Süddeutsche Zeitung

Reisebildband:Natürlich verfremdet

Urlauber genießen schöne Landschaften. Aber dem Künstler Nils-Udo reicht das nicht. Bevor er das Wattenmeer, die Kanarischen Inseln oder Frankreich fotografiert, verwandelt er seine Motive - in moderne Kunst.

Von Stefan Fischer

Urlauber genießen schöne Landschaften. Aber dem Künstler Nils-Udo reicht das nicht. Bevor er das Wattenmeer, die Kanarischen Inseln oder Frankreich fotografiert, verwandelt er seine Motive - in moderne Kunst. Eine Rezension von Stefan Fischer Im Alltag kann man nicht vermeiden, dass der Mensch sich durch die Natur bewegt. In der Kunst hingegen lässt er sich daraus leicht verbannen. Besonders konsequent ist in diesem Punkt der Landschaftskünstler, Maler und Fotograf Nils-Udo. "Der Mensch in der Natur hat mich gestört, und dabei ist es geblieben, bis heute", schreibt der Mittsiebziger rückblickend über sein Werk in dem Bildband Nils-Udo. Wanderer in Natur und Kunst, den Uwe Rüth ihm und seinem Œuvre gewidmet hat.

Einen großen und wichtigen Teil dieses Werks bilden Nils-Udos Arbeiten in der Natur. Der Bayer verwendet dazu ausschließlich Naturmaterialien, so gesehen sind seine Eingriffe minimalistisch.

Nichts desto trotz irritieren seine Kunstwerke, weil sie sichtbar - zumindest auf einen zweiten oder dritten Blick - von einem Menschen geschaffen sind, weil sie einer eigenen, ungewöhnlichen Ordnung gehorchen. Oft pachtet Nils-Udo Parzellen für seine Land Art, bepflanzt sie oder ordnet darauf seine Materialien nach den Gesichtspunkten seiner Kunst an.

Diese Werke haben zwei Aspekte: Nils-Udo fotografiert seine Arbeiten unter freiem Himmel - er will diese Fotografien nicht als Dokumentationen seiner Kunstwerke verstanden wissen, sondern als einen von zwei Aggregatszuständen: Die Aufnahmen fixieren einen Moment, heben ihn aus der Vergänglichkeit seiner Werke heraus - dieser Aspekt von Nils-Udos Kunst ist in Uwe Rüths Buch gründlich und anschaulich dargelegt.

Das zweite Gesicht sieht indessen nur, wer sich auf den Weg macht zu den Kunstparzellen. Es sind wechselhafte Gesichter, denn die Naturinstallationen von Nils-Udo sind verderblich; sie vergehen bei Wind und Wetter. Oder aber, vor allem im Fall von Pflanzungen, sie wachsen in die Natur hinein. Viele der Arbeiten sind an Orten entstanden, die nur zu erwandern sind, auf die man auch eher zufällig stößt.

Die Wahrscheinlichkeit, dass man als Wanderer in eine Nils-Udo-Landschaft gerät, ist in dessen Wahlheimat, dem Chiemgau, recht hoch. Aber auch in anderen deutschen Regionen, etwa im Wattenmeer, sowie auf La Réunion, den Kanarischen Inseln, in Frankreich und in Japan hat der Künstler viel gearbeitet. Wobei er die Natur nie möbliert mit etwas, das dort nicht hineingehört. Er formt sie stets mit ihren eigenen Möglichkeiten um, ergänzt, verwandelt.

Nils-Udo pfropft Pampasgras auf Eschenstangen, die er wie Stege über einen Weiher legt, drapiert Palmzweige in Gesteinsnischen und gibt dem Felsen dadurch ein palastartiges Aussehen oder erschafft überdimensionale Nester.

Auf Réunion hat er rote Blütenblätter so an einen Felsriss gelegt, dass es wie eine Wunde aussieht.

Grundsätzlich zeichnet einen Nils-Udo-Ort jedoch Geborgenheit aus. Schon deshalb sind sie erstrebenswerte Reise- oder Ausflugsziele. Auch wenn man dann mitten in der Natur steht, also fehl am Platz, als Mensch.

Uwe Rüth: Nils-Udo. Wanderer in Natur und Kunst. Inklusive der DVD "Palmiers". Wienand Verlag, Köln 2013. 192 Seiten, 39,80 Euro.

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Quelle:
SZ vom 01.08.2013
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