisch, keine Soße kommt hier ohne Whiskey auf den Tisch. Besonders lecker: "Kentucky Bourbon Sauce" (Honig, Whiskey, Butter) mit frittiertem Hähnchen.

5. Countrymusik im Kino

Am Anfang musste Michael Johnathon seine Gäste noch mit selbstgebackenen Plätzchen und Cidre locken, dabei war in dem kleinen Tonstudio in Lexington ohnehin nur Platz für 20 Zuhörer. Jeden Montagabend moderierte der Folksänger darin seine "Woodsongs Old Time Radio Hour", eine Live-Sendung mit Live-Gästen und Live-Musik. Selbst die Werbung wurde live gesprochen.

Zehn Jahre später gibt es bei Michael Johnathon Cola und Popcorn statt Cidre und Plätzchen. Die Fangemeinde ist so groß geworden, dass er mit seiner "Old Time Radio Hour" umziehen musste. Nun sendet er jeden Montag um 19Uhr aus dem alten Kino der Stadt. Doch selbst dort reicht der Platz oft nicht mehr. Schon Wochen vorher sind die Tickets für einige Sendungen ausverkauft. Kein Wunder: 491 Stationen in 32 Ländern übertragen die Show inzwischen. Und: Wer einmal zwischen händchenhaltenden Alt-Hippies und jungen Familien der Bluegrass-, Folk- und Countrymusik von Johnathons Gästen gelauscht hat, der kommt wieder.

Viel zu schnell sind die 60 Minuten vorbei. "See you next Monday", sagt Johnathon, und man wünscht, man wäre dann noch in Kentucky.

Informationen

Für Europäer gelten neue Richtlinien für die Einreise in die USA. Das bisherige visafreie Reisen durch ein ausgefülltes "Esta"-Formular ist seit 8. September kostenpflichtig. Die USA erheben nun 14 Dollar auf diese elektronische Reisegenehmigung, die nach wie vor zwei Jahre gültig ist - sofern der Reisepass in dieser Zeit nicht abläuft.

Anreise: Hin- und Rückflug von München nach Lexington mit Air France oder Delta Airlines mit Umsteinen in Atlanta, Economy ab 732 Euro, www.airfrance.fr, www.delta.com

Unterkunft: Bed and Breakfast Swann's Nest auf der Cygnet Farm etwas außerhalb von Lexington, DZ ab 149 Diollar, Tel.: 001/859/226-0095, Fax: -252-4499, www.swannsnest.com

Bourbon Trail: Der Kentucky Bourbon Trail verbindet acht alteingesessene Brennereien miteinander, darunter die bekannte Heaven Hill, Buffalo Trace und Jim Beam. Bei jeder gibt es (oft kostenlose) Führungen und Verkostungen, www.kybourbontrail.com

Weitere Auskünfte: Kentucky Department of Tourism, Capital Plaza Tower, 22nd Floor, 500 Mero Street, Frankfort, Kentucky, Tel.: 001/800/225 87 47, www.kentuckytourism.com, Lexington Convention and Visitors Bureau, 301 East Vine Street, Lexington, Kentucky, Tel.: 001/859/233/12 21, www.visitlex.com

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