Reisen in Schottland: Edinburgh:Potter, Pub und Poltergeist

Hoch über der Stadt liegen die touristischen Attraktionen von Edinburgh. Doch auf die schönsten Geschichten und Legenden stößt man bei einem Spaziergang durch die Straßen der schottischen Hauptstadt.

Susanne Popp

19 Bilder

-

Quelle: SZ

1 / 19

Jeden Tag steht er da. Egal ob Regen, Schnee oder Sonnenschein. Mit kariertem Schottenrock und Mütze, den Dudelsack fest im linken Arm. Kameras werden gezückt, Touristen freuen sich: Schon bei den ersten Schritten in Edinburgh bekommen sie das Schotten-Klischee schlechthin vor die Linse.

Die fröhlich springenden Pfeiftöne des Musikanten gehören genauso wie die bekannten Wetterkapriolen zu einem Besuch in der am Fjord Firth of Forth gelegenen schottischen Hauptstadt. Und auch wenn mit Edinburgh Castle, Arthur's Seat und Carlton Hill die drei touristischen Höhepunkte weithin sichtbar über der Stadt ragen: Es lohnt sich, auch am Fuße der drei Hügel genau hinzusehen.

Eine Bilderreise von den touristischen Highlights zu den kleinen Geschichten und Legenden, die die Stadt abseits ihrer Wahrzeichen erzählt.

-

Quelle: SZ

2 / 19

Unübersehbar und unüberhörbar thront auf dem Castle Rock 120 Meter über der mittelalterlich geprägten Altstadt das Edinburgh Castle. Seit Seefahrerzeiten verschafft sich die Burg jeden Tag um Punkt 13 Uhr mit einem Salutschuss der "One O'Clock"-Gun donnernd Gehör. Einst konnten Segelschiffe im Firth of Forth mit Hilfe des Knalls ihre Chronometer justieren, heute ist das Abfeuern der Kanone reine Touristenattraktion.

-

Quelle: SZ

3 / 19

Vom Schloss abwärts stehen entlang der Royal Mile viktorianische Hausfassaden Spalier. Traditionell verbindet die Hauptstraße die beiden königlichen Residenzen der Hauptstadt: Edinburgh Castle am westlichen und Holyrood Palace am östlichen Ende. Viele der alten Mietshäuser stammen aus dem 16. und 17. Jahrhundert und die kamingeschwärzten Fassaden brachten der Stadt einst den Beinamen "The Auld Reekie" (die alte Verräucherte) ein. Heute bestimmen bunte Souvenirläden mit Dudelsäcken und Kilts in jeder erdenklichen Farbkombination das Straßenbild. Und natürlich diverse Whiskey-Shops, Bars und Restaurants, die je nach Tageszeit von Schaulustigen mit Fotoapparaten oder Trinklustigen mit Bierflaschen bevölkert werden.

-

Quelle: SZ

4 / 19

Mit St. Giles Church und "Deacon Brodie's Tavern" treffen nur wenige hundert Meter unterhalb des Castles zwei Zentren der schottischen Kultur aufeinander. Edinburghs Hauptkirche mit Distelkapelle und Marktkreuz war früher der Mittelpunkt des Stadtlebens, heute sind es die zahlreichen Pubs der Stadt. Bei Touristen und Einheimischen gleichermaßen beliebt ist die Taverne des berüchtigten Stadtrates Deacon Brodie. Als eine Art schottischer Robin Hood raubte dieser im 18. Jahrhundert die Reichen der Stadt aus - und inspirierte durch sein Doppelleben den Schriftsteller Robert Louis Stevenson zu der Novelle Dr. Jekyll und Mr. Hyde.

-

Quelle: SZ

5 / 19

Nicht nur Deacon Brodie diente dem schottischen Autor als Inspiration, sondern auch eine nahe Edinburgh im Firth of Forth gelegene Insel. Die wenigsten Leser kämen auf die Idee, dass ausgerechnet die unbewohnte, karge Cramond Island Stevensons Vorbild für "Die Schatzinsel" gewesen sein soll. Neugierige können die Insel über einen gepflasterten Wall vom Festland in Cramond aus erreichen. Den Spaziergang sollte man aber nur bei Ebbe wagen: Der knapp ein Kilometer lange Fußweg wird oft unterschätzt und die Küstenwache zeigt sich über die regelmäßig strandenden Abenteurer auf Stevensons Spuren alles andere als "amused".

-

Quelle: SZ

6 / 19

Zurück in Edinburgh, stolpert man auf der Royal Mile förmlich über die nächste Geschichte. In das Kopfsteinpflaster direkt vor der St. Giles Cathedral ist der Umriss eines Herzens eingelassen, das "Heart of Midlothian". Gelegentlich kann man dort Menschen ausspucken sehen - warum, dafür gibt es verschiedene Erklärungen. In dieser Gegend befand sich vom 15. bis 19. Jahrhundert die Verwaltung und das Gefängnis der Grafschaft Midlothian (gälisch für Edinburghshire). Besonders traditionsbewusste Schotten drücken durch das Spucken bis heute ihren Abscheu vor behördlicher Unterdrückung aus. Banaler ist eine Erklärung aus der Welt des Fußballs, in diesem Fall der schottischen Premier League: Fußball-Fans des Edinburgher Hibernian F.C. bezeugen dem gegnerischen Verein "Heart of Midlothian" so ihre Verachtung. Von romantischeren Gefühlen geleitete Touristen dagegen kommen angesichts des hübschen Mosaiks auf ganz andere Ideen: Inmitten des Herzens knieen sie nieder, um ihren Geliebten einen Heiratsantrag zu machen.

-

Quelle: SZ

7 / 19

Zahlreiche Anekdoten ranken sich auch um den Friedhof Greyfriars Kirkyard in der Candlemaker Row, zu dem allabendliche Gruseltouren von der Royal Mile führen. Hier sorgt der ruhelose Poltergeist des Richters Mackenzie immer wieder für Schlagzeilen: Häufig klagen Friedhofsbesucher über plötzliche, unerklärliche Schmerzen. Da selbst ein herbeigerufener Exorzist an der Vertreibung des Geistes scheiterte, hat die Stadtverwaltung nun Teile des Friedhofs geschlossen und zur Sicherheit ein neues Stahlschloss an Mackenzies Mausoleum befestigt.

-

Quelle: SZ

8 / 19

So können Touristen unbesorgt die Hauptattraktion des Greyfriars Kirkyard besuchen: Das Grab des Skyeterriers Bobby, der Hollywood die Vorlage für den Film Greyfriars Bobby - Die wahre Geschichte eines Hundes lieferte. Erzählt wird die angeblich wahre Geschichte vom treuen Bobby, der 14 Jahre lang am Grab seines verstorbenen Herrchens ausgeharrt haben soll, bis zu seinem eigenen Tod. Jeden Tag sieht man gerührte Besucher den Grabstein des tierischen Helden fotografieren und Blumen, Plüschtiere oder Kerzen darauf zurücklassen. Ermutigt durch die Grabinschrift ("Let his loyalty and devotion be a lesson to us all"), ließen sich Touristen zu außergewöhnlichen Grabgaben hinreißen. Bayerische Besucher legten eine Eintrittskarte für das "Hackerbräuzelt" auf dem Oktoberfest inklusive Flugticket nach München auf Bobbys letzter Ruhestätte nieder.

-

Quelle: SZ

9 / 19

Natürlich kommen auch Harry Potter-Fans in Greyfriars auf ihre Kosten und das nicht nur, weil der Friedhof laut amerikanischer TV-Sender zu den gruseligsten Plätzen weltweit zählt. Im eisigen Wind zwischen knorrigen Bäumen und dunklen Grabsteinen wäre man tatsächlich nicht überrascht, plötzlich Gestalten in schwarzen Umhängen auftauchen zu sehen. Joanne K. Rowling, die selbst zeitweise in Edinburgh lebt, lieh sich hier die Namen einiger Verstorbener für die mittlerweile berühmten Figuren ihrer Romane. So findet man in einer nord-westlichen Ecke des Friedhofs das Grab von Thomas Riddle, der als Lord Voldemort in Rowlings magischer Welt zum gefürchteten Bösewicht wird. Der hinter dem Kirkyard aufragende imposante Sandsteinbau der George Heriot's School diente der Autorin zudem als Vorbild für die Zaubererschule Hogwarts.

-

Quelle: SZ

10 / 19

Bisher ist der Greyfriars Kirkyard als Inspirationsquelle der Harry Potter-Bestseller relativ unbekannt. Eine Straßenecke weiter sieht das anders aus. In der George IV. Bridge tummeln sich öfter Touristen in schwarzen Umhängen und wandeln mit Besen und Zauberstäben auf den Spuren des magischen Helden. Ihr Ziel ist das kleine Café "The Elephant House", das sich werbewirksam als Geburtsort von Harry Potter präsentiert. Schließlich saß einst Joanne K. Rowling im hinteren Gastraum und verfasste die ersten beiden Bände der Potter-Saga. Seitdem strömen zahlreiche Fans durch die unscheinbare rote Eingangstür. Jeder weibliche Gast wird neugierig beobachtet - es könnte ja J. K. Rowling sein.

-

Quelle: SZ

11 / 19

Tatsächlich liegt der letzte Besuch der berühmten Autorin sechs Jahre zurück, sagt die Angestellte Siri. "Viele Gäste kommen trotzdem, um ein Zeichen von ihr oder Harry Potter zu entdecken und alle wollen auf ihrem Platz sitzen." Der kundige Besucher weiß: Es ist der abgewetzte Stuhl ganz hinten links in der Ecke am Fenster, mit Blick auf das Edinburgh Castle.

-

Quelle: SZ

12 / 19

Weit unten in der Old Town, fast am Ende der Royal Mile, steht man plötzlich mitten im Grünen. 200 Meter ragt der Arthur's Seat neben der zweiten königlichen Residenz der Stadt, dem Holyrood Palace, auf. Der grasbewachsene Tafelberg wirkt mitten in der Altstadt wie eine Kulisse aus dem Kino-Film Herr der Ringe. Der Aufstieg auf diesen Höhepunkt der Stadt gestaltet sich allerdings manchmal schwieriger als vermutet, wenn wie so oft in Edinburgh plötzlich Böen und Regenschauer peitschen. Der Blick vom Gipfel bis zur Forth Bridge und zum Meer entschädigt jedoch für alle Anstrengungen und gibt einen Eindruck von der in der engen Old Town kaum vermuteten Ausdehnung der 445.000-Einwohner-Stadt.

-

Quelle: SZ

13 / 19

Nach dem Auf- und Abstieg suchen viele Touristen den direkten Weg zu einem frischen Pint, wie das Glas Bier in Großbritannien genannt wird. Viele landen dabei im östlichen Stadtteil Duddingston im ältesten Pub von Schottland. Seit mehr als 650 Jahren darf im "Sheep Heid Inn" ausgeschenkt werden, natürlich stehen hier bekannte Marken wie Guinness und der Apfelcider "Strongbow" auf der Karte.

-

Quelle: SZ

14 / 19

Aber auch ein Gebräu namens "End Of the World": Hinter der je nach Stimmungslage mehr oder weniger vielversprechenden Bezeichnung verbirgt sich ein Starkbier mit mehr als 60 Prozent Alkoholgehalt - für vom Arthur's Seat erschöpfte Wanderer eine ziemlich gehaltvolle Alternative zum traditionellen Whiskey oder zur Suppe mit Schafskopf ("Powsowdie"). Diese gewöhnungsbedürftige Spezialität nach einem alten Hausrezept darf aufgrund der Nahrungsmittelgesetze heute nur noch zu besonderen Anlässen zubereitet werden. Den meisten Touristen sind der kleine Biergarten und die Kegelbahn des Pubs ohnehin lieber als derlei kulinarische Extreme.

-

Quelle: SZ

15 / 19

Dabei kann es sich durchaus lohnen, bei schottischer Küche experimentierfreudig zu sein. An erster Stelle der nationalen Spezialitäten steht Haggis, der, solange man nicht nach den Zutaten (ein "appetitlicher" Mix aus Innereien, eingenäht im Schafsmagen) fragt, überraschend gut schmeckt. Gleiches gilt für die neueste Spielart schottischer Köche. In einigen Fish-&-Chips-Shops frittieren sie längst nicht mehr nur Kartoffelstücke und Fischfilets, sondern je nach Geschmack "Deep Fried Döner Kebab", Eiscreme oder die besonders beliebten Marsriegel. Dabei kennt die Kreativität der Gourmets keine Grenzen, frittieren lässt sich fast alles.

-

Quelle: SZ

16 / 19

Überzeugen kann man sich davon beispielweise in "Franco's Chip Shop" im Stadtteil Leith. Seit der britische Regisseur Danny Boyle in dem Hafenviertel Trainspotting drehte, hat sich der einstige Problembezirk zur Edinburgher Waterfront gewandelt. Statt Fischkuttern legen heute mehr als 50 Kreuzfahrtschiffe im Jahr an. Teure Loft-Wohnungen, das Einkaufszentrum "Ocean Terminal" und die hier vor Anker liegende königliche Yacht Britannia demonstrieren neuen Reichtum. Das verruchte Leith aus Trainspotting lässt sich nur noch in wenigen alten Fischerkneipen finden. Zum Beispiel in der Bar "Porto Leith", in der die exzentrische Besitzerin Mary auch im Alter von 82 Jahren noch mit den Ellbogen für Ruhe und Ordnung sorgt - ganz egal ob unter Seeleuten, Backpackern oder wohlhabenden Touristen.

-

Quelle: SZ

17 / 19

Zwischen Hafen und Princes Street zeigt sich die modernere Seite von Edinburgh: Die sogenannte New Town entstand größtenteils in der Zeit zwischen 1765 und 1850 und gehört heute zum Welterbe der Unesco. Nur wenig unterscheidet sich die als Flaniermeile gelobte Einkaufsstraße Princes Street von bekannten Hauptstraßen anderer europäischer Großstädte. Shops bekannter Bekleidungsketten stehen hier dicht an dicht. Interessanter ist da ein Abstecher in eine der Seitenstraßen.

Im gitterartigen Straßennetz der New Town kann man auf den Spuren von Literaten wandeln und nicht nur die ehemaligen Wohnhäuser von Sir Walter Scott und Robert Louis Stevenson entdecken, sondern auch den Lieblingspub von Ian Rankin ("The Oxford Bar"). Dessen Stammpublikum diente dem Krimiautor unfreiwillig als Vorbild für seine Romanfiguren rund um Inspektor John Rebus. Besucher werden in der unscheinbaren Bar aber nach wie vor von dreckigen Gläsern auf der Theke und einem launischen Barkeeper begrüßt.

-

Quelle: SZ

18 / 19

Am östlichen Ende der Princes Street wartet der dritte Höhepunkt der Stadt, Carlton Hill. Hier ragen National und Nelson Monument und ein kleiner griechischer Tempel in den Himmel. Lyriker wie Theodor Fontane riss der unwirkliche Anblick der griechischen Bauten mitten im rauen Schottland zur Begeisterung hin. Enthusiasten nannten Edinburgh sogar "Athen des Nordens". Was bei typisch schottischem Dauerregen reichlich verklärend erscheint, wird an den seltenen sonnigen Tagen verständlich: Der Blick vom Hügel reicht dann über die gesamte Stadt bis zum Hafen und den Stränden rund um Portobello. Besonders am Abend, wenn die Sonne hinter dem Castle versinkt, wirkt die Skyline der Old Town einmal mehr wie die Kulisse eines Historienfilms.

-

Quelle: SZ

19 / 19

Anders als beim Blick über Mailand, London oder Paris fehlen in Edinburgh Wolkenkratzer und glitzernde Leuchtreklamen. Orangefarbene Straßenlaternen erhellen nachts den Himmel. Nachtschwärmer sind deshalb auf den ersten Blick von Edinburgh enttäuscht, weite Teile der Stadt scheinen in ihrer Geschichte gefangen vor sich hinzudösen. Einzige Ausnahme: die Pubs in Leith und rund um den alten Edinburgher Marktplatz Grassmarket.

Vom späten Nachmittag an drängeln sich dort Gäste aus aller Welt mit Einheimischen beim After-Work-Pint um die Tresen. Eine Sperrstunde gibt es im Gegensatz zum südlichen Nachbarn England nicht. Dennoch leeren sich die meisten Bars regelmäßig vor Mitternacht - dann sind auch die durchaus trinkfesten Schotten bereit für den Heimweg.

Anzeige: Finden Sie im Reiseportal von sueddeutsche.de günstige Flug- und Hotelangebote für Ihre Städtereise nach Edinburgh.

© sueddeutsche.de/Susanne Popp/dd/boen
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: