Reisekataloge:Träum weiter

Reisekataloge

Im Internet sind die Preislisten immer auf dem neuesten Stand. Aber man kann auch Kataloge ohne sie machen.

(Foto: Friedrich Bungert)

Trotz Reise-Krise halten viele Veranstalter an ihren Katalogen fest. Aber braucht es die überhaupt noch?

Von Ramona Dinauer

Zweimal nach Rumänien und einmal nach Mallorca - viele Urlaube gab es in der Kindheit von Andreas Rüttgers nicht. Umso traumhafter erschienen ihm als Junge die Bilder im Neckermann Reisekatalog, sagt der Leiter der Touristik von Schauinsland-Reisen. Der Reisekatalog sei ein liebgewonnenes Relikt aus alten Zeiten, das nun neu gedacht werden müsse. Doch verzichten möchte der Veranstalter auf die Kataloge nicht.

Zehn Reisekataloge hat Schauinsland für diese Saison publiziert, wobei es in den vergangenen Jahren stets ein paar weniger geworden sind. Nicht zuletzt, weil Kunden öfter die Angebote direkt im Internet prüfen. Kataloge und digitale Übersichten müssen sich also ergänzen, findet Rüttgers. Ein Entweder-Oder sei nicht zeitgemäß. So hat der Veranstalter Preislisten in den Katalogen weggelassen. Sinnvoller stünden diese im Internet, immer auf dem neuesten Stand. "Die Kataloge dienen heutzutage vor allem zur Inspiration und als erste Orientierung", sagt Rüttgers, "natürlich geht das auch digital, aber gerade jetzt sind viele froh, mal nicht auf den Bildschirm zu schauen."

Pool, Restaurant, Zimmerausblick: Viele Gäste lieben diesen Dreiklang der Bilder

Ein Katalog sei übersichtlicher und könne ein Hotel in seiner ganzen Schönheit zeigen - auf einer Doppelseite. Dass unter jedem Hotelnamen sehr ähnliche Fotos zu sehen sind, mag langweilig wirken, sei aber nach wie vor essenziell, sagt Rüttgers. "Der Gast orientiert sich an diesen Pfeilern. Er möchte sich vorstellen, wie er von seinem Zimmer zum Pool läuft." Pool, Restaurant, Zimmerausblick - wer mehr als die Dreifaltigkeit der Reisekatalogfotos braucht, bekommt sein Traumziel im Netz aktueller und interaktiv präsentiert. So lässt Schauinsland kurze Reisefilme von Bloggern drehen. Mit schnellen Schnitten, wie auf Instagram.

Entweder Kataloge oder alles digital? Das Reiseunternehmen FTI hat darauf eine klare Antwort. Es schafft seine Saisonkataloge ganz ab. 1,6 Milliarden Katalogseiten hatte der Konzern bislang pro Saison gedruckt. Damit ist nun Schluss. Grund dafür sei die durch die Corona-Krise beschleunigte Digitalisierung, sagt Marketing-Leiter Thomas Schmidt. Informationen wie Wassertemperatur oder Zimmerpreise seien im statischen Katalog ohnehin nicht aussagekräftig. Stattdessen erscheinen die Kataloge digital. Einerseits als PDF, doch wer hat schon Lust, ein 300-seitiges PDF durchzuklicken? Mehr verspricht sich der Konzern deshalb von seinem neuen eMag, einer Mischung aus Magazin und Katalog. Bilder, Videos, Podcasts und nach Reisezielen sortierte Informationen sollen Lust machen und gleich zum Buchen animieren. Um dennoch ein haptisches Produkt anbieten zu können, publiziert FTI nun in jedem Quartal einen einzelnen Katalog, in dem alle Ziele weltweit angerissen werden.

Der Münchner Studienreiseanbieter Studiosus will auf Reisekataloge indes nicht verzichten. "Unsere Klientel ist printaffin. Wer gern Zeitung liest, weiß auch Reisekataloge zu schätzen", sagt Pressesprecher Frano Ilic. Zudem brauche es mehr Text, um eine Studienreise zu beschreiben als etwa eine Hotelanlage. Auch nach den Reisebeschränkungen möchte Studiosus wieder seine etwa zehn Kataloge pro Jahr drucken. In diesem Jahr gibt es nur fünf Studiosus-Kataloge. Für mehr sei die Nachfrage zu gering. Die Auflage der Hefte gehe etwa alle zehn Jahre aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung um etwa ein Viertel zurück.

Die neue Spießigkeit? Junge Kunden buchen vermehrt Pauschalreisen.

Vor allem für kleine Veranstalter ist diese Repräsentation im Reisebüro wichtig - beispielsweise bei Taruk, einem Anbieter für hochpreisige Gruppenreisen. "Da fast alle Veranstalter in unserem Segment noch Kataloge verschicken, können wir sie nicht einfach weglassen", sagt Halina Kohl, Marketing-Leiterin bei Taruk. Seit Beginn der Corona-Krise sind die Kataloge wieder stärker nachgefragt, auch wenn die reinen Katalogbuchungen selten geworden sind.

Die meisten Kunden von Schauinsland-Reisen sind älter als 50 Jahre, aber auch in der Gruppe der 18- bis 25-Jährigen finde man immer stärkeren Anklang. Offenbar ziehen sie vorab sortierte Angebote der Reizüberflutung im Internet vor. "Sie wollen etwas Handfestes haben und sich nicht schon beim Aussuchen überfordert fühlen", sagt Rüttgers von Schauinsland. Teil dessen, was man vielleicht als neue Spießigkeit sehen mag, ist das gestiegene Interesse bei jungen Menschen an Pauschalreisen.

Reisekataloge

Im Gegensatz zu früher versenden Veranstalter allerdings nicht mehr mal eben Hunderte Kataloge. Es lässt sich mittlerweile gut einschätzen, wie viele Kataloge tatsächlich gebraucht werden.

(Foto: Friedrich Bungert)

Gut 80 Prozent dieser Pauschalreisen werden über Reisebüros gebucht. Im Gegensatz zu früher versenden Veranstalter allerdings nicht mehr Hunderte von Katalogen. Es lässt sich mittlerweile gut einschätzen, wie viele Kataloge von den Reisebüros oder den Kunden direkt tatsächlich nachgefragt werden. Danach richte sich die Auflage, heißt es etwa bei der Tui. 35 Kataloge, davon 21 Ganzjahreskataloge, hat Deutschlands größter Reiseveranstalter 2021 gedruckt. "Kataloge haben heute nicht mehr den Stellenwert wie vor 15 Jahren, aber überflüssig sind sie deshalb noch nicht", sagt Pressesprecherin Stephanie Holweg. Blogger-Videos nutzt die Tui nicht, das Unternehmen bietet stattdessen mehrere Apps sowie virtuelle Rundgänge durch seine Hotels an. Der Mitbewerber Dertour startet mit mehr als 40 Katalogen in die neue Saison. Dabei gibt es bei dem zweitgrößten Reiseveranstalter Deutschlands einen Trend hin zu Ganzjahreskatalogen mit mehr Bildern und weniger statischen Informationen. Die Zahl der Dertour-Kataloge habe sich hingegen im Laufe der Jahre nicht groß verändert.

Kleinere Anbieter versenden die Hefte auch gern direkt an ihre Kunden. Je nach Nische garantieren auch Touristik-Messen das Überleben der Kataloge. Mehr als die Hälfte ihrer Kataloge verteilt zum Beispiel der mittelständische Reiseveranstalter Diamir auf Messen. Der Wegfall solcher Großveranstaltungen und coronabedingte Sparmaßnahmen haben dazu geführt, dass Diamir heuer gar keine Kataloge druckt. Nach der Pandemie sollen die Kataloge zurückkehren, aber wohl mit einem Drittel weniger Auflage.

Das Blättern im Katalog steigert bei vielen Menschen die Vorfreude auf den Urlaub

Kataloge verursachen schließlich auch Kosten. Sie müssen redaktionell erstellt werden. Hinzu kommen ein bis zwei Euro Druckkosten pro Katalog. Manche Unternehmen verzichten auch aus Umweltschutzgründen auf den Druck von Katalogen - um Papier zu sparen und die Versandmengen zu reduzieren. Die Corona-Krise hat die Digitalisierung in der Reisebranche zudem vorangetrieben. Beinahe alle Veranstalter brachten neue Buchungstools und digitale Rundgänge auf den Markt. Aber ganz ersetzen könne das die Kataloge eben nicht, sagt zumindest Andreas Rüttgers von Schauinsland, zumindest noch nicht. Das Blättern im Reisekatalog steigere die Vorfreude auf den Urlaub, sei ein Moment der Entschleunigung - fernab vom Bildschirm. Mit den Reisekatalogen verhalte es sich wie bei einem ersten Date. "Natürlich kann ich ein romantisches Abendessen auch mit LEDs beleuchten, es ist praktischer und flexibel. Und doch zünden die Leute noch gerne Kerzen an."

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