Reisebuch:Vorhang auf für das unbekannte Pakistan

Der Fotograf Manolo Ty porträtiert ein Land, das vor allem negative Schlagzeilen macht. Das Ergebnis überrascht.

Von Stefan Fischer

Ein Mädchen und ein Junge, beide an der Schwelle vom Teenager zum Erwachsenen, hocken lässig auf Steinen und blicken in die Kamera. Der Ausdruck ihrer Gesichter ist ernst, aber doch gelöst, er schmunzelt sogar leicht. Vielleicht sind sie Geschwister, vielleicht ein Paar. Sie wirken unbeschwert und scheinen ebenso neugierig auf Manolo Ty wie der auf sie. Mit der Aufnahme der beiden beginnt der deutsche Fotograf seinen Bildband "Pakistan Now". Als Motto stellt er ihm einen klugen Satz Alexander von Humboldts voran: "Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben."

Nun ist man noch kein verbohrter Ignorant, bloß weil man noch nie nach Pakistan gereist ist. Die wenigsten Europäer kennen das Land aus eigener Anschauung, eine Reise dorthin ist durchaus nicht ungefährlich. Umso wichtiger ist es deshalb, dass Manolo Ty sich nach Pakistan getraut hat - und dem Land und seinen Bewohnern gänzlich unbefangen begegnet ist. Seine Eindrücke vermitteln auch dem Betrachter und Leser ein differenziertes, an etlichen Stellen womöglich auch überraschendes Bild.

Mit ein paar Urteilen über Pakistan ist man schnell zur Hand: Terror, Korruption, Polizeigewalt und Armut fallen einem mutmaßlich zuerst ein - und dann nicht mehr viel. All das gibt es in Pakistan, da macht Manolo Ty keinen Hehl daraus. Sein Buch gehört nicht in die Kategorie der Reinwasch-Reiseliteratur, bei der dem Leser suggeriert wird, dass es irgendwo auf der Welt ganz anders ist und in Wahrheit überhaupt nicht so schlimm, wie alle anderen immer behaupten. Ty verharmlost nicht, er macht jedoch auf sehr eindrückliche Weise klar, dass Pakistan viel mehr ist als die Summe seiner Probleme.

Vor fünf Jahren hat Ty das Land erstmals bereist und aus den Fotografien, die er zurückgebracht hat, im Selbstverlag einen Bildband produziert. Für die umfassend veränderte Verlagsausgabe ist er im vergangenen Jahr nun nochmals für mehrere Wochen nach Pakistan geflogen. Um ihm bislang unbekannte Landesteile zu sehen und um Frauen sowie die kleine, aber sehr einflussreiche kulturelle Elite Pakistans stärker in den Fokus zu nehmen als auf seiner ersten Reise.

Manolo Ty gelingt es, den Menschen nahezukommen. Er interessiert sich für ihre Geschichten, für ihre Lebensumstände und dokumentiert das in seinen Fotografien und in kurzen Texten. Manchmal wären ausführlichere Erläuterungen hilfreich, denn Ty weckt an einigen Stellen eine Neugier, die das Buch dann nur teilweise befriedigt. Es gibt aber auch, das begreift man rasch, nicht auf alles eine letztgültige Antwort. In Pakistan trifft man auf viele Widersprüche. So sind Frauen wie in jeder muslimischen Gesellschaft nicht gleichberechtigt, dennoch gibt es eine weibliche Bildungselite sowie leidenschaftliche Cosplayerinnen, Frauen also, die sich als Comicfiguren verkleiden - und in Benazir Bhutto hatte Pakistan bereits vor 30 Jahren eine Präsidentin. Der Imam der Faisal-Nationalmoschee in der Hauptstadt Islamabad ist in interreligiösen Fragen tolerant, gleichzeitig gibt es immer wieder religiös motivierte Gewalt. In vielen Belangen ist die Gesellschaft ziemlich traditionell. Andererseits hat Pakistan sehr früh ein drittes Geschlecht in den Pässen eingeführt, in Islamabad gibt es - wenn auch nur private - Partys, auf denen DJs auflegen und Menschen freizügig tanzen.

Wobei Manolo Ty Islamabad als "Blase" bezeichnet, an ihr zeigt sich die gravierende Ungleichheit im Land, das eine der höchsten Analphabetenraten hat und extreme Armut kennt. Das raubt den Menschen aber nicht ihren Stolz und ihre Würde. Sie leben sehr anders als die Menschen im Westen. Wie genau, versteht man nun weitaus besser.

Manolo Ty: Pakistan Now. Dumont Reiseverlag, Ostfildern 2018. 320 Seiten, 49,90 Euro.

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