Reisebuch:Geschichten einer Romanze

Uns bleibt immer Paris von Serena Dandini

Serena Dandini: Uns bleibt immer Paris. Sentimentale Spaziergänge in alphabetischer Ordnung. Aus dem Italienischen von Julia Ulrike Betz. Btb Verlag, München 2019. 448 Seiten, 14 Euro.

Von A wie Arrondissement bis Z wie Zink: Serena Dandini flaniert neugierig und in einem Überschwang der Gefühle durch das Alphabet von Paris - stets bereit, sich ablenken zu lassen.

Von Stefan Fischer

Serena Dandinis Idee von Romantik ist, so erklärt sie es selbst, geprägt von einem der berühmtesten Filmzitate. In "Casablanca" fragt Ilsa hoffnungsfroh: "Und was wird aus uns?" Worauf Rick antwortet: "Uns bleibt immer Paris."

Die italienische Journalistin und Fernsehmoderatorin Dandini hat das Zitat sogar zum Titel ihres Paris-Buches erkoren. Weil Paris ein Anker ist für sie; ein Ort, an den sie immer wieder zurückkehrt, weil sie sich dort geborgen fühlt. Und weil ihr die vielen Erinnerungen an tolle Tage in jedem Fall bleiben, egal, was kommen mag. Entflammt ist diese Romanze im Übrigen auf einem wenig motivierten Zwischenstopp während einer Rückreise von London nach Italien - Dandini hatte als Teenagerin die britische Hauptstadt favorisiert, kam von dieser Vorliebe jedoch bereits nach den ersten Tagen in Paris rasch ab.

Es liegt also eher an einem Überschwang der Gefühle und hat überhaupt nichts Buchhalterisches, dass Serena Dandini, wie es im Untertitel heißt, "sentimentale Spaziergänge in alphabetischer Ordnung" unternimmt. Es geht ihr nicht ums Abhaken oder um den Anschein von Vollständigkeit. Das Alphabet ist lediglich ein Gerüst, um Ordnung zu schaffen im Wust der eigenen Emotionen und vielfältigen Vorlieben. Andere Autoren vor ihr haben ihre Paris-Betrachtungen in aufsteigender Reihenfolge nach den Arrondissements sortiert, um die Schilderungen zu strukturieren.

Man möchte sich gar nicht vorstellen, in welchen urbanen Trubel man als Leser hineingeschubst worden wäre von Serena Dandini, hätte sie sich in jedem der Kapitel nicht wenigstens den Anschein gegeben, darin ein spezielles Thema zu behandeln. Sie kommt gerne von einem zu anderen, schweift ab, bringt die Dinge miteinander in Beziehung - jedoch aufgrund der selbst auferlegten Beschränkung immer nur in einem Ausmaß, dass man sie als Leser doch recht gerne begleitet auf ihren Spaziergängen, die keinen Routen durch die Stadt folgen, sondern Ideen. Es dauert auch nie lange, und die Autorin betritt ein Café, ein Restaurant oder einen Laden. Serena Dandini lässt sich gerne anregen von den überbordenden Geschichten dieser Stadt aus Vergangenheit und Gegenwart, von den Menschen, die sie einst geprägt haben oder heute prägen. Aber all das bedeutet ihr wenig ohne ordentliche Mahlzeiten und eine Reihe von Lustkäufen.

Und weil die belesene Autorin sich auf jedem ihrer gedanklichen Spaziergänge gerne ablenken lässt - auch wenn das nie wahllos geschieht -, muss sie sich auch nicht entscheiden zwischen Bistro, Bar, Baguette oder Bahnhof beim Buchstaben B. Denn letztlich bringt sie alles irgendwo unter. Sie wählt Bistro, da kann sie Bars und Cafés subsumieren und ihr bleibt das C für Canal, die Kanäle also. Die Bahnhöfe tauchen auf unter G wie Gare - sie verwendet die französischen Begriffe für ihr Alphabet, nur so lässt sich das Buch auch in andere Sprachen übertragen, ohne die alphabetische Ordnung zu torpedieren.

Das Bahnhofs-Kapitel ist ein schönes Beispiel für Dandinis Flaneurtum: Sie beginnt mit dem Gare d'Orsay, der lange schon nicht mehr als Bahnhof genutzt wird, streift Orson Welles' dort gedrehte Verfilmung von Kafkas "Der Process", ehe sie auf das Musée d'Orsay zu sprechen kommt, das in dem Gebäude nun untergebracht ist. Sie schreibt also über Stadtgeschichte, über Kunst - und findet über ein Gemälde Claude Monets in diesem Museum, das den Gare Saint-Lazare zeigt, wieder hinaus in die Stadtlandschaft. Um aber nochmals ins Kino zurückzukehren, zu Georges Méliès - der nach einer Pleite ein Geschäft im Gare de Montparnasse führte für Süßigkeiten und Spielwaren.

Das alles erzählt Serena Dandini mit angenehmer Beiläufigkeit. Sie möchte nicht missionieren, ist nie altklug. Nur was sie selbst interessiert und anregt, wird Thema in "Uns bleibt immer Paris". Weil man sie persönlich nicht kennt, muss man eben das Buch lesen und seine eigenen Erfahrungen ergänzen, um mit ihr über Paris zu plaudern.

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