Reisejournalismus:Zahlt mal schön selbst

Reporter in der Zwickmühle: Wie manche Reiseveranstalter ihre PR durchsetzen.

Christian Fuchs

Als Wolfgang Weiler eine Einladung nach Island erhielt, wurde ihm mulmig. Nicht weil er sich vor den angekündigten "wilden Vulkanlandschaften" und der Übernachtung im Zelt fürchtete, sondern wegen eines organisatorischen Zusatzes.

Als "Gegenleistung" für die Einladung wurde von dem Journalisten "die Veröffentlichung eines Reiseberichts unter ausschließlicher Nennung von Travel & Personality als durchführender Reiseveranstalter" verlangt. Für Weiler, der auch Vorstand der Vereinigung Deutscher Reisejournalisten (VDRJ) ist, war das "dreist formuliert" und "grausam". Schon länger versuchen Reiseunternehmen und PR-Agenturen, Journalisten unter Druck zu setzen - in jüngster Zeit jedoch verstärkt, sagt Weiler.

Recherchehilfe, keine Verpflichtung

Für die VDRJ sind Einladungen zu Pressereisen nur eine "Recherchehilfe" und keine Verpflichtung zur Berichterstattung - schon gar nicht ausschließlich über einen Veranstalter. Wünschenswert wäre natürlich, wenn Verlage und Sender die Reisen selbst bezahlen würden, "doch das ginge an der wirtschaftlichen Realität vorbei", sagt Weiler. Darum müssten Journalisten auf die Angebote der Veranstalter zurückgreifen.

Für diese Fälle hat die Vereinigung der Reisejournalisten eine klare Regelung getroffen. In der "VDRJ-Charta" steht, dass einzelne Veranstalter in der Berichterstattung nicht willkürlich herauszuheben sind, "auch dann nicht, wenn sie uns eingeladen haben". Darum lehnte der langjährige Reisejournalist Weiler das Island-Angebot ab. Genauso wie 300 andere Kollegen, die die gleiche Einladung erhalten hatten.

Keine Lust auf medienmoralische Überlegungen

Der Inhaber des Freiburger Reiseveranstalters Travel & Personality, Andreas Damson, macht dafür die kurzfristige Ausschreibung verantwortlich. Eines unmoralischen Angebotes fühlt er sich hingegen nicht schuldig. "Wenn ich so eine Reise organisiere und dazu einen Journalisten einlade, der dann im Text nur einen anderen Reiseveranstalter vorstellt, krieg ich einen Hals", sagt Damson.

Außerdem sei sein Handeln in der Branche gang und gäbe. Auch andere Reiseveranstalter hätten "Hand-in-Hand-Agreements" mit Journalisten, dass diese ausschließlich über den einladenden Veranstalter berichteten. Er verstehe die Aufregung gar nicht: "Ich hab' ein Angebot gemacht, und wer will, kommt mit." Die Einladung habe er aus "touristischer Sicht" verschickt und keine Lust auf medienmoralische Überlegungen.

PR statt Journalismus

Das sieht Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV) anders. Ausschließlichkeitsklauseln bei Pressereiseangeboten sind "ein klarer Versuch, Journalismus durch PR zu ersetzen". Nach dem Pressekodex des Deutschen Presserates sei eine Zusage zur exklusiven Nennung nur eines Anbieters "nicht statthaft".

Auch Ulrike Maercks-Franzen, Geschäftsführerin der Deutschen Journalisten-Union (dju), stuft diese Exklusivität als "bedenklich" ein. DJV und dju fordern Journalisten auf, solche Angebote nicht anzunehmen.

Die Realität sieht anders aus. Das fand Journalistikprofessor Michael Haller von der Universität Leipzig heraus. Er untersuchte Reiseseiten von sechs Lokalzeitungen zwischen 2000 und 2004 und entdeckte, dass es sich bei bis zu 25 Prozent der Artikel um "PR-basierte Texte" handelte.

Meist wurde nur ein Reiseangebot im Text genannt und nicht auch eine Hotel- oder Flugofferte eines Mitbewerbers. Dabei versuchen nicht nur kleine Reiseunternehmen, Journalisten zu knebeln, sondern auch große Marken wie Dertour. Firmensprecherin Antje Günther: "Wir möchten schon als Einziger genannt werden, wenn wir zu einer Pressereise einladen." Eine Reise koste bekanntlich viel Geld, da würde man gern einen Effekt für die eigene Großzügigkeit sehen. Redaktionen könnten Recherchereisen ja selbst finanzieren, wenn sie unabhängig sein wollten.

"Sory, beim nächsten Mal ohne Sie!"

Nur einige auflagenstarke Zeitungen dürften sich erlauben, nicht auf die "Bitte von Dertour" einzugehen, gibt Dertour-Sprecherin Günther zu. Kleinere Blätter, die nach einer Einladung nicht ausschließlich über den Anbieter aus dem Rewe-Konzern schrieben, kommen auf den Index. "Das hat zur Folge, dass wir sagen: 'Sorry, beim nächsten Mal laden wir Sie nicht mehr ein'."

Dieses Verhalten sei gefährlich für die Reiseveranstalter, glaubt VDRJ-Vorstand Wolfgang Weiler. Sollten Leser den PR-Hintergrund erkennen, schwinde die Glaubwürdigkeit der gesamten Branche. Andererseits sieht Michael Haller auch das Problem, dass Abhängigkeit von PR für Zeitungen Nachteile im Leservertrauen mit sich brächten. Redaktionen müssten für ihre Unabhängigkeit sorgen und transparent machen, von wem sie eingeladen wurden. Sonst gebe es bald, so Haller, nur noch "peinlichen Gefälligkeitsjournalismus".

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