Süddeutsche Zeitung

Reisebildband: Dhaus:Im Rhythmus des Monsuns

Die Küstenbewohner Ostafrikas leben seit Tausenden Jahren von den Ausfahrten in ihren Segelschiffen, den Dhaus - und haben weite Teile des Indischen Ozeans durchkreuzt. Der Fotograf Beat Presser zeigt die Symbiose zwischen Menschen und Schiffen.

Stefan Fischer

Piraterie vor der Küste Ostafrikas ist kein neues Phänomen. Es gibt sie seit Jahrhunderten, und die Motive sind über die Zeit auch die gleichen geblieben: Die in wirtschaftlichen Verteilungskämpfen Benachteiligten holen sich, worauf sie ein Anrecht zu haben glauben. Die Piraterie ist eine beinahe zwangsläufige Folgeerscheinung der Seefahrt, die hier, von Somalia bis hinunter nach Mosambik, eine sehr lange Tradition hat.

In der Heidelberger Universitätsbibliothek befindet sich das Periplus Maris Erythreai, eine schriftliche Navigationsanleitung. Sie ist etwa 2000 Jahre alt. Und aus ihr geht hervor, dass die Menschen bereits damals mit Dhaus auf den Indischen Ozean hinausgesegelt sind. Es ist "die älteste noch heute erhaltene Schifffahrtskultur", schreibt Beat Presser in seinem Band "Dhau. Beatus Piratus auf Sindbads Spuren".

Im vorderen Drittel des Buches schildert der Fotograf seine Reise nach Ostafrika, seine Recherche: Nicht der Rumpf, sondern das Segel charakterisiert eine Dhau - das sogenannte Lateinersegel, ein baumwollenes Dreieck, mit dem man hoch im Wind fahren kann.

Weite Teile des Indischen Ozeans haben die Afrikaner durchkreuzt, immer im Rhythmus des Monsuns, der winters aus Norden weht und sommers aus Süden. In der Sprache Kisuaheli, die die Menschen an Teilen der Küste Ostafrikas sprechen, sind viele Wörter aus dem Arabischen, Persischen und Indischen entlehnt.

Derart informiert, blättert man sich ins Zentrum des Buches, zu Pressers Schwarz-Weiß-Fotografien. Sie sind penibel komponierte Dokumente einer außergewöhnlichen Symbiose zwischen den Menschen und ihren Schiffen. Die scharfen Kontraste zwischen Licht und Schatten erden die Motive, sie haben selten etwas flirrend Leichtes. Den Bildern ist die Beständigkeit dieser Lebensweise anzusehen.

Selbst in Augenblicken des Überschwangs, wenn Jugendliche mit Hechtsprüngen ins Meer eintauchen, weisen sie über den Moment hinaus, zeigen das Immerwährende. Letztlich hat Beat Presser kein Buch veröffentlicht über Dhaus, sondern über Menschen, die sie bauen und steuern, die auf und von ihnen leben. Beat Presser: Dhau. Beatus Piratus auf Sindbads Spuren. Moser Verlag, München 2011. 160 Seiten, 58 Euro.

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Quelle:
SZ vom 14.7.2011
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