Reisefotograf Andreas Trenker:Irans Schönheit hinter dem Schleier

Der Südtiroler Andreas Trenker wollte sich selbst ein Bild von Iran machen. Nun zeigt er, wie offen ihm die Menschen begegneten.

Von Katja Schnitzler

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Fotograf Andreas Trenker Reisefotograf Iran Persien

Quelle: Andreas Trenker

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Was Andreas Trenker über Iran las, über Repressalien des Regimes, über den Dauerzwist wegen des Atomprogramms, über engstirnige Menschen, die sich vom Westen abgewandt hatten - das war nicht das, was er von Reisenden über das frühere Persien hörte. Und völlig anders waren auch seine iranischen Freunde in Bozen, offen und lebensfroh. Also beschloss der Südtiroler, sich ein eigenes Bild zu machen - oder genauer gesagt, sehr viele Bilder.

Im Bild: Älterer Herr in der Altstadt von Yazd, einer der ältesten Städte Irans

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Gemeinsam mit zwei Freunden erkundete der Reisefotograf Iran so, dass sie den Menschen besonders nahekamen: Sie wollten "couchsurfen". Eigentlich müssen Touristen im Visaantrag notieren, wo sie nächtigen werden - private Quartiere sind vom Regime nicht gerne gesehen und können sowohl Reisenden als auch Gastgebern Ärger einhandeln. "Also gaben wir für Teheran einfach 'Hotel Amir' an, das gibt es auf jeden Fall", berichtet Andreas Trenker. Und behielten ihre weitere Reiseroute für sich.

Im Bild: Teheran bei Nacht

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So lernten die Besucher Iran von der ganz privaten Seite kennen: "Neben den Beschwerlichkeiten, welche die Bevölkerung über sich ergehen lassen muss, haben wir auch die kleinen Akte des Ungehorsams mitbekommen", sagt Trenker. So hätten sie bei einer jungen Frau und deren Familie übernachtet. Der Vater sei zur Feier des Tages losgeeilt, um bei seinem Freund selbstgebrannten Pflaumenschnaps zu holen. Und die junge Gastgeberin erzählte, sie habe wie einige andere Frauen früher an illegalen Autorennen teilgenommen. Nicht nur zuhause, sondern auch im Auto nahm sie ihr Kopftuch demonstrativ ab "und drehte das Fenster herunter und die CD auf volle Lautstärke, als das Lied 'Losing my religion' von R.E.M. kam". Andreas Trenker war überrascht von der Offenheit, mit der Iraner ihm gegenüber oft das Regime kritisierten.

Im Bild: Motorräder prägen das Straßenbild, hier im Zagros Gebirge - einen Helm trägt kaum jemand.

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Er selbst hielt sich beim Kennenlernen stets bedeckt in diesem Land, in dem der Tritt in ein politisches Fettnäpfchen und ein missliebiges Fotomotiv etwa in der Nähe von Militäranlagen hart bestraft werden können (detaillierte Informationen auch zu strafrechtlichen Fallstricken beim Reisen in Iran bietet das Auswärtige Amt). Dass Andreas Trenker Grafikdesign in Israel studiert hatte, verschwieg er wohlweislich. Dafür waren seine Gesprächspartner - meist aus der gebildeten Mittelschicht, die Englisch spricht - erstaunlich offen. Sie berichteten von Jobs, die nur diejenigen bekommen, die bestechen oder Beziehungen haben. Dass sie den radikalen Islam ablehnten genauso wie die Verschleierung der Frau. Dass sie durch das Internet ein Fenster zur Freiheit hätten, die im Land schmerzlich fehle ("VPN-Dienste liefern sich ein Wettrennen mit der Regierung", so Trenker).

Im Bild: auf Qeschm, der größten Insel in der Straße von Hormuz, der Meerenge zwischen Iran und Oman im Persischen Golf. Die Insel ist ein beliebtes Urlaubsziel für Iraner - wegen der Schönheit der Natur und weil hier eine Freihandelszone Einkäufe billiger macht. Das gefällt auch Schmugglern.

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Tatsächlich hätten sie die Moscheen selbst am Freitag überraschend leer vorgefunden, erzählt der Südtiroler. Auf seine verwunderte Nachfrage sei ihm erklärt worden, dass viele Iraner Religion mit dem Regime assoziierten und daher auf Abstand gingen. Freiheit würden die Menschen nur im Privaten finden - das prägt auch das Stadtbild. "Wir haben auf den Straßen ganz selten junge Leute gesehen. Sie treffen sich lieber daheim hinter zugezogenen Vorhängen, wo sie sich vom Staat unbeobachtet fühlen." Sie verwandelten ihre Wohnung in Kokons, in denen sie sich erst entfalten könnten. Doch manchmal riskierten junge Menschen viel für ein kleines Stück Freiheit.

Im Bild: Detail des Freiheitsturms Burj-e Azadi in Teheran - als er Anfang der 1970er-Jahre erbaut wurde, hieß er noch Shahyad-Turm, "Denkmal des Schahs". Nach der iranischen Revolution wurde er umbenannt.

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In einer Stadt habe ihr Gastgeber eine kleine Pool-Party veranstaltet, "mit Bikinis, Alkohol und Marihuana", erzählt Andreas Trenker. Ein großes Risiko, das junge Iraner für ausgelassene, geheime Feiern in Kauf nähmen. Doch auch ältere Leute würden der Zeit vor der Islamischen Revolution hinterhertrauern.

Trotz oder gerade wegen der großen Gastfreundlichkeit stieg die kleine Reisegruppe bisweilen im Hotel ab: "Manchmal brauchten wir etwas Zeit für uns, um die vielen Eindrücke zu verarbeiten." Privatleute sahen es als ihre angenehme Pflicht an, sogleich ein Tagesprogramm für die Ausländer zusammenzustellen und ihnen persönlich die Schönheit ihrer Heimat zu zeigen.

Im Bild: Windtürme in Yazd - ein Bādgir wird seit Jahrhunderten zur Belüftung von Gebäuden eingesetzt und funktioniert über den Kamineffekt.

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Nicht nur von der Offenheit der Leute, die sie unterwegs trafen, war der Südtiroler beeindruckt, sondern auch von den Wegen selbst: Die Straßen seien perfekt und gute Nachtbusverbindungen ermöglichten, in drei Wochen entspannt 6000 Kilometer zurückzulegen. Und so ein Land kennenzulernen, das extrem ist - extrem abwechslungsreich: "Von der Wüste bis zur Gletschertour ist alles dabei, mal ist es grün und hügelig, dann ist man wieder am Strand des Kaspischen Meers", schwärmt er.

Beim Schlafen in den Nachtbussen habe er Zeit und Geld gespart; zudem sei es spannend, eine unbekannte Stadt um sechs Uhr früh zu entdecken. In Isfahan habe er auf dem Meidān-e Naghsch-e Dschahān, einem der größten umschlossenen Plätze weltweit, gemeinsam mit Einheimischen auf den Sonnenaufgang gewartet. Am Ende des Tages seien die Bögen unter den Brücken von Isfahan (im Bild) ein schöner Ort, nicht nur für Fotos: Familien träfen sich dort zum Picknick, dazu stimmten ältere Männer Gesänge an. "In dieser mystischen Atmosphäre kommt man einfach ins Gespräch und wird schnell zu einer Tasse Tee eingeladen."

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Landschaftsfotografen empfiehlt Andreas Trenker einen Abstecher in das Elburs-Gebirge oder die Mangrovenwälder von Qeschm, aber auf jeden Fall in die Wüste Lut. "Kurz vor Sonnenuntergang stiegen wir auf eine bizarre Felsformation, und die Wüste wechselte ihre Farbe von rot-gelb zu blau-grau. Plötzlich wurde es stockdunkel, man war ganz allein mit der Natur." Ständig bläst der warme Wind, der seit Jahrhunderten die Felsen schleift. Eine Herausforderung nicht nur für Reisende, sondern auch für die Kamera - der feine Sand setzte sich überall fest.

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Wer sich für Architektur begeistert, finde in jeder Stadt imposante Bauwerke und kunstvoll verzierte Moscheen. Ein besonders schönes Farbspiel bietet die Nasir-ol-Molk-Moschee in Schiras, auch "pinke Moschee" genannt: Die Sonne wirft die Farbmuster auf die Säulen im Inneren (hier ein Youtube-Video von dem Lichtspiel).

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Mit Sittenwächtern bekam es Andreas Trenker wohl nur einmal zu tun: Das Trio stieß überall auf großes Interesse, da Iraner erst nach Ableisten ihres Militärdienstes einen Pass erhalten und daher vor allem in ihrem eigenen Land unterwegs sind. Besonders seine Mitreisende war dank blonder Strähnen, die unter dem Kopftuch herausrutschten, vor allem bei kleinen Mädchen beliebt. Oft baten sie um ein gemeinsames Foto, auch bei einem traditionellen Fest auf dem Hauptplatz von Yazd. "Doch ein Mann mit Bart und den hochgekrempelten Hosen der Salafisten hielt uns davon ab, ebenso eine Gruppe von Frauen." Sonst hätten sie nie negative Erfahrungen gemacht, "doch uns ist bewusst, dass die Iraner nicht ohne Grund Angst vor ihrer Regierung haben".

Im Bild: Ein Mädchen macht Hausaufgaben im Dorf Kandovan im Norden Irans. Dieses ist direkt in Felsen gebaut, die von der Ferne aussehen wie ein Bienenstock. Daher auch der Name "Kando", Honigwabe.

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Frauen seien in Iran zwar sehr gut ausgebildet, doch würden sie in ihrer Entscheidungsfreiheit stark eingeschränkt: "Für eine junge Iranerin ist es unmöglich, allein in eine andere Stadt zu ziehen, um zu studieren." Nur wenn andere Verwandte dort wohnten, duldeten dies die meisten Familien. Trenkers Reisebegleiterin wurde immer wieder von iranischen Männern im Gespräch ignoriert, manche verweigerten den Handschlag. "Bei jüngeren war es aber durchaus üblich, sich zum Abschied zu umarmen - alle."

Im Bild: Eine Frau wäscht ihrem Kind die brennenden Augen aus, der Urmiasee im Nordwesten hat in etwa den Salzgehalt des Toten Meeres. Weil inzwischen zu wenig Wasser nachfließt, sind der See und die darin lebenden Salzwasserkrebse bedroht - und damit der Lebensraum für Vögel.

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Trenker ist von Iran als Reiseland fasziniert, hier konnte er sich als Entdecker fühlen: "Der Tourismus steckt noch in den Kinderschuhen, das macht es abenteuerlicher." Beim Anblick des Damavand, des "frostigen Berges" im Elburs-Gebirge fühlte er, der mitten in den Dolomiten aufgewachsen ist, sich aber fast wie zuhause.

Der ruhende Vulkankegel ist mit mehr als 5600 Metern der höchste Berg in Iran, kann von Bergsteigern erklommen werden - und ist auch für Weltrekorde gut: 2014 fuhr der deutsche Extrem-Einradfahrer Luth Eichholz den Berg hinab, natürlich auf nur einem Rad (hier sehen Sie ein Youtube-Video davon).

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Quelle: Andreas Trenker

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Dann wieder stieß Trenker auf Orte, die ihm fremd waren, wie dieser Schweigeturm in Cham - hier wurden einst Tote abgelegt, damit Geier die Knochen vom Fleisch reinigten. Denn nach dem zoroastrischen Glauben dürfen Elemente wie Wasser, Erde, Feuer und Luft nicht verunreinigt werden. Ein schöner Name dafür ist "Himmelsbestattung".

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Auf seinen Reisen sucht der Fotograf nicht nach postkartenschönen Motiven, "es geht mir vielmehr um das, was in diesem Moment zwischen mir und dem Ort passiert". Errege etwas seine Aufmerksamkeit, wolle er es festhalten, sei es Kurioses, Ungewohntes, aber auch Begegnungen mit anderen Menschen. "Am Ende bleibt es immer eine subjektive Darstellung von Zeit und Raum", sagt Trenker. Besonders gerne fotografierte er Straßenszenen im Basar von Kerman.

Reisefotograf Andreas Trenker Reise Iran Persien

Quelle: Andreas Trenker

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Sein Reiseziel hat Andreas Trenker erreicht: Einen Blick hinter den Schleier zu werfen und die anderen Seiten Irans kennenzulernen. Manche Mauern sind vielleicht nicht gleich sichtbar, andere werden gerade eingerissen - oder bieten zumindest wie diese in Isfahan schon die Aussicht auf ein Schlupfloch.

Andreas Trenker ist ein interdisziplinärer Gestalter aus Südtirol und arbeitet im Bereich der visuellen Kommunikation und im Journalismus sowie Produktdesign - sein liebstes Medium ist aber die Fotografie, das der 27-Jährige mit seiner Reiseleidenschaft verbindet. Mehr Bilder sind hier zu finden www.instagram.com/andreastrenker/

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Quelle: Illustration Jessy Asmus

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In dieser Serie stellt SZ.de interessante Reisefotografen vor. Bislang ging es mit ihnen in die Metropolen der Welt, nach Vietnam, tief unter die Meeresoberfläche, zu indigenen Stämmen auf den Philippinen und mitten in die deutsche Städtelandschaft, an Vulkankrater sowie zur wahren Seele der Eisberge, nach Südamerika, Hongkong, nach Taiwan, Island, Bangladesch, in die US-Südstaaten, nach "Senegambia" und Rio de Janeiro sowie in den glühenden Sommer von Tadschikistan. Weitere Episoden zeigten bereits Reisen durch Schottland, Afrika, Armenien, Myanmar, Rumänien, Iran, Spitzbergen und Georgien sowie die Lieblingsorte eines Globetrotters, der alle Unesco-Welterbestätten abbilden will.

© SZ.de/edi/sks
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