Reisebuch: Navigation:Wege aus der Wildnis

Moos, Pflanzen, Bäume und Pfützen sind einige der Hilfsmittel, mit denen man in der Natur seinen Weg finden kann.

Daniela Dau

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Quelle: Aleksander Bolbot/istock

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In seinem Buch "Der natürliche Kompass" zeigt der britische Abenteurer Tristan Gooley, wie man seinen Weg in der Natur ohne Landkarte oder Instrumente finden kann. Diese praktischen Beispiele können Sie auf jedem Spaziergang erproben und nebenbei Ihre Beobachtungsgabe verfeinern.

Moos

Ein gängiges Mantra der natürlichen Navigation lautet: "Moos wächst an der Nordseite von Bäumen und Gebäuden". Dazu bemerkt Tristan Gooley lakonisch: "Kann sein. Aber es wächst auch an allen anderen Seiten. Moos interessiert sich nicht für die Himmelsrichtung, es braucht Feuchtigkeit und davon viel." Auch die Beschaffenheit der Oberfläche ist ein wichtiges Kriterium: Raue Rinde und die Krümmung des Stammes bremsen das abfließende Wasser - unter solch feuchten Bedingungen fühlt sich Moos auch an Südseiten wohl.

Alles, was ab Bodenhöhe bis in etwa 60 Zentimeter Höhe wächst, ist daher für die Orientierung eher irreführend. Erst darüber wird es laut Gooley interessant. Wächst Moos an einer steilen, glatten Stelle hoch über dem Boden, ist diese Seite höchstwahrscheinlich vor Sonne geschützt - und auf der Nordhalbkugel ist das eher die Nordseite.

Leichter orientieren sich Wanderer an den Bäumen selbst ...

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Quelle: iStock

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Bäume

Gut geeignet zur Orientierung ist ein isoliert stehender großer Laubbaum. Dieser steckt seine geballte Energie für kurze Zeit in Blatt und Blüte, hat größere Blätter und reagiert stärker auf äußere Einflüsse wie Wind und Sonne. "Immergrüne Bäume (...) sind (...) schwieriger zu interpretieren als eine singuläre majestätische Buche, Esche oder Eiche", erklärt Tristan Gooley.

Dabei machen viele den Fehler, den Baum nur von einer Seite zu betrachten - steht der einzig verfügbare Baum in der Ferne am Horizont hat man freilich keine Wahl. Aus der Nähe sollte man ihn von allen Seiten anschauen und auf mehrere Kriterien hin prüfen. Weist er auf einer Seite einen dichteren Wuchs auf? Krümmt sich der Stamm in eine bestimmte Richtung? Wachsen die Äste auf einer Seite in einem flacheren Winkel zum Licht, auf der anderen in einem steileren? Steht der Baum auf einer Kuppe und wird vom Wind geformt?

Wenn man dann noch weiß, dass sich auf der Nordhalbkugel die "schwerere" Seite mit mehr und größeren Ästen in der Regel nach Süden hin ausrichtet und dass in Deutschland vor allem Westwinde vorherrschen und sich Bäume deshalb eher Richtung Osten verformen, kann man mit ein bisschen Übung den eigenen Standpunkt bestimmen. Betrachten wir anhand dieser Kriterien den Baum auf dem Foto, so wird klar, dass der Betrachter in östlicher Richtung zum Baum steht und nach Westen blickt - die langen Äste weisen gen Süden.

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Quelle: AFP

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Pfützen

Feldwege sind von mehr oder weniger hoch gewachsenen Böschungen eingefasst. Ein grasgesäumter Weg, der sich von Nord nach Süd erstreckt, wird im Tagesverlauf vom Sonnenlicht, das von Ost nach West zieht, ziemlich gleichmäßig beschienen: So können feuchte Stellen auf dem gesamten Weg schnell abtrocknen.

Doch auf der Nordhalbkugel steht die Sonne meist etwas südlich am Himmel. Das hat auch Folgen für Pfützen auf Wanderwegen, solange diese nicht nach Süden weisen. Bei allen anderen Pfaden werfen Gräser oder Büsche Schatten auf den südlichen Wegesrand. Dort halten sich also Pfützen oder Feuchtigkeit länger.

Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass die weichere Seite von Wanderern und Fahrzeugen stärker ausgetreten und ausgefahren wird. Fällt Regen, so sammelt sich dieser mehr auf der Südseite als auf der Nordseite des Pfades. Selbst wenn Pfützen im Sommer austrocknen, kann man also noch am getrockneten Schlamm und an der tieferen Rinne erkennen, wo Süden ist.

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Quelle: dpa

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Pflanzen

Gute Wegweiser sind heliotropische, also lichtwendige Pflanzen wie beispielsweise die Sonnenblume: Sie verfolgen während des Wachstums mit ihren Knospen die Sonne auf ihrer Tagesreise von Ost nach West. Nachts oder in der Morgendämmerung kehren die Knospen auf ihre nach Osten gerichtete Position zurück. Ist die Blüte samt Fruchtstand zu voller Pracht entfaltet, macht sie den Sonnenlauf aber nicht mehr mit: Ihr Köpfchen zeigt nur noch in Richtung des Sonnenaufgangs.

Tristan Gooley stellt für die nördliche Hemisphäre die These auf: "Süß gleich Süd". Süße Früchte wie Trauben oder Pfirsiche bevorzugen Südhänge mit maximaler Sonneneinstrahlung. Die Südhänge sind oft dichter bewachsen als die Schattenseite, auch ist der Pflanzenreichtum dort größer.

Kalifornische Flechte nach Obama benannt

Quelle: picture-alliance/ dpa

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Flechten

Ist die Orientierung mithilfe von Moos schon nicht ganz simpel, so wird es mit Flechten nicht einfacher. Flechten, die eigentlich den Pilzen zugerechnet werden, wachsen sehr langsam und haben eine extrem lange Lebensdauer. Bei der Orientierung sind weniger "ihre biologischen Besonderheiten von Bedeutung, es geht vielmehr um die Interpretation ihrer Farben und Muster in einem bestimmten Gebiet", schreibt Gooley - angesichts von 2000 verschiedenen Flechtenarten allein in Mitteleuropa eine Herausforderung für Könner.

Allgemeingültige Regeln aufzustellen, dürfte hier besonders schwer fallen. Regelmäßigkeiten ergeben sich aus der Beobachtung. Wichtig sind dabei die Oberfläche, auf der die Flechte wächst und die Umgebungseinflüsse, also Sonne, Wind und Wasser. "Braune und orangerote Flechten mögen vielleicht nach Süden liegendes Gemäuer, während hellgrüne Flechten mit dunklen Punkten die Südwestseite von Bäumen bevorzugen", ist das einzig Konkrete, zu dem sich der Autor hinreißen lässt.

Flechte Caloplaca Obamae

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Quelle: SZ

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Unsere Tipps zur natürlichen Navigation sind dem Buch "Der natürliche Kompass" von Tristan Gooley entnommen. Piper Verlag München, 2011. ISBN 978-3-89029-392-9

© sueddeutsche.de/dd/kaeb
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