Reisebuch:Heimat der Mücken

Gerade wegen der Insekten ist der See Mývatn in Island faszinierend. Die Autorin Unnur Jökulsdóttir kennt das Gewässer gut und nimmt den Leser mit auf eine Wanderung.

Von Stefan Fischer

Am See Mývatn, zu Deutsch: Mückensee, ist Unnur Jökulsdóttir eine Fremde. Denn sie stammt aus der Hauptstadt Reykjavík. Die ist hier im Nordosten Islands weit weg. Mit der Zeit hat Jökulsdóttir gelernt: Weiß man nicht, worüber man mit Einheimischen reden soll, beginnt man am besten ein Gespräch nicht über den See, sondern über die umliegenden Berge. Deutlich unterscheiden sie sich voneinander - und damit auch die Meinungen, welcher der einzig wahre Mývatn-Berg ist.

Reisebuch: Die am Mývatn in Island in Schwärmen vorkommenden Zuckmücken umschwirren einen nur – was lästig sein mag –, sie stechen aber nicht.

Die am Mývatn in Island in Schwärmen vorkommenden Zuckmücken umschwirren einen nur – was lästig sein mag –, sie stechen aber nicht.

(Foto: Unnur Jökulsdóttir)

Und schon ist man mittendrin in einer Auseinandersetzung mit diesem Naturspektakel, das direkt an der Ringstraße liegt, die einmal um die Insel führt. Es hat einen alten Mývatn gegeben, der mit dem aktuellen See allerdings wenig mehr als die ungefähre Lage gemein hat: Vor etwa zweitausend Jahren hat es eine gewaltige Vulkaneruption gegeben, die den See und die umliegende Landschaft massiv umgestaltet hat. Entsprechend jung ist auch die lokale Biosphäre.

Reisebuch: Ohne die Mücken gäbe es die Fisch- und Vogelpopulation an dem malerischen See nicht.

Ohne die Mücken gäbe es die Fisch- und Vogelpopulation an dem malerischen See nicht.

(Foto: Unnur Jökulsdóttir)

Unnur Jökulsdóttir kennt sie mittlerweile sehr genau. Ihr Mann leitet die Forschungsstation am See, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Vogel- und Fischpopulation kontinuierlich zu dokumentieren. Jökulsdóttir ist verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit. Ihr Buch "Vom Flügelschlag des Sternentauchers" ist jedoch kein PR-Produkt und auch weitaus mehr als eine reine Faktensammlung. Die Autorin nimmt ihre Leser mit auf Wanderungen und steckt sie mit ihrer Neugier an. Man lernt viel über Enten und Fische und vor allem über die Mücken, ohne die es alles andere Leben dort kaum gäbe. Vor allem aber bekommt man ein Gespür für diesen See und nicht nur einen ersten Eindruck. Man lernt, sich von den Mücken nicht kirre machen zu lassen - die Zuckmücken stechen nicht einmal. Das Buch ist ein Plädoyer fürs Verweilen und gegen die touristische Hatz. Es bietet - im wahrsten Sinn - die Chance, unter die Oberfläche zu tauchen. Um Kugeldreck zu entdecken und Saiblinge in Hohlräumen unter dem eigentlichen See. Ganz unspektakulär berichtet Unnur Jökulsdóttir von der inneren Schönheit des Mývatn, die die äußere noch übertrumpft.

Unnur Jökulsdóttir: Vom Flügelschlag des Sternentauchers. Das verborgene Leben am See Mývatn. Aus dem Isländischen von Tina Flecken. Insel Verlag, Berlin 2019. 176 Seiten, 18 Euro.

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