Reisen nach Ägypten:Günstig, sicher und nicht überlaufen

Die Umwälzungen des arabischen Frühlings bringt auch Reisebuch-Autoren viel Arbeit. Orient-Spezialist Wil Tondok über die aktuelle Lage des Tourismus in Ägypten und warum das Land gerade jetzt ein empfehlenswertes Reiseziel ist.

Stefan Fischer

Mit einer Weltreise hat alles begonnen: Wil Tondok, 73, ist in den Siebzigern mit seiner Frau drei Jahre lang in einem VW-Bus um die Erde gefahren. Zurückgekehrt, hatten die beiden kein Geld mehr - und haben sich welches verdient, indem sie eine kleine Broschüre über ihre Erlebnisse verkauften. Autor von Reiseführern war der Ingenieur Tondok lange nur nebenberuflich. 1985 hat er mit anderen zusammen die Dachmarke "Reise Know-How" gegründet. Inzwischen versammeln sich darunter fünf Einzelverleger. Wil Tondok hat sich auf Ägypten, Jordanien und Israel spezialisiert, 2011 hat er außerdem mit Hilfe zweier Kollegen einen Palästina-Führer veröffentlicht.

SZ: Wie wirken sich die massiven Veränderungen etwa in Ägypten für einen Autor und Verleger von Reiseführern aus?

Tondok: Ich war vor etwas mehr als einem Jahr zum Recherchieren in Ägypten. Im Januar gab es dann die ersten Demonstrationen. Als Mubarak im Februar zurücktrat, war mein Ägypten-Führer druckreif. Jeder wusste: Es wird gewaltige Umwälzungen geben, auch in der Preisstruktur, in den touristischen Angeboten. Ich habe beschlossen, das Buch dennoch auf den Markt zu bringen, so wie es ist. Allerdings nur in der halben Auflage. Die verkaufe ich nun recht langsam. In diesem Herbst wollte ich mein anderes Ägypten-Buch, über das Niltal, aktualisieren. Aber dort tut sich touristisch derzeit auch wenig. Nach meinen Informationen liegen zum Beispiel etwa 90 Prozent der Kreuzfahrtschiffe fest vertäut am Ufer. Deshalb habe ich diesen Reiseführer bislang nicht aktualisiert.

SZ: Haben Sie so einen Einbruch beim Absatz schon einmal erlebt?

Tondok: Es gab zwei solcher Pleiten, jeweils nach Angriffen auf Touristen. Ich war 1997 gerade zur Druckerei unterwegs, als ich im Radio von dem Attentat in Luxor hörte. Ich habe sofort entschieden, meine Auflage zu halbieren und kam damit über die Runden, bis der Tourismus wieder anzog.

SZ: Wie lange wird es diesmal dauern, bis Ägypten sich erholt?

Tondok: Ich wage keine Prognose zu stellen. Sollten die islamistischen Kräfte die Wahlen gewinnen und sich die orthodoxen Salafisten mit ihrer Idee von getrennten Badeständen durchsetzen, dann wäre der Fremdenverkehr kaputt. Viel wird von der neuen Zivilregierung abhängen, die für Mitte 2012 angekündigt ist.

SZ: Haben Sie dennoch konkrete Pläne für Ihre nächste Recherchereise?

Tondok: Im Moment nicht. Aber sobald sich irgendwie abzeichnet, dass es sinnvoll ist, zum Herbst eine neue Auflage des Niltal-Reiseführers zu machen, setze ich mich in den nächsten Flieger nach Ägypten und lege los.

"Angewiesen auf jeden Touristen"

SZ: Empfehlen Sie, jetzt nach Ägypten zu reisen?

Tondok: Ja, unbedingt. Die Leute sind angewiesen auf jeden Touristen, der kommt. Und alle Sehenswürdigkeiten sind so leer, wie sie nie waren. Man kann sich in den Gräbern stundenlang umsehen, den Karnak-Tempel tagelang für sich haben. Da sind manchmal nur zehn oder 20 Besucher, wo sonst zwei-, dreitausend unterwegs waren. Und Oberägypten ist sicher. Ein bisschen unangenehm ist, dass alle Fremdenführer und Taxifahrer sich auf die wenigen Touristen stürzen und ihnen kaum Luft lassen. Jeder will ihnen etwas verkaufen, ich bekomme Leserbriefe mit Beschwerden über diese Aufdringlichkeit. Aber man muss auch verstehen, dass jeder das bisschen Geld braucht, das aus einem Touristen herauszuholen ist, um seine Familie durchzubringen.

SZ: Heißt das, dass erhöhte Preise verlangt werden?

Tondok: Nein, zur Zeit sind die vor allem Pauschalreisen sehr billig. Aber auch Individualtouristen können preiswerter unterwegs sein, weil der Kampf um jeden Gast das Preisniveau von Hotels, Restaurants oder Souvenirshops deutlich drückt.

SZ: Wird es aufwendiger sein als gewöhnlich, einen Reiseführer zu überarbeiten, nachdem sich so viel verändert hat?

Tondok: Ich glaube nicht. Denn ich klappere immer das gesamte Land ab und prüfe die Informationen möglichst alle selbst. Natürlich existieren nicht mehr alle Hotels, vielleicht werden neue aufmachen. Das muss man vor Ort herauszufinden. Schon jetzt arbeite ich die Informationen, die ich nach wie vor über Mails bekomme, in mein Manuskript ein. Mit der Recherche vor Ort warte ich jedoch noch ab. Ich sehe aber keine Schwierigkeit, wenn der Zeitpunkt geeignet ist, innerhalb von drei Monaten eine neue Auflage zu machen.

SZ: In welchem Zustand ist die touristische Infrastruktur?

Tondok: Die Informationen, die ich habe, sprechen zwei Sprachen. Einmal hörte ich, dass beispielsweise auf dem Sinai nahezu das gesamte europäische Management der Hotels nach Hause geschickt wurde und Ägypter aus der zweiten Reihe die Aufgaben übernommen haben. Da scheint es teilweise Schwierigkeiten zu geben, das Niveau zu halten. Andererseits: Viele Hotels, vor allem die Ketten, haben einige Häuser geschlossen und ihre Gäste auf wenige Häuser konzentriert. Die funktionieren offensichtlich gut. Wenn ein plötzlicher Boom stattfinden würde, glaube ich, sind die Ägypter flexibel genug, ihre Infrastruktur quasi sofort zum Leben zu erwecken. Die Leute warten darauf, etwas zu tun.

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