Reisefotografin Mareike Müller:Im glühenden Sommer von Tadschikistan

Alles geht langsamer, wenn sich die Hitze über Zentralasien legt. Mareike Müller führt die Betrachter ihrer Fotos zu Seen und spektakulären Bergen - und den Bewohnern der Hauptstadt namens Montag.

Von Irene Helmes

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Tadschikistan

Quelle: Mareike Müller

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Scheinbar unberührte Gipfel, ein tiefblauer See und nur ein einsamer Wagen als Zeuge menschlichen Lebens. "Die Landschaft ist wirklich atemberaubend", sagt Mareike Müller über den tadschikischen Teil des Pamir - die Berggegend also, die im Osten bis an das Hochland von Tibet reicht. Sie gehört zum sogenannten Dach der Welt.

Nahe der alten Seidenstraße, in den Weiten Zentralasiens, gibt es viel zu entdecken. Der Tourismus wächst dort, und doch: Tadschikistan ist ein Land, das viele kaum auf einer Karte lokalisieren können. Es liegt zu weit abseits etablierter Reiserouten, abseits der internationalen Aufmerksamkeit.

Im Bild: in der Nähe von Alichur auf dem Weg Richtung Murgab

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Tadschikistan befindet sich zwischen Kirgisistan, Usbekistan, Afghanistan und China. Ein großer Teil des Gebietes ist Hochgebirge, die nächste Küste ist Tausende Kilometer entfernt. Als "tadschikisches Meer" wird der Stausee Kairakkum im Norden des Landes bezeichnet. In ihm zu schwimmen, bringt Abkühlung.

Und die ist begehrt im tadschikischen Sommer. Das Kontinentalklima sorgt dafür. "Es ist heiß - sehr, sehr heiß - ich bin bei allem, was ich tue, langsamer", sagt Müller über die Hauptstadt Duschanbe, in der die Temperaturen tagsüber auf 42 oder 43 Grad klettern. Dort verbringt sie derzeit fünf Monate für ein Projekt in der Entwicklungszusammenarbeit und erkundet das Land.

Im Bild: Am Stausee Kairakkum in der Nähe von Chudschand

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Wer dem drückenden Sommer Duschanbes zumindest zeitweise entfliehen möchte, entscheidet sich oft für Romit. Die Stadt liegt etwa eine Stunde entfernt und lockt mit erträglicheren Temperaturen und besserer Luft, erzählt Müller. Es gibt viele kleinere Ferienanlagen und Gasthäuser, in denen so mancher Hauptstädter im Sommer einige Wochenenden verbringt. Müller besuchte dort einen der Pools mit einer Bekannten.

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Tadschikistan präsentiert sich in vielen Facetten - in drückender Hitze in den Tälern, kühler und einsamer in den Höhenlagen. Sogar in den Sommermonaten bleibt es oben in den Serafschan-Bergen so frisch, dass sogar im August Schneefall möglich ist. "Entsprechend hart ist das Leben derer, die dort leben", sagt Müller. Sie legen die nötigen Wege auf Eseln zurück, denn mit dem Auto kommt man nicht allzu weit.

Im Bild: In der Nähe des Sees Layla-Kul in den Serafschan-Bergen

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Wie eine andere Welt wirkt da Duschanbe. Die tadschikische Hauptstadt war bis vor etwa 100 Jahren sehr klein und wuchs erst im 20. Jahrhundert. In weiten Teilen ist sie von Sowjetbauten wie diesem geprägt. "Montag" (wörtlich: "Zweiter Tag") bedeutet Duschanbe übersetzt, was darauf zurückgeführt wird, dass früher ein großer Markt an diesem Tag abgehalten wurde. Mehrere Jahrzehnte, von 1929 bis 1961, hieß die Stadt Stalinabad.

"Mir wurde vorher gesagt, Duschanbe sei im Vergleich zu anderen Hauptstädten der Region recht langweilig, es sei nicht viel los, ich hatte es mir eher traurig und grau vorgestellt", erinnert sich Müller.

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Allerdings sei die Hauptstadt an vielen Stellen "wirklich sehr grün und hübsch" - unter anderem dank zahlreicher Arbeiterinnen, die das Zentrum penibel pflegen. Sie gießen Pflanzen an den Straßenrändern und bewahren sie so vor dem Verdorren, sie pflanzen und stutzen. Sie arbeiten mitten im Getöse der Autos und Busse, wegen des gefährlichen Verkehrs tragen sie Warnwesten.

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Viele der Männer arbeiten wiederum in Russland und schicken von dort Geld in die Heimat, erklärt Müller. Tadschikistan hat harte Jahre erlebt - politisch wie wirtschaftlich. Ein Bürgerkrieg zwischen 1991 und 1997 hat bis heute Spuren hinterlassen. Jobs sind rar.

Zu Anlässen wie dem "Tag der Nationalen Einheit" am 27. Juni wird nichtsdestotrotz alles feierlich in den Nationalfarben Rot, Weiß und Grün geschmückt. Der international umstrittene Präsident Emomali Rahmon, im Amt seit 1994, ist dabei allgegenwärtig - wie hier auf dem Plakat an einem Puppentheater für Kinder. Nach und nach, so Müller, weichen viele Sowjetgebäude Neubauten. Doch viele Einheimische sähen diese Modernisierung mit gemischten Gefühlen: Sie seien besorgt, weil die neuen Gebäude angeblich weniger erdbebensicher sind.

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Beim Blick auf Tadschikistans Naturschätze wirken die gesellschaftlichen Probleme schnell unwirklich. "Es ist der schönste Bergsee, den ich je gesehen habe", sagt Mareike Müller über den Iskanderkul am Nordhang des Hissargebirges. Der Name erinnert an Alexander den Großen, dessen Pferd einst dort ertrunken sein soll.

Der See zeigt eine "perfekte Spiegelung der Berge", schwärmt Müller. Nur in Ausnahmen darf er von Schiffen befahren werden und "zum Glück badet kaum jemals jemand dort, weil es so kalt ist", erzählt sie weiter - so bleibt die Oberfläche nahezu unbewegt. Beweis liefert dieses Bild, das auf dem Kopf steht: alles oberhalb der Kante ist Wasser.

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Besonders Wanderer finden in Tadschikistan wunderbare Landschaften vor, auch Touren mit Mountainbikes oder auf Pferden sind möglich. Wer hier reisen möchte, erklärt Müller, kommt bereits in zwei oder drei Wochen je nach Region recht weit in dem vergleichsweise kleinen Land. Auf eigene Faust loszuwandern, hält Müller aber für keine gute Idee. Es sei stets am besten, sich von Einheimischen den Weg zeigen zu lassen.

Die Grenzen etwa zu Afghanistan oder Usbekistan gelten als gefährlich, nicht zuletzt, weil sie auf Routen von Drogenschmugglern liegen. Auch Müller würde auf gezielte Reisen dorthin verzichten. Insgesamt fühlt sie sich jedoch sehr sicher. Sie verlässt sich auf die Ratschläge der Tadschiken, fügt aber hinzu: "Was mir am meisten Sorgen macht, sind Verkehrsunfälle - die Kombination aus schlechten Straßen und der Fahrweise ist wirklich abenteuerlich".

Im Bild: In der Nähe des Sees Layla-Kul in den Serafschan-Bergen

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"Ich hatte vorher kein Bild von Zentralasien", gibt Müller zu. Wenn überhaupt, so glaubt sie, dann würden Europäer am ehesten Frauen mit traditionellem Schmuck, sowjetische Überbleibsel oder die Berglandschaften mit Tadschikistan in Verbindung bringen.

Dass die Traditionen tatsächlich fortbestehen, hat sie selbst schon erleben können. Einmal durfte sie Bekannte zu einer Hochzeit im Norden - genauer in der Stadt Chudschand in der Region Sughd - begleiten. Ein Ausdruck der großen Gastfreundschaft im Land. Das Bild entstand einige Tage nach der eigentlichen Zeremonie, als die Braut den Sitten gemäß ihren Verwandten ihre Kleider vorführte. Manche Frauen, erfuhr Müller, ziehen sich bei einer solchen Gelegenheit bis zu zwanzig Mal um. Als Geste des Respekts verneigt sich die Frischvermählte vor ihren Gästen, währenddessen wird gegessen, getrunken und getanzt.

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Auch die kleine Stadt Hissor nahe Duschanbe ist voller Geschichte und Tradition. Die Region wird seit prähistorischen Zeiten bevölkert. Als Sehenswürdigkeit ist die Sangin-Moschee erhalten, die zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert entstand.

Dieses Bild zeigt die berühmte Festungsanlage von Hissor, sie wurde im 18. Jahrhundert als Sommerresidenz der Emire von Buchara angelegt.

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Die steinernen Muster der Moderne finden sich zum Beispiel im Rudaki-Park, einem der größten der Hauptstadt. Dort treffen sich regelmäßig Kinder und Jugendliche zum Fahrradfahren. Besonders in den Sommerferien - sie lassen sich nicht einmal von der sengenden Mittagssonne abhalten.

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Quelle: Mareike Müller

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Benannt ist der Park nach dem Dichter Rudaki (hier eine Statue zu seinen Ehren). Er stammte aus der Region Pandschakent an der Grenze zu Usbekistan. Zu seinen Lebzeiten im späten 9. und 10. Jahrhundert gehörte die Gegend an der Seidenstraße zu Persien. Rudaki selbst wird bis heute wegen seiner Gedichte als erstes Genie der neupersischen Poesie verehrt.

Er steht damit auch für die kulturellen Wurzeln des heutigen Tadschikistan. Denn das Land ist stark von persischer Kultur und Sprache geprägt. Heute leben ethnische Tadschiken zusammen mit Usbeken, Russen, Tataren, nur noch wenigen verbliebenen Deutschen und anderen im Land. Vorherrschende Sprache ist neben dem - politisch immer stärker geförderten - Tadschikisch (wie Dari in Afghanistan ein iranischer Dialekt) vor allem das Russische als sogenannte Sprache der "interethnischen Verständigung". Junge Menschen beherrschen aber auch meist Englisch, wie Müller festgestellt hat.

Immer wieder war in den vergangenen Jahren verstärkt von Fundamentalismus die Rede in Berichten über Tadschikistan. Nach ihren Alltagseindrücken gefragt, schildert Müller sehr unterschiedliche Facetten. So höre sie einerseits von Kollegen, dass etwa deren Freunde religiöser würden und immer mehr Frauen einen Hidschab tragen würden. Andererseits gingen viele Menschen "sehr lapidar" mit ihrem Glauben um, so Müllers Beobachtung - etwa, indem sie nach eigener Aussage den Fastenmonat Ramadan vor allem mitmachten, um abzunehmen.

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Zwischen Stadt und Land, zwischen Traditionen und dem allgegenwärtigen Ringen um die Zukunft des Landes, sind die Monate in Tadschikistan für Müller "voller Überraschungseffekte". Fotografiert hat sie auch schon auf anderen Reisen, etwa bei einem längeren Aufenthalt im Kosovo 2013. Nach Abschluss ihres Studiums der Internationalen Sicherheit in London und Paris will sie sich noch intensiver mit Dokumentarfilmerei und -fotografie befassen. Ihren Blick auf Tadschikistan zeigt sie derzeit auf ihrem fortlaufenden Blog. Ihr Ziel dabei: "Ein Land so zu zeigen, dass Raum für eigene Gedanken und das Entdecken von Gemeinsamkeiten bleibt."

Im Bild: Blick von der Straße nach Chudschand in der Region um Maihura

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Quelle: Illustration Jessy Asmus

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In dieser Serie stellt SZ.de interessante Reisefotografen vor. Bislang ging es mit ihnen in die Metropolen der Welt, nach Vietnam, tief unter die Meeresoberfläche, zu indigenen Stämmen auf den Philippinen und mitten in die deutsche Städtelandschaft, an Vulkankrater sowie zur wahren Seele der Eisberge, nach Südamerika, Hongkong, nach Taiwan, Island, Bangladesch, in die US-Südstaaten, nach "Senegambia" und Rio de Janeiro sowie in den glühenden Sommer von Tadschikistan. Weitere Episoden zeigten bereits Reisen durch Schottland, Afrika, Armenien, Myanmar, Rumänien, Iran, Spitzbergen und Georgien sowie die Lieblingsorte eines Globetrotters, der alle Unesco-Welterbestätten abbilden will.

© SZ.de/mkoh/feko/cat
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