Reiseknigge für Polen und die Ukraine:Niemals auf der Türschwelle küssen

Warum Frauen ihre Handtasche nicht auf dem Boden abstellen sollten, worüber Sie besser schweigen und wie Ihnen der kleine, aber entscheidende Unterschied zwischen Dreieck und Kreis den Weg zur richtigen Toilette weist: So umgehen Reisende Fettnäpfchen in Polen und der Ukraine.

Katja Schnitzler

Die Handtasche bloß nicht auf dem Boden abstellen und der Dame stets die Tür aufhalten. Doch was tun, wenn sie galant den Handrücken entgegenstreckt? Der Reiseknigge bewahrt Urlauber vor peinlichen Situationen.

Ukraine Poland Fußball EM

Stimmung in Kiew, zumindest auf dem Poster ist die Begeisterung über die Fußball-EM riesig. Damit sie außerhalb der Fanmeilen nicht zu Stimmungskillern werden, sollten sich Reisende über Fettnäpfchen in Ukraine und Polen informieren.

(Foto: AFP)

Wundern Sie sich nicht

Viele Polen und Ukrainer sind nicht nur streng gläubig, sie sind noch dazu abergläubisch. Also nehmen Sie es nicht übel, wenn keiner auf Ihr gut gemeintes "Viel Glück!" antwortet, denn eine Erwiderung würde Unglück bringen. Das gilt auch, wenn Besucher über der Türschwelle umarmt, mit Wangenküssen empfangen oder auch nur die Hände geschüttelt werden: Entweder wird im Haus oder vor dem Haus begrüßt, dasselbe gilt für den Abschied. Und in der Ukraine pfeift man nicht in geschlossenen Räumen!

Frauen würden niemals ihre Taschen auf dem Boden abstellen, sonst könnte das Geld davonlaufen. Dies muss allerdings kein Aberglaube sein - weltweit sind unbeaufsichtigte Taschen bekannt dafür, dass sie plötzlich verschwinden.

Hallo und tschüss

Wie schön, wenn man ins fremdsprachige Ausland reist und es dort einen Ausdruck gibt, der sowohl "hallo" als auch "tschüss" bedeutet: das polnische Cześć, gesprochen tschäschtsch. Auf Ukrainisch muss man sich zwei Wörter dafür merken: Hallo heißt Pryvit, tschüss heißt Buwaj.

Und natürlich die wichtigsten Worte auf jeder Reise: "bitte" (ukrainisch: Bud'laska, polnisch: prosze, sprich prosche) und "danke" (ukrainisch: Dyakuyu, polnisch: dziekuje, sprich dschienkuje). Und natürlich: "Prost"! (ukrainisch: Bud'mo, polnisch: na zdrowie)

In Polen heißt "Ich hätte gerne ..." Poproszę ... (sprich: poprosche), dann deuten Sie einfach auf das Gericht Ihrer Wahl in der Speisekarte. In der Ukraine kommen Sie mit "Ya khotiv bi ..." weiter.

Nun ist es Zeit zu zahlen (zehn Prozent Trinkgeld sind üblich, weniger üblich sind getrennte Rechnungen): "Die Rechnung bitte" heißt auf Polnisch Poproszę rachunek, auf Ukrainisch Rakhunok, bud' laska.

Männer? Gentlemen!

In Polen legen auch junge Damen noch großen Wert auf formvollendete Umgangsformen: Dazu gehören hingehauchte Begrüßungsküsse auf den Handrücken (liebe deutsche Damen, die Hand wird dem Mann grazil entgegengestreckt), der Herr rückt der Dame den Stuhl zurecht, steht auf, wenn sie aufsteht, hilft ihr in den Mantel, hält ihr die Tür auf - eben die ganze Klaviatur der wohlerzogenen Aufmerksamkeiten, Komplimente inklusive.

Männer begrüßen sich per Handschlag, Frauen mit angedeuteten zwei bis drei Wangenküssen.

Wie heißen Sie nochmal?

Nannte sich die Frau nicht Ola, der Mann nicht Tomek? Doch auf den Visitenkarten steht Aleksandra und Tomasz? Das liegt an dem Hang der Polen zur Verkleinerung, in privaten Unterhaltungen werden die Vornamen schnell verniedlicht, und aus Barbara eine Basia. Steht man sich noch nicht so nah, ist das dennoch kein Grund, sich länger als nötig mit dem Nachnamen anzusprechen: Ein höfliches Pani Barbara (Frau Barbara) oder Pan Tomasz (Herr Thomas) ist nicht so distanziert.

Worüber Sie sich unterhalten sollten

Beeindrucken Sie mit Ihrem Wissen, dass Marie Curie (Skłodowska-Curie) und Frédéric (Fryderyk Franciszek) Chopin aus Warschau stammen. Und dass polnische Jazzmusiker zu den besten der Welt zählen, weil diese Musik während des Kalten Krieges zu einem Symbol des polnischen Wunsches nach Freiheit wurde - die Amerikaner hatten gezielt westliche Jazzmusik hinter den Eisernen Vorhang ausgestrahlt, als "Waffe im Kalten Krieg". Musiker in Polen spielten die verbotene Musik nicht nur nach, sondern entwickelten sie auch weiter hin zu einem völlig eigenen Stil, dem "Polski Jazz".

Worüber Sie besser nicht reden sollten

Autodiebstahl in Polen (das schließt sämtliche Witze ein). Und darüber, dass Polen in Osteuropa liegt - schließlich sieht sich unser Nachbarland als Mitteleuropa an, Osten sind die anderen. Noch schlimmer ist es aber, nach dem Alter einer Frau zu fragen. Aber dies beantworten die Damen auch hierzulande eher ungern. Der größte Fauxpas in der Ukraine: Das Land mit Russland zu verwechseln.

Was Polen heilig ist

Papst Johannes Paul II., überhaupt die katholische Kirche. Daher ecken Sie an, wenn Sie an hohen kirchlichen Feiertagen wie Ostern oder Weihnachten normal gekleidet auftreten - auch bei Familienfeiern sollten Sie sich herausputzen.

Dreieck oder Kreis?

In Polen ist es wie in den USA etwas unhöflich, direkt nach der Toilette zu fragen. Also erkundigen Sie sich, wo Sie sich die Hände waschen können. Stehen Sie nun im Restaurant vor zwei Türen, eine mit Dreieck, die andere mit Kreis versehen, haben Sie ein Problem. Wer intuitiv annimmt, das Dreieck steht für die Damentoilette, irrt - hier haben nur Herren Zutritt.

Keine Rauchzeichen

Im Fußballstadion sind Sie so gut wie an der frischen Luft, denken Sie - und nehmen an, ein bisschen Zigarettenqualm schadet nicht? Die Behörden sehen das anders, es herrscht ein weitgehendes Rauchverbot, unter anderem auch an Bushaltestellen, auf Spielplätzen - und in Stadien. Vuvuzelas müssen ebenfalls draußen bleiben.

Herzlich willkommen!

Polen und Ukrainer gelten als sehr gastfreundlich, Sie werden verwöhnt werden, also bringen Sie ein passendes Gastgeschenk mit: Pralinen, Wein, ein Souvenir aus Deutschland. Oder einen Blumenstrauß, aber unbedingt mit einer ungeraden Anzahl an Blumen, sonst bringt das Geschenk Unglück (siehe Punkt eins: Aberglaube). Seien Sie pünktlich, aber nicht überpünktlich - das akademische Viertelstündchen zu spät ist entspannend für alle Beteiligten. Nun haben Sie sich gemerkt, dass man sich nicht über der Türschwelle begrüßt (großes Unglück!). Stürmen Sie dennoch nicht gleich ins Haus, sondern streifen Sie erst Ihre Straßenschuhe ab.

Ein Schlückchen in Ehren ...

"Auf keinen Fall, ich trinke niemals Wodka!" Wer das sagt, kann gleich nach Hause gehen. Die Stimmung ist jedenfalls im Keller. Diplomatischer ist es, am Wodka zumindest zu nippen, zur Not werden eben nur die Lippen benetzt. Und alle sind zufrieden. Das Gleiche gilt für das Essen: Kosten Sie und halten Sie sich zurück, wenn es Ihnen nicht schmeckt, Sie schon mehr als satt sind - oder weitere Gänge bevorstehen. Das ist immer noch höflicher, als sich ganz zu verweigern.

Mein Bruder, fahr mit mir!

Übrigens wird Alkohol zwar frei verkauft, der Konsum in der Öffentlichkeit ist jedoch sowohl in Polen als auch in der Ukraine verboten. Für die EM wird eine Ausnahme gemacht, Bier in den Stadien und Fanmeilen ist erlaubt (mit einem Alkoholgehalt von höchstens 3,5 Prozent). Vorsicht, in der Ukraine gilt eine harte Null-Promille-Grenze im Straßenverkehr, in Polen 0,2 Promille - und kleinste Verstöße werden bereits mit Freiheitsstrafen geahndet.

Fahr mit mir

In der Ukraine herrscht die eigentlich schöne Sitte, Privatautos anzuhalten und sich gegen Entgelt mitnehmen zu lassen. Leider rät das Auswärtige Amt aus Sicherheitsgründen ab, es den Einheimischen gleichzutun.

Mein Bruder!

Auch in Polen wird gerne Brüderschaft getrunken, doch hat es hier Konsequenzen: Künftig muss am Namenstag, der hier sehr wichtig ist, gratuliert werden.

Halten Sie sich bedeckt

Oben ohne am Strand wird nicht gerne gesehen, und wenn Sie nackt in eine Sauna spazieren, werden Sie Damen und Herren in Badekleidung verwundert anstarren.

Passen Sie auf, wo Sie hintreten!

Das gilt in diesem Fall nicht nur für Städtereisende, sondern ganz besonders für Wanderer, die im Gebiet zwischen Polen und der russischen Exklave Kaliningrad unterwegs sind: Diese "grüne Grenze" ist bisweilen kaum erkennbar, nur weit auseinander liegende Grenzsteine zeigen sie an. Dennoch werden Wanderer, die diese unsichtbare Linie auch nur um wenige Meter übertreten, von der russischen Polizei festgenommen - und im schlimmsten Fall mit mehreren Jahren im Gefängnis bestraft.

Nun wissen Sie, wie Sie in der Ukraine und in Polen wirklich gut ankommen und Fettnäpfchen galant umgehen. Wir wünschen eine gute Reise.

Wo ist es am schönsten, was darf man nicht verpassen: Städtetipps für Warschau gibt SZ-Korrespondent Thomas Urban.

Mehr über Sitten, Bräuche und Reisetipps für Polen und die Ukraine erfahren Sie auf den Webseiten der deutschen Botschaften in Warschau und Kiew.

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