Reisebuch:Freilichttheater

Jetzt, da viele Maschinen am Boden bleiben und nicht gebraucht werden, präsentieren zwei Bildbände Flughäfen aus der Vogelperspektive.

Von Stefan Fischer

Und wenn es das jetzt war? Mit dem Fliegen? Der Autor Alain de Botton, lebenspraktisch philosophischen Fragestellungen stets zugeneigt, entwirft eine solche Utopie im Vorwort zu Tom Hegens Fotoband "Aerial Observations on Airports". Wir sollten dem Coronavirus dankbar sein, schreibt er, dass es uns ermögliche, uns eine fluglose Zukunft auszumalen. Jetzt, da wir davon eine erste Anschauung haben.

Er selbst imaginiert sich ein Museum dorthin, wo sich heute noch New Yorks John-F.-Kennedy-Flughafen befindet. Nicht als ein reines Technikmuseum, sondern als einen Erlebnispark, wie es heutzutage schon zum Beispiel Bauernhof-Freilichtmuseen gibt, die Einblicke geben in die Lebenswirklichkeit vergangener, vorindustrieller Epochen. In diesem Fall in unsere dann längst überwundene aeronautische Gegenwart.

Der Fotograf Tom Hegen wiederum denkt sich in seinem Buch Flughäfen lieber als Kunstmuseen. An einem halben Dutzend deutscher Flughäfen hat er aus Helikoptern heraus senkrecht nach unten fotografiert, aus einer Höhe von rund 500 Metern. Die Gangways und Gepäckkarren ohnehin, aber selbst die großen Flugzeuge schrumpfen auf seinen Bildern zu Miniaturen ihrer selbst. Als wären es Spielzeugmodelle, die eine Kinderhand manövrieren könnte. Was Hegen inszeniert, ist nicht der Stillstand in einer Zeit drastisch reduzierten Flugaufkommens. Flugzeuge rollen aus Hangars, werden in Parkpositionen rangiert, Tank- und andere Servicefahrzeuge stehen bereit.

Doch die Flugzeuge sind allesamt am Boden. Von Personal und Fluggästen keine Spur. Da sie in der Luft offenkundig gerade nicht gebraucht zu werden scheinen, geben sie sich scheinbar dem Müßiggang hin. So jedenfalls inszeniert Tom Hegen die Maschinen mitsamt der sichtbaren Infrastruktur der Flughäfen. Als wären die Vorfelder Bühnen, auf denen große und kleine Choreografien aufgeführt werden, ein Technikballett. L'art pour l'art, Arrangements um der Schönheit ihrer selbst willen. Ums Reisen, ums Fort- und Ankommen geht es indessen definitiv nicht in diesen Fotografien. Es geht um geometrische Ordnung, um grafische Entwürfe, manchmal auch wieder um Ausbrüche aus solchen Mustern. Spannend an den Aufnahmen ist, dass der dargestellten Ruhe dennoch ein Rest an Dynamik innewohnt.

Anders als bei Tom Hegen sind die Flughäfen, die der Autor und pensionierte Fluglotse Andreas Fecker in Luftaufnahmen zeigt, stets identifizierbar. Darum geht es ihm: Dass man einerseits die zum Teil ambitionierte Architektur dieser "Städte ohne Einwohner", wie er sie nennt, würdigt und sich andererseits ein Bild davon macht, wie organisch - oder eben nicht - sie sich in die (Stadt-)Landschaften integrieren. Die Behauptung im Untertitel des Bandes "Flughäfen von oben" ist jedoch zu hoch gestapelt: Denn aufregend sind die Perspektiven selten, aus denen die von Agenturen zusammengesammelten Bilder die Flughäfen zeigen. Die wenigsten von ihnen sind außergewöhnlich komponiert, teilweise sind nur merkwürdige Ausschnitte der Anlagen zu sehen. Fernweh weckt das Buch kaum, dazu verströmt es zu sehr den spröden Charme einer lexikalischen Fleißarbeit.

Andreas Fecker: Flughäfen von oben. Airports der Welt aus aufregender Perspektive. GeraMond Verlag, München 2020. 192 Seiten, 45 Euro. Tom Hegen: Aerial Observations on Airports. Hatje Cantz Verlag, Berlin 2020. 176 Seiten, 54 Euro.

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