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Reisebildband "Life's a Beach":Hemmungslos

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Am Strand ist vielen Menschen wenig peinlich - und wie sie ihre privaten Gepflogenheiten öffentlich zur Schau stellen, ist universell. Magnum-Fotograf Martin Parr veröffentlicht eine Auswahl seiner skurrilen Strandfotos.

Von Stefan Fischer

Aus mitteleuropäischer Warte ist Großbritannien wahrlich kein Strandparadies. Man ist im Vereinigten Königreich jedoch nirgendwo weiter als 120 Kilometer von der Küste entfernt - und die Briten nutzen ihre Strände trotz des mäßigen Rufs weidlich.

Amerikanische Fotografen, schreibt Martin Parr im Vorwort seines Fotobandes "Life's a Beach", mögen zwar die Straßenfotografie begründet haben: "Wir Briten indes haben den Strand." Dort entspannen die Leute, so Parr, können sie selbst sein und "den leicht exzentrischen, britischen Verhaltensweisen frönen". Vor diesem Hintergrund sei die Ausbildung der Strandfotografie in seiner Heimat wohl die natürliche Folge.

Der Magnum-Fotograf Martin Parr hat sich denn auch in diese Tradition der britischen Strandfotografie eingeschrieben. In dem Buch "Life's a Beach", das im ferienseligen Gewand eines Hawaii-Hemdes daherkommt, versammelt der 61-Jährige Aufnahmen aus vier Jahrzehnten. Nicht nur von britischen Stränden, Parr hat über die Jahrzehnte auch auf Bali fotografiert, in Italien, Spanien, Thailand, Chile, den USA, der Ukraine und in ein paar Ländern mehr. Den in Großbritannien ausgeprägten Blick für Skurrilitäten wendet Martin Parr weltweit an.

Am Strand ist vielen Menschen wenig peinlich. Sie setzen alberne Kopfbekleidungen auf, tragen zweifelhafte Bademoden oder werfen sich in Posen, die eher die Nach- als die Vorteile ihrer Physiognomie herausstellen. Der Witz vieler von Parrs Fotografien resultiert zudem aus der geschickten Komposition der Motive: der ältere Mann, der auch noch einen Ball vor seinen Kugelbauch hält. Der Südamerikaner, der eine Schönheit in einem Fotomagazin betrachtet, neben sich seine Frau, die ihn liebevoll am Arm berührt - was er sich gerne gefallen lässt; er scheint seine Grenzen als Womanizer zu kennen.

Es ist ein oft sanfter, manchmal aber auch böser Spott, der sich in den Bildern ausdrückt. Viele der fotografierten Menschen kann man sich hervorragend als Figuren in einer Komödie von Molière vorstellen: Der französische Autor war ein Meister in der Darstellung menschlicher Unzulänglichkeiten.

Einerseits fällt auf, wie universell vieles ist, was an diesen nur allzu öffentlichen Orten zu beobachten ist. Die Zurschaustellung privater, auch intimer Gepflogenheiten ist überall anzutreffen. Andererseits lassen sich immer wieder auch spezielle Spleens unterscheiden. Männer, die sich durch den Sand wälzen, sind offenbar eine rein chinesische Angelegenheit. Zeitung gelesen am Strand wird auf Parrs Fotografien wiederum nur in England - egal, wie steif die Brise weht.

Martin Parr: Life's a Beach. Schirmer/Mosel Verlag, München 2013. 124 Seiten, 19,95 Euro.

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Quelle:
SZ vom 08.08.2013
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