Die Türkei auf der Reisemesse ITB:Willkommen! Hoş geldiniz!

Die Türkei auf der Reisemesse ITB: Auftritt für die Türkei: Das Land zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer trommelt auf der Touristikmesse ITB in Berlin, um die Urlauberzahlen wieder zu steigern.

Auftritt für die Türkei: Das Land zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer trommelt auf der Touristikmesse ITB in Berlin, um die Urlauberzahlen wieder zu steigern.

(Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Im vergangenen Jahr besuchten 5,5 Millionen Deutsche die Türkei. Dann explodierte in Istanbul die Bombe. Jetzt stehen Hotels in Istanbul halb leer.

Von Michael Kuntz, Berlin

Hellbraun wie ein Traumstrand und strahlendblau wie das Meer - in diesen fröhlichen Farben präsentiert sich die Türkei auf der Touristikmesse ITB. Während sich Griechenland, Portugal und Frankreich eine Halle teilen, inszeniert die Türkei in Berlin den ganz großen Auftritt. Sie hat die Messehalle 3.2. komplett angemietet. "Willkommen! Hoș geldiniz!" Das steht überall, und es wird zumindest auf der ITB ernst genommen. Obwohl die Messe zunächst nur für Fachbesucher geöffnet ist, herrscht hier schon am ersten Tag ein ganz großer Andrang.

Genau das ist in den Reisebüros aber nicht der Fall. Dort ist die Türkei als Urlaubsziel derzeit deutlich weniger gefragt als im vorigen Jahr, in dem 5,5 Millionen Deutsche ihren Urlaub in dem südosteuropäischen Land verbracht haben.

Die Zahl der Buchungen für die Türkei liegt etwa 40 Prozent unter dem Vorjahr, so lauten die offiziellen Angaben. Die Realität könnte noch schlimmer sein. Die türkische Tageszeitung Hürriyet meldet ausgerechnet zur Eröffnung der ITB, dass Hotels nur noch halb so gut belegt seien, wie vor einem Jahr. Hürriyet beruft sich dabei auf die Turkish Touristic Hotels and Investors Association. Besonders betroffen sind demzufolge die Hotels in Istanbul.

Russische Urlauber bleiben zu Hause

Dort hatte sich Mitte Januar der Anschlag auf eine deutsche Reisegruppe ereignet, bei dem zwölf Urlauber ums Leben kamen. Vorangegangen waren terroristische Anschläge auf Touristen in Tunesien, Ägypten und Paris. Dorthin reisen nun ebenfalls weniger Menschen als vorher. Und noch etwas bekommen die drei Millionen Menschen zu spüren, die in der Türkei in der Reiseindustrie arbeiten. So kommt nämlich die Russland-Krise hinzu. Die Folge ist das weitgehende Ausbleiben der Russen - diese waren beispielsweise in der Region Antalya nach den Deutschen die zweitgrößte ausländische Besuchergruppe.

Reisen und Sicherheit ist nach dieser Serie terroristischer Schocks und politischer Einflüsse das dominierende Thema der Messe ITB, der größten Veranstaltung ihrer Art. Sie findet in diesem Jahr zum 50. Mal statt. Bis einschließlich Freitag ist sie nur für Fachbesucher geöffnet, am Wochenende für jeden. Mit 10 000 Ausstellern aus 187 Ländern dürfte sie die internationalste Messe in Deutschland sein.

Touristiker üben Krisenmanagement

"Terror, Naturkatastrophen und politische Krisen haben einen stärkeren Einfluss auf unser Leben und damit auch auf die Frage, wo wir Urlaub machen wollen", sagte auf der Messe Norbert Fiebig, der Präsident des Deutschen Reiseverbandes DRV, in dem Reiseverkäufer und -veranstalter organisiert sind. Fiebig meint offen: "Auf die Frage, wo es auf dem Planeten noch sicher ist, kann niemand eine hundertprozentig zutreffende Antwort geben." Letztlich müsse jeder aufgrund seiner Erfahrungen und Erwartungen sein persönliches Sicherheitsbewusstsein entwickeln, nach dem er dann handelt. Die Reiseindustrie wolle keine falschen Versprechungen machen. "Sie kann das Risiko mindern, aber wohl nicht in jedem Fall verhindern."

Seit bereits sechs Jahren betreibt der Verband ein institutionalisiertes Krisenmanagement. Dazu gehört auch, Gefahren durch ein zentrales Monitoring-System zu erkennen. Im Prinzip ist das eine elektronische Weltkarte, auf der krisenhafte Ereignisse angezeigt und hinsichtlich ihrer Relevanz bewertet werden. Die ist umso höher, je mehr Reisende betroffen sind. Schließlich gehören zum Krisenmanagement die Zusammenarbeit mit dem Krisenstab des Auswärtigen Amtes sowie Schulungen für Touristiker, die unter Umständen in Hilfeteams in Not geratene Urlauber vor Ort unterstützen. Ziel ist der Kontakt zum einzelnen Urlauber per SMS oder Mail innerhalb von zwei Stunden nach dem Ereignis. Fiebig bringt die Sache auf den Punkt: "Garantiert ist jemand da, der sich um den Gast kümmert."

Aus türkischen Küstenorten meldet die touristische Fachpresse Rabatte bis zu 35 Prozent

Damit der zögerliche Urlauber demnächst überhaupt wieder ins Land kommt, hat die Türkei etliche Maßnahmen ergriffen. So werden Flüge subventioniert, ein Mittel, das auch von Ägypten eingesetzt wird. Die Preise werden oft gesenkt. Ein Hotelzimmer in Istanbul kostete im Januar durchschnittlich 97,10 Euro anstatt 102,40 Euro ein Jahr zuvor. Aus türkischen Küstenorten meldet die touristische Fachpresse Rabatte bis zu 35 Prozent.

Doch nicht nur die türkische Tourismusindustrie tut etwas. Etliche Reiseveranstalter bieten den Frühbuchern die Möglichkeit, ihren Sommerurlaub in der Türkei kostenlos umzubuchen. Die deutsche Redaktion der türkischen Tageszeitung Sabah hat 24 Seiten über ihr Heimatland produziert, die Berliner Zeitungen beiliegen. Die Zeitung hatte bereits eine Art Tourismus-Gipfel organisiert. Ihr Chefredakteur Mikdat Karaalioglu gibt sich zuversichtlich: "Die Türkei ist und bleibt ein großartiges Reiseland."

Unterdessen steht in der Türkei-Halle eine Menschenschlange vor dem Stand der Firma Mado, dort gibt es Kostproben "der einzigen Eiscreme, die mit Gabel und Messer gegessen wird". Die Farbe blau ist hier übrigens nicht nur am Fußboden und an den Wänden der Messestände präsent, sondern spielt auch sonst eine besondere Rolle. Etliche Aussteller verteilen blaue augenförmige Amulette, als Schlüsselanhänger, zum Anstecken oder Umhängen. Dieses in vielen orientalischen Ländern verbreitete Zeichen soll dem Volksglauben zufolge böse Blicke abwenden. Vielleicht hilft das blaue Auge ja auch der Türkei dabei, ihre Krise als Tourismusland zu überwinden.

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