Den Druckgrafiken von Esther Angst ist anzusehen, dass die Künstlerin eine Ausbildung zur Comic-Zeichnerin absolviert hat. Die Menschen in ihren Illustrationen sind oft Figuren an der Grenze zu Fantasiewesen, mit Übertreibungen in der Anatomie, mit expressiven Ausdrücken.
Eigentlich zeigt Angst Berglandschaften in dem liebevoll gestalteten Band "Ich bleibe noch ein wenig". Die Natur sei für sie jedoch nicht ohne den Menschen vorstellbar, schreibt die Illustratorin im Vorwort. Sobald der Mensch eine Landschaft in Augenschein nimmt, um sich ein Bild zu machen, ist er anwesend, wird ein Teil von ihr. Auch wenn jegliche Zivilisation sonst fern ist. Und so tauchen in den Druckgrafiken der Schweizerin häufig Menschen auf. Oft entdeckt man sie erst auf einen zweiten oder dritten Blick. Sieht erst ihre Spuren und dann sie selbst.
Esther Angst ist viel unterwegs in den Bergen, daheim im Glarnerland ohnehin, sie hat überdies auch schon Radtouren durch Asien unternommen und dabei etliche Gebirge überquert. Was sie in ihren Grafiken darstellt, ist eine Interpretation der Wirklichkeit. Es geht ihr nicht um eine möglichst exakte Darstellung der Realität. Sondern darum, eine spezifische Atmosphäre wiederzugeben. Dafür nimmt sie sich die Freiheit, kreativ in reale Szenerien einzugreifen. So wie in der Erinnerung die Dinge mitunter auch steiler, größer oder sanfter erscheinen, als sie sind.
Mitunter hebelt Esther Angst sogar die Gesetze der Physik aus. Verwandelt Fels in Wellen. Haucht anorganischen Materialien eine subtile Lebendigkeit ein. Stilistisch ist sie dabei variantenreich. Je nachdem, was die Grafiken ausdrücken, unterscheiden sie sich in Strichführung und Plastizität.
Esther Angst : Ich bleibe noch ein wenig. Illustrationen aus den Bergen. AS Verlag, Zürich 2018. 128 Seiten, 39,50 Euro.