Süddeutsche Zeitung

Reisegepäck:"Wie verliert man auf einem Inlandsflug einen Koffer?"

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Noch dazu ohne Zwischenstopp: Das fragt Moderator Frank Elstner höchst erstaunt Air Berlin.

Von David Pfeifer

"Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen." So schrieb es schon Blaise Pascal zu einer Zeit, als ausschließlich sehr reiche Menschen mit Kutsche und vielen Koffern verreisen konnten.

Nur einen Koffer hatte der Moderator Frank Elstner aufgegeben, als er am vergangenen Samstag in Berlin landete, leider ohne sein Gepäck. Elstner tat, was viele Menschen heute als Übersprungshandlung tun, wenn sie am "Lost & Found"-Schalter von Mitarbeitern mit Teflonlächeln in eine Art physische Warteschleife gequatscht werden: Er schrieb ins Internet, um seinen Frust loszuwerden.

Elstner tweetete "Liebe @airberlin. Sitze ohne Gepäck in Berlin! Wie verliert man auf einem Inlandsflug ohne Umsteigen einen Koffer?" Es entspann sich unter Elstners 35 000 Followern eine muntere Diskussion, die bald an eine riesige Selbsthilfegruppe erinnerte. Viele hatten ein ähnliches oder viel krasseres Erlebnis beizusteuern.

Air Berlin reagierte ungelenk, forderte Elstner auf, eine direkte Mitteilung zu senden. Dieser wiederum machte den Social-Media-Beauftragten der trudelnden Airline darauf aufmerksam, dass er, Elstner, zwar bereits 75 Jahre alt, aber sehr sicher sei, dass man sich dafür auf Twitter folgen müsste. Das Gelächter und Gelike war groß. Ob es an Air Berlin oder am Flughafen lag, dass das Gepäck nicht kam - egal. Als Flugreisender ist man immer der Idiot, so das Grundgefühl. Denn wer ohne Gepäck bleibt, steht ja ohne Hosen da, was im direkten wie im übertragenen Sinn kein schönes Gefühl ist.

Die Unternehmensberatung Skytrax veröffentlichte im vergangenen Jahr eine Liste der zehn besten Flughäfen, darunter München. Auf Platz eins landete der Kansai International Airport, nahe der japanischen Großstadt Osaka. Seit der Eröffnung 1994 ging dort kein einziger Koffer verloren. 49 Prozent des Gepäcks, das abhandenkommt, verschwindet beim Umsteigen, besonders an den Drehkreuzen Paris-Charles-de-Gaulle, in Frankfurt und London-Heathrow.

Bis 2013 war die Quote von verlorenem Gepäck pro tausend Passagiere noch rückläufig, der "Sita Baggage Report" weist seit 2014 wieder schlechtere Werte aus. Ein Grund könnte sein, dass die Airlines laut Branchenkennern im selben Zeitraum weltweit 18 Milliarden Dollar eingespart haben.

Wer schon mal wütend seine Reisegarderobe im Hotel-Waschbecken ausgewaschen und dabei geschworen hat, die Fluglinie zu verklagen, weiß, wie schnell solche Vorhaben verfliegen. Denn der Beschwerdeweg wurde von den meisten Fluglinien sehr geschickt verstellt mit Hotlines und Ansprache-Robotern, die dem Anrufer nahelegen, so lang Ziffern und Raute-Symbole zu drücken, bis man vergessen hat, was man eigentlich wollte. Es hat ja nie jemand behauptet, billiger Reisen sei besseres Reisen.

Wer das nicht erträgt, sollte Pascals Empfehlung folgen und einfach zu Hause in seinem Zimmer bleiben. Frank Elstners Büro allerdings konnte am Montag die frohe Botschaft übermitteln, dass sein Gepäck rasch nachgesendet worden sei. Besonders erschüttert scheint Elstner nicht gewesen zu sein, er saß schon wieder im Flugzeug - auf dem Weg in den Urlaub.

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Quelle:
SZ vom 25.07.2017
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