Reisebuch:Den Traum leben

Der Designer Matias Corea hat mit "Two Wheels South" ein schönes, uneitles Buch über seine Reise durch Amerika veröffentlicht. Es ist auch ein Plädoyer dafür, sich auf Reisen überraschen zu lassen und neugierig zu bleiben.

Von Stefan Fischer

Manchmal muss man offenbar erst einen schmerzlichen Schlag in die Magengrube kriegen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen: Mehr als ein Jahrzehnt schon hatte sich Matias Corea mit dem Gedanken getragen, mit seinem Motorrad durch Nord-, Mittel- und Südamerika zu fahren. Nie hat es gepasst, immer war irgend etwas anderes wichtiger, ein Job oder eine Beziehung, die dann doch nicht gehalten hat. Dann ist seine Schwester gestorben, zu der er ein enges Verhältnis gehabt hatte, mit nur 38 Jahren. Das hat Corea brutal vor Augen geführt, dass man die Dinge, die einem wirklich wichtig sind, nicht aufschieben darf.

Ein halbes Jahr später ist er gestartet, gemeinsam mit seinem besten Freund Joel, um während sechs Monaten im Winter 2016 / 17 von Brooklyn, wo der in Spanien aufgewachsene Argentinier inzwischen lebt, bis nach Feuerland zu fahren. Bevorzugt auf Nebenstrecken, von denen die beiden immer wieder auch Abstecher in vollends entlegene Regionen unternommen haben. Gerne durch Gebirge. Von diesem Abenteuer erzählt Matias Corea in seinem Buch "Two Wheels South".

Two Wheels South; Two Wheels South erschienen im Gestalten Verlag

Frischer Regen ist gefallen, der Salar de Uyuni in Bolivien dünn überflutet: ein Traum für Motorradfahrer.

(Foto: Matia Corea)

Dabei geht er sparsam mit Worten um, seine Schilderungen sind knapp gehalten. Es geht ihm darin um ein paar besondere Erlebnisse, nicht um eine Chronologie der Ereignisse. Im Mittelpunkt stehen Begegnungen mit Menschen, die seine Begeisterung für ältere Maschinen teilen - Matias Corea fährt eine BMW R 80 G/S Paris Dakar von 1985 -, oder die den beiden durch ihre Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft aus einer Patsche geholfen haben.

Im Kern verlegt sich Matias Corea aufs Optische. Er ist Designer, hat das Buch selbst gestaltet und versteht auch etwas von Fotografie. Er erzählt dieses Abenteuer also vor allem über Bilder. Die meisten hat er mit zwei Digitalkameras aufgenommen, außerdem hatte er eine Helmkamera montiert. Die hat auch sein sich überschlagendes Motorrad aufgenommen, als er in Bolivien gestürzt ist. Ein spektakuläres Foto, das aber nicht von Adrenalin, Heldenmut und Männlichkeit erzählt, sondern vom Glück, überlebt zu haben. Von der Demut vor dem Wagnis der beiden, die durch den Unfall noch größer geworden ist.

"Two Wheels South" führt in faszinierende Landschaften, die mit Autos noch mühsamer und teilweise auch gar nicht zu erreichen sind. Und es ist ein Plädoyer für die Einfachheit und den Konsumverzicht. Wobei Corea durchaus eingesteht, wie sehr er einen Aufenthalt in Lima genießt, nach Wochen in spärlich besiedelten Regionen: das Essen, der Wein und die Betten sind in der Hauptstadt schlicht besser.

Sehr angenehm an dem Buch ist die Neugier des Autors - er und sein Freund Joel interessieren sich gerade nicht in erster Linie für sich selbst. Und wenn etwas schiefläuft, suchen sie die Schuld erst einmal bei sich. Selbst wenn sie von korrupten Zöllnern über den Tisch gezogen worden sind, ist das Fazit: unser Fehler - wären wir eben aufmerksamer gewesen. Auch haben sie einen Reiseplan und doch die Spontaneität, ihn zu ändern. Denn sie wollen nicht zwanghaft Ziele abhaken, sondern sind bereit, sich überraschen zu lassen.

Two Wheels South; Two Wheels South erschienen im Gestalten Verlag

Der Autor reist gemeinsam mit seinem besten Freund Joel.

(Foto: Matia Corea)

Matias Corea: Two Wheels South. Mit dem Motorrad von Brooklyn nach Feuerland. Aus dem Englischen von Sven Wedemeyer. Gestalten Verlag, Berlin 2019. 272 Seiten, 29,90 Euro.

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