Süddeutsche Zeitung

Reisefotograf Alexander May: Schottland:"Hoffen Sie auf Wolken, Nebel, Regen!"

Meistens hat Alexander May Menschen vor der Linse. Hier aber blickt er in Schottlands Seele.

Von Katja Schnitzler

"Keines der Bilder, die ich vor der Reise sah, bereitete mich auf diesen Moment vor", sagt Alexander May. Auf diesen Augenblick, als er auf der Isle of Skye am Waterstein Head stand und auf die Wogen des Atlantiks blickte. Die Natur "raubte mir den Atem". Der Fotograf aus Berlin hatte sich vor seiner Reise nach Schottland auf Abgeschiedenheit eingestellt - "nicht aber darauf, dass dieses Land sofort meinen Körper und Geist komplett für sich vereinnahmen würde". Dreimal war der Berliner seitdem mit seiner ebenfalls fotografierenden Partnerin in Schottland. Beide waren sich schon während der ersten Reise einig: Hier haben wir unsere zweite Heimat gefunden. Die herbe als auch verwunschene Schönheit der Highlands und Küsten würdigt May in seinen Bildern.

Sein liebstes Motiv in Schottland fand Alexander May an einem besonders abgeschiedenen Ort, an dem man das Gefühl bekommen kann, der einzige Mensch auf der Welt zu sein: im Bergkessel Coire Lagan, ebenfalls auf der Insel Skye, der erst nach einer beschwerlichen Wanderung zu erreichen ist. "Wenn man über Geröllfelder in eine Nebelwand aufsteigt und sich plötzlich an diesem türkisblauen Lochan (kleinen See) wiederfindet, können Worte schwerlich fassen, was man in diesem Moment fühlt." Daher machte May lieber ein Bild von dem See in den Bergen über Glen Brittle (hier finden Sie die Route).

Die Aufnahmen entstanden Ende Oktober im vergangenen Jahr in den westlichen Highlands und vor allem auf der Isle of Skye, beim dritten Besuch innerhalb von drei Jahren. Bei ihren Wanderungen ging es dem Paar vor allem darum, sich Zeit für das Windspiel von Licht und Schatten zu nehmen.

Auf Mays Bildern spielt die Natur die Hauptrolle, oft ist in der Nebenrolle seine Reise- und Lebenspartnerin Anja Schönitz zu sehen. Sie fotografiert selbst unter "Kettenkarussell Photography" und ihre Anwesenheit gibt dem Betrachter ein Gespür für die Tiefe der Landschaft: "Ich versuche, die Unbedeutsamkeit des Menschen im Angesicht der Natur zu zeigen", sagt May.

Selten lässt May die Landschaft deshalb für sich allein sprechen.

Zu Hause in Berlin widmet sich Alexander May eher der Porträtfotografie. Wie aber zeigt er die Seele einer Landschaft? "Durch meinen Blickwinkel oder die Art der Komposition versuche ich, einen Moment in einer sich ständig wandelnden Szenerie einzufangen." Die Wirkung des Bildes entfalte sich - wie auch beim Porträt - erst durch die Interpretation des Betrachters und mit den Gefühlen, die dieses Bild bei ihm auslöst.

Wie sieht also der Betrachter Alexander May die Seele Schottlands? "Sie ist rau, temperamentvoll und einzigartig melancholisch. Vor allem aber scheint sie entrückt."

So begeistert ist der Berliner von Schottland, dass es ihm schwerfällt, anderen Fotografen nur einen einzigen Ort für die Motivsuche zu empfehlen. Ein Besuch der Isle of Skye sei immer etwas Besonderes: "Die Insel scheint sich - losgelöst vom Festland - noch monumentaler und vorzeitlicher zu geben." Motive finde man überall, seien es das Gebirge des Black Cuillin im Süden oder die Halbinsel Neist Point, auf der ein Leuchtturm den westlichsten Punkt der Insel markiert. Während andere Reisende trockenes Wetter bevorzugen, empfiehlt May "jedem Fotografen, auf Wolken, Regen und nebelverhangene Berge zu hoffen".

May verzichtet auf HDR-Aufnahmen (Hochkontrastbilder) und so tragen vor allem die Schattierungen zur Stimmung bei.

Er selbst sagt von sich: "Ich liebe das Land in all seinen Facetten" und will keinen Moment seiner Reise nach Schottland missen. Es wird nicht die letzte gewesen sein. Mehr Fotos von Alexander May auf instagram@greatbigwhale oder auf Facebook.

In dieser Serie stellt SZ.de interessante Reisefotografen vor. Bislang ging es mit ihnen in die Metropolen der Welt, nach Vietnam, tief unter die Meeresoberfläche, zu indigenen Stämmen auf den Philippinen und mitten in die deutsche Städtelandschaft, an Vulkankrater sowie zur wahren Seele der Eisberge, nach Südamerika, Hongkong, nach Taiwan, Island, Bangladesch, in die US-Südstaaten, nach "Senegambia" und Rio de Janeiro sowie in den glühenden Sommer von Tadschikistan. Weitere Episoden zeigten bereits Reisen durch Schottland, Afrika, Armenien, Myanmar, Rumänien, Iran, Spitzbergen und Georgien sowie die Lieblingsorte eines Globetrotters, der alle Unesco-Welterbestätten abbilden will.

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