Reisebuch:Mit großem Gepäck

Lesezeit: 2 min

Freddy Langer gerät beim Wandern auf dem Eifelsteig in den Rhythmus der deutschen Provinz. Dabei paart sich ein positives Naturerlebnis mit einer Tristesse, die von den Bewohnern auf den Autor übergeht.

Von Stefan Fischer

Die Last des vielen Gepäcks ist für Freddy Langer eine doppelte: Sie drückt ihm auf die Schultern und aufs Gemüt. Der gelbe Rucksack ist zu klein, auch der rote fasst nicht alles, was Langer gerne dabeihaben möchte. Bleibt der große blaue. "Der blaue aber ist keineswegs stets begleitet von heiterem Himmel, sondern nimmt das harsche Wetter voraus: den kalten Wind und die vereisten Wege. So würde es auch diesmal sein."

Ein bisschen Farbmystik während des Packens, um den eigenen Pessimismus zu schüren. In der Woche vor Weihnachten 2008 ist der Journalist Freddy Langer, der den Reiseteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung leitet, mit seinem blauen Rucksack von Gerolstein aus zwei Etappen des damals neu ausgewiesenen Eifelsteigs bis nach Wittlich gewandert. Eine Tour durch eine deutsche Mittelgebirgslandschaft im Winter, vorbei an Wirtschaften, die entweder einen Ruhetag einlegen oder aus saisonalen Gründen gleich mehrere Wochen pausieren.

Einsame Tage sind das insofern, die Langer weniger mit einem journalistischen als einem literarischen Blick filtert: "Im Schein der Laternen war der Bahnsteig kaum zu erkennen, fast war es, als lösten sich die Strahlen auf, bevor sie den Boden berührten ... in dieser klirrenden Kälte musste man eher denken, das Licht sei mitten im freien Fall festgefroren."

Die Bemerkungen und Beobachtungen dieser Eifel-Wanderung bilden die erste Hälfte des Buches "Eigentlich habe ich nicht gefunden, wonach ich gesucht habe". Die zweite beschreibt die gleiche Tour in umgekehrter Richtung, unternommen in den letzten Schultagen vor den Sommerferien 2019.

In beiden Texten paart sich ein positives Naturerlebnis mit einer Tristesse des Provinziellen, die von den Bewohnern auf den Autor übergeht. Speziell die Sommerwanderung erzählt davon, was der Eifelsteig der Region eingetragen hat - es scheint nicht besonders viel zu sein. Jedenfalls klagen die Gastwirte und Hoteliers. Es fehlt offensichtlich an Kraft und am Geld für Modernisierungen. In Familienbetrieben zeichnet sich ab, dass die nachfolgende Generation keine Perspektive mehr darin sieht, die Geschäfte und damit Traditionen fortzuführen. Es ist schlicht zu wenig los auf dem Eifelsteig, so die Wahrnehmung, nicht nur bei Eiseskälte oder bei Gluthitze, wie Langer beides erlebt und erlitten hat. Aufs gesamte Jahr gerechnet zahlt sich der Wandertourismus nicht genügend aus für die Bewohner.

Immerhin findet Langer einen Schuster, der ihm seine Wanderschuhe neu besohlt - das funktioniert in der Provinz einfach: mit Leuten ins Gespräch zu kommen und unkompliziert Hilfe zu empfangen. Langer erinnert an "das vielleicht schönste Reisebuch", an Laurie Lees Bericht "An einem hellen Morgen ging ich fort" von 1934, dem Alastair Humphreys aktuell die Hommage "Ein Sommer, drei Melodien, kein Talent" gewidmet hat (SZ vom 13. Februar 2020). Es handelt von der Absichtslosigkeit, mit denen Bewohner damals Reisenden begegnet sind. Das erlebt auch Langer: Die mangelhafte Infrastruktur ist mitunter lästig, erspart ihm jedoch, ausschließlich als wandernder Geldbeutel angesehen zu werden. Und Begegnungen sind oftmals mehr als Dienstleistungen.

Auffallend ist die Gestaltung des Buchs: Es sind zwei Bücher in einem. Klappt man das Bändchen auf, findet man links die Winter- und rechts die Sommerwanderung, welche man von hinten her liest. Nicht nur der Inhalt, auch die Form also ein Spiegel. Langer fotografiert überdies tiefenscharf in die Landschaft hinein. Ein prosaisches Gegenbild zu den literarischen Schilderungen.

Freddy Langer : Eigentlich habe ich nicht gefunden, wonach ich gesucht habe. Zwei Eifelwanderungen. Greven Verlag, Köln 2020. 128 Seiten, 18 Euro.

© SZ vom 20.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: