Reisebuch:Das süß-saure Nichtstun

Die österreichische Autorin Friederun Pleterski hat die norddalmatinische Insel Olib zu ihrer persönlichen Wohlfühloase erkoren. Was es dort gibt? Nichts. Und gerade dieses Nichts ist es, was Olib für sie so reizvoll macht. So schreibt sie ein Lob des einfachen Insellebens.

Von Annika Brohm

Wer das Glück sucht, der wird in Kroatien nicht fündig werden - jedenfalls, wenn man dem World Happiness Report der Vereinten Nationen Glauben schenkt. Denn in der aktuellen Rangliste schafft es das kleine, junge Land an der Adria gerade mal auf einen Platz im hinteren Mittelfeld. Die österreichische Autorin Friederun Pleterski sieht das ganz anders: Sie hat die norddalmatinische Insel Olib zu ihrer Wohlfühloase erkoren. Was es dort gibt? Nichts. Und gerade dieses Nichts macht Olib für sie so reizvoll.

In ihren beiden Büchern "Ein Haus in Dalmatien" sowie "Dalmatinisches Inselbuch" hat Pleterski bereits von ihrem entschleunigten Leben auf Olib erzählt. Jahr für Jahr vertreibt sie sich dort die heiße Jahreszeit. Nur im vorvergangenen Sommer konnte sie nicht auf die Insel reisen, ihre Krebserkrankung hinderte sie daran. Nach ihrer Heilung erfolgte die Rückkehr, mit der Aussicht auf eine lange Zeit des süßen Nichtstuns - Pleterskis Definition von Glück. "Vor einem Jahr dachte ich noch, meine Zeit sei abgelaufen. Und nun bin ich Zeitmillionärin", schreibt die Autorin in ihrem dritten Kroatien-Buch "Adria Blues". Noch achtsamer sei sie geworden, behauptet sie, noch ein wenig langsamer. "Ich genieße den Augenblick, freue mich über Kleinigkeiten."

Ihre Freude wird jedoch schon nach wenigen Tagen an der Adria getrübt. Pleterski muss feststellen: Auch Olib, ihr "Paradies des Nichtstuns", kann sich dem Wandel der Zeit nicht entziehen. Donnernde Quads ersetzen stille Fahrräder; immer mehr feierwütige Touristen kommen, die Bässe wummern dann bis in die frühen Morgenstunden über die gesamte Insel. Olib hat sich verändert in den zwei Jahren von Pleterskis Abwesenheit, zum Nachteil all der Einheimischen die wie sie das zurückgezogene Leben schätzen.

Obwohl der Takt des Insellebens stetig schneller wird, hält Pleterski unbeirrt an ihrem langsamen Lebensstil fest. Sie kocht Gemüse, sinniert über Herkunft und Nährwerte ihres Essens. Sie geht schwimmen, zieht gemächlich ihre Bahnen. Und hin und wieder fährt sie nach Zadar, um einkaufen zu gehen. Pleterskis Notizen handeln von Genuss und Verschwendung, dem Glück im Einfachen, von den häufig fließenden Grenzen zwischen Entschleunigung und Stillstand. Friederun Pleterski treibt dabei nicht zuletzt die Frage um: "Bedeutet Mensch sein Konsument sein?"

Auf ihrer Suche nach Antworten und im Ringen mit ihrem Temperament stößt sie immer wieder an ihre Grenzen. Ein rostiger Nagel im Fahrradreifen, ein unangekündigter Besuch, ein Blick auf die negativen Schlagzeilen einer Tageszeitung - und schon wirft Friederun Pleterski ihren Vorsatz, fortan gelassener zu sein, über Bord. Als die kroatische Präsidentin verkündet, künftig ein Sommerfestival auf Olib zu veranstalten, gibt die Wahlkroatin den Kampf gegen den Wandel der Zeit schließlich auf. "Wollte ich nicht schon immer im Sommer in die Berge?", schreibt sie. "Wandern, klettern, hinaufsteigen in das ewige Eis?"

Friederun Pleterski beschließt, im kommenden Jahr erst mit dem Herbstanbruch nach Olib zu reisen. In Kroatien hat das Glück fortan von September an Saison.

Friederun Pleterski: Adria Blues. Nimm das Leben, wie es kommt. Drava Verlag, Klagenfurt 2017. 237 Seiten, 19,80 Euro.

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