Reiseführer fiktiv:Willkommen in San Sombrèro!

So schön kann Urlaub in der Bananenrepublik sein: San Sombrèro existiert zwar nur in der Phantasie dreier Autoren - dort aber bis ins letzte absurde Detail. Ein fast seriöses Interview.

Daniela Dau

Nach "Molwanien - Land des schadhaften Lächelns" und "Phaic Tan - Land des krampfhaften Lächelns" hat das australische Autoren-Trio Santo Cilauro, Tom Gleisner und Rob Sitch eine weitere Ausgabe ihrer Reisebuch-Reihe vorgelegt: "San Sombrèro - Karibik, Karneval und Kakerlaken". Von den aufreibenden Recherchen in diesem "vergessenen Juwel Mittelamerikas" berichtet Santo Cilauro.

sueddeutsche.de: Molwanien, Phaic Tan, jetzt San Sombrèro - nach welchen Kriterien wählen Sie die Länder aus, die Sie vorstellen?

Santo Cilauro: Molwanien war eine leichte Wahl. In den 90er Jahren zählte Osteuropa zu den heißesten Destinationen und das interessanteste Land dort schien uns Molwanien zu sein. Kein wirklich schönes Land, die Menschen dort sind erschreckend rückständig - aber hey! Egal wie hart es ist, man sollte es gesehen haben. Auch das zweite Buch, Phaic Tan, lag nahe. Als Australier ist man einfach viel in Südostasien unterwegs, wir kannten uns gut aus und hatten schon viele Fotos gesammelt. Mit San Sombrèro wollten wir etwas Neues ausprobieren. Mittelamerika ist in Australien keine sehr populäre Reiseregion, selbst wir waren vorher noch nie dort.

sueddeutsche.de: Sie kennen das Land inzwischen wie kein Zweiter. Warum sollte man unbedingt nach San Sombrèro reisen?

Cilauro: Es ist ein wunderschönes, fröhliches Land mit freundlichen Bewohnern. Das offizielle Postulat dort lautet "Lächle!" Tatsächlich können Sie in einigen Städten Strafzettel kassieren, wenn Sie mit einem traurigem Gesicht herumlaufen.

Das Leben ist ein einziges Fest, alle machen Musik und sind ständig am Tanzen. Die Nationalhymne "Colabababumba" hat richtige Ohrwurm-Qualitäten und sogar einen Latin-Grammy gewonnen. In anderen Ländern greifen sich die Menschen ans Herz, wenn sie ihre Hymne hören. In San Sombrèro legen sie die Hände auf die Hüften und lassen die Becken rotieren - wow!

Außerdem sind die Menschen von San Sombrèro sehr schön, einer der größten Exportschlager noch vor der Ausfuhr entkoffeinierten Kokains sind die Miss Worlds. Kein anderes Land hat mehr Gewinnerinnen gestellt als San Sombrèro.

sueddeutsche.de: Also gibt es gar keine Probleme in San Sombrèro?

Cilauro: Nun, das einzige Problem ist vielleicht die politische Instabilität. Aber so langsam wird es besser. Seit neuestem kann der Präsident nur noch ermordet werden, wenn es dafür eine Zweidrittelmehrheit im Parlament gibt. Außerdem wurde ein Zweikammern-System installiert, bestehend aus Oberhaus und Kerker. Die Kriminalitätsrate ist niedrig, brutale Gewalttaten wurden abgeschafft. 80 Prozent der Gewalt spielen sich nur noch im Parlament ab, die Straßen sind eigentlich ok.

sueddeutsche.de: Ihr Buch strotzt vor Hoteltipps, Empfehlungen und Hinweisen auf Sitten und Gebräuche - was mussten Sie tun, um an all diese Insiderinformationen zu kommen?

Cilauro: Natürlich haben wir jedes einzelne Hotel und Restaurant besucht. Das Essen in San Sombrèro ist sehr würzig, in der Regel besteht es nur aus einer Mischung aus Chili, Pfeffer, Paprika und Curry, der gelegentlich noch ein wenig anderes Essen beigegeben wird. Die Küche ist alles andere als leicht. Ein Gericht zum Beispiel wird aus Shrimps und Sardinen hergestellt und die Fabrik, in der die Sauce dafür zusammengerührt wird, ist die einzige, die man sogar vom Mond aus riechen kann.

sueddeutsche.de: Haben Sie ein neues Lieblingsgericht aus San Sombrèro mitgebracht?

Cilauro: Ja, ich habe Eselfleisch für mich entdeckt, da gibt es so eine spezielle Vorspeise - lecker!

sueddeutsche.de: Nicht zuletzt überzeugt Ihr Buch durch das fundierte Urteil verschiedener Fachleute.

Cilauro: Niemand kann ein so umfassendes Buch alleine schreiben - herzlichen Dank noch einmal an alle, die mitgemacht haben. Unsere Experten mussten das Land natürlich komplett bereisen, dann haben wir sie zusammen in ein Zimmer gesteckt und getrennt voneinander befragt.

Unsere Sicherheits-Expertin Tina zum Beispiel ist eine echte Koryphäe auf ihrem Gebiet. Sie würde nie Wasser trinken, dass sie nicht vorher selbst abgekocht hat. Betritt jemand ihr Hotelzimmer, ruft sie sofort die Polizei, selbst wenn es sich nur um das Zimmermädchen handelt.

Reiseprofi Philippe war schon wirklich überall - natürlich bevor alle anderen jemals da waren. Für ihn gibt es nur zwei Arten von Reisenden: Weicheier und ihn selbst.

Abenteuer-Experte Corey ist für die verrückten Dinge zuständig. Am liebsten steigt er auf ausbrechende Vulkane, um ein bisschen Red-Lava-Rafting zu genießen. Und für unsere Fachfrau Helena steht der Ökologie-Aspekt beim Reisen im Vordergrund: Sie würde nichts anfassen, dass sie nicht für politisch korrekt hält.

Willkommen in San Sombrèro!

sueddeutsche.de: Wie haben Sie sich im Land fortbewegt? Mit dem Bus, Auto, Flugzeug?

Reiseführer-Autor Santo Cilauro, Marc Oliver Hofer

"Schönes Land, freundliche Menschen": Reiseführer-Autor Santo Cilauro

(Foto: Foto: Marc Oliver Hofer)

Cilauro: Wir hatten in der Tat große Schwierigkeiten mit der Fortbewegung. Das öffentliche Nahverkehrssystem funktioniert nicht wirklich. Selbst die Schulbusse kommen so oft zu spät, dass inzwischen der Unterricht gleich in den Bussen abgehalten wird.

Wir benutzten eine von diesen tollen 40er-Jahre-Karossen, die man auch in Kuba fährt. "El Jaloppo" hieß das Modell. Die Amerikaner wollen solche Autos jetzt auch im Irak einsetzen, diese Chrommonster sind sicherer als jeder normale Panzer.

Flugzeuge gibt's natürlich auch, die werden der Einfachheit halber mit dem Nationalcocktail "Molotovo" betankt. Eine starke Mischung aus Ananassaft und Flugbenzin, das kriegen Sie in jeder ordentlichen Bar - praktisch, nicht wahr?

sueddeutsche.de: Wie haben Sie sich verständigt? Sprechen Sie Sombrèroisch oder einen verwandten Dialekt?

Cilauro: Mit Spanisch kommt man ganz gut durch. Die Landessprache ist eine Mischung aus Spanisch, Portugiesisch und ein bisschen Belgisch, wegen der kolonialen Vergangenheit.

Der Trick ist: Sie müssen es unwahrscheinlich schnell sprechen. Es gilt als extrem unhöflich, während des Sprechens zu atmen. Ironischerweise sind die einzigen, die langsam sprechen, Kommentatoren beim Fußball und Versteigerer in Auktionshäusern - verkehrte Welt!

sueddeutsche.de: Im Vorwort schreiben Sie "Mittelamerika ist eine unbeständige und wechselhafte Region." Gab es gefährliche Moment während Ihres Aufenthalts?

Cilauro: Ein bisschen vorsichtig sollte man bei Sightseeing-Touren in der Nähe des Präsidentenpalastes in Cucaracha City, der Hauptstadt, sein. Wöchentlich wird in San Sombrèro nicht nur ein neuer Gott angebetet, auch die Regierung wechselt. Und dann kann es wegen der Heckenschützen dort heikel werden.

In ländlichen Gebieten sollte man den Drogenringen nicht zu nahe kommen. Wie bereits erwähnt, wird hier im großen Stil entkoffeiniertes Kokain produziert, dabei wollen die Herrschaften nicht unbedingt beobachtet werden. Außerdem muss man sich bewusst machen: Die Bevölkerung besteht aus 40 Prozent Weißen, 30 Prozent Mulatten, der Rest sind CIA-Agenten. Da laufen tagtäglich jede Menge Observationen und Undercover-Aktionen, in die man nicht unbedingt hineinstolpern sollte.

sueddeutsche.de: Wie sind Ihnen die Menschen in San Sombrèro begegnet?

Cilauro: Die Leute dort sind großartig, sehr herzlich und gastfreundlich. Das Einzige worauf man aufpassen muss, ist, dass man alle seine Innereien wieder mit nach Hause bringt. Es hat schon Fälle von unfreiwilligen Organspenden gegeben. Gegenüber der Versicherung sind Sie auf der sicheren Seite, wenn Sie mit einem Röntgenbild beweisen können, dass Sie mit zwei Nieren ins Land eingereist sind.

sueddeutsche.de: Wie freizügig sind die Einwohner in Sachen Sexualität? Worauf muss man achten?

Cilauro: Als Mann kriegen Sie die größten Probleme, wenn Sie nichts mit Frauen zu tun haben. Im ganzen Land herrscht eine sehr liberale Haltung in Sachen Romantik und Liebe, es finden viele Akte von Verbrüderung mit ausländischen Gästen statt.

sueddeutsche.de: Wenn Sie zurückblicken: Was war Ihr schönstes Erlebnis in San Sombrèro?

Cilauro: Ein einzelnes kann ich nicht herausgreifen, es gab zu viele. Die Strände zum Beispiel sind einfach phantastisch. In Sachen Badekleidung gibt es eine schöne Tradition: Frauen müssen ihr ganzes Leben lang den ersten Bikini tragen, den sie jemals gekauft haben. Der wird natürlich mit zunehmendem Alter ein bisschen knapp - aber das kann verdammt sexy sein.

sueddeutsche.de: Ist Ihre Reihe mit San Sombrèro abgeschlossen oder planen Sie bereits das nächste Buch?

Cilauro: Wir sind noch nicht ganz sicher, wohin die Reise geht. Wahrscheinlich aber wird uns der nächste Führer nicht in ein so abgelegenes Land führen. Eher nach Westeuropa, vielleicht in eine der Großstädte. Da gibt's ja auch noch jede Menge zu entdecken.

Der Comedian Santo Cilauro (43) gehört in Australien zu den gefragtesten Radio- und TV-Produzenten von Comedy- und Unterhaltungsshows. Gemeinsam mit seinen Kollegen Tom Gleisner und Rob Sitch realisiert er unter dem Firmennamen "Working Dog Productions" seit über 20 Jahren Filme und Projekte, darunter so bekannte Fernsehformate wie "The Panel" und "Thank God you're here".

"San Sombrèro - Karibik, Karneval und Kakerlaken" von Santo Cilauro, Tom Gleisner & Rob Sitch, Copyright der deutschsprachigen Ausgabe 2007 by Wilhelm Heyne Verlag München in der Verlagsgruppe Random House GmbH, ISBN-Nr.: 978-3-453-12116-4

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