Reisebuch:Der lange Weg zum Guten

Die deutsche Journalistin Leonie March lebt seit zehn Jahren in Südafrika. Sie sieht Mandelas Erbe in Gefahr, entdeckt aber auch positive Veränderungen im Land.

Von Stefan Fischer

Als Jacob Zuma noch der Präsident Südafrikas war, ist Leonie March kreuz und quer durch das Land gereist. In großer Sorge um ihre Wahlheimat. Die deutsche Journalistin, die seit knapp zehn Jahren in Südafrika lebt, hat das Land kennengelernt, als die Apartheid endete und Nelson Mandela zum ersten schwarzen Präsidenten gewählt wurde. Mandelas Erbe sieht sie aktuell in Gefahr: Das Land stecke in der mutmaßlich schwersten Krise seiner jungen Demokratie, diagnostiziert March im Vorwort ihres Reisebuchs "Mandelas Traum".

Nun, alle Hoffnung ist noch nicht dahin. Zum einen ist der korrupte Zuma zurückgetreten, das birgt zumindest die Chance auf eine Besserung unter dem neuen Präsidenten Cyril Ramaphosa. Zum anderen gibt es allen Missständen zum Trotz Beispiele dafür, dass Mandelas Traum von einer Regenbogennation, in der alle Ethnien einträchtig zusammenleben, mancherorts funktioniert. Solche Orte hat Leonie March aufgesucht, um ein hoffnungsvolles Bild von Südafrika zu entwerfen. Ahnend, dass sie eher die Ausnahme beschreibt als die Regel: "Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das friedliche Miteinander häufig als Nebeneinanderher oder sogar als zähneknirschende Duldung."

Es gibt hier viele Menschen, die sich verantwortlich fühlen für ihre Heimat

Leonie March macht keinen Hehl daraus, dass sie parteiisch ist. Für ihr Buch ist sie weniger die Journalistin, als die sie sonst arbeitet; hier zeigt sie sich als eine Liebhaberin, die um ihre Liebe kämpft - ein offenes Südafrika, eine Gesellschaft, die es als Ganzes in eine bessere Zukunft drängt. Das ist sympathisch und doch auch problematisch. Weil March oftmals nur nacherzählt, was ihr die Gesprächspartner berichten, und selbst eher wenig reflektiert. Auch kontrastiert sie die Aussagen Einzelner selten mit anderen Meinungen. Da kommt sie mitunter naiver rüber, als sie tatsächlich ist. Leonie Marchs Ansinnen ist wohl, nicht selbst mit all ihren Erfahrungen und ihrem Wissen auftrumpfen zu wollen, sondern sich als die Fremde, die sie letztlich nach wie vor ist, von den Menschen deren Geschichten erzählen zu lassen. Wovor sie sich nicht scheut, ist, ihre Emotionen auszudrücken. Das unentwegte Berührtsein und Aus-der-Seele-Sprechen kann man natürlich leicht abtun; aber es drückt eben aus, wie sehr die Autorin selbst in diese Gemengelage verstrickt ist. Sie hat persönlich etwas zu verlieren, wenn die Sache mit der südafrikanischen Demokratie schiefgeht.

Und so treibt sie sich auf Märkten herum, trifft Händler, die teils offiziellen und teils informellen Geschäften nachgehen. Sie wandert mit einem Naturschützer, der einen Bodyguard benötigt, und besucht ein Städtchen an der Westküste, Kleinzee, das aufgegeben wurde, als der Diamantenabbau in großem Stil eingestellt worden ist. Und das dennoch bei allem Leerstand eine bescheidene Zukunft zu haben scheint, weil diese neue Ruhe eine spezielle Klientel anzieht, die genug hat von der Umtriebigkeit in den Metropolen. Und überall dort entdeckt Leonie March Hoffnungsvolles, trifft auf Menschen, die sich verantwortlich fühlen für ihre Heimat und in der neuen Freiheit eine Chance sehen, für sich, aber nicht auf eine egoistische, rein kapitalistisch gedachte Weise.

Natürlich darf eine Geschichte nicht fehlen wie die von einer Farbigen und einer Weißen, die gemeinsam ein Übernachtungsbusiness aufgebaut haben. Die größte Qualität der bescheidenen Unterkunft ist das Gefühl der Geborgenheit, das die beiden Frauen vermitteln. Nach diesem Südafrika sehnt March sich. Und es existiert.

Leonie March: Mandelas Traum. Meine Reise durch Südafrika. Dumont-Reiseverlag, Ostfildern 2018. 304 Seiten, 14,99 Euro.

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