Krisen im Urlaub:"Wir mussten unsere Gäste erst einmal wiederfinden"

Lesezeit: 5 min

Hurrikan 'Irma' - Florida

Ausläufer des Hurrikans "Irma" im September 2017 in Miami, Florida

(Foto: dpa)

Reiseveranstalter müssen aktiv werden, wenn Urlauber in Not geraten. Krisenmanager Mirko Jacubowski über Unfälle, Touristen unter Schock und Hurrikans, die alles durcheinanderwirbeln.

Interview von Katja Schnitzler

Ferien sollen die schönste Zeit des Jahres werden, dafür muss möglichst alles reibungslos klappen. Doch die Realität nimmt nie Urlaub, immer kann etwas dazwischenkommen. Große Reiseveranstalter beschäftigen Krisenteams, die nicht nur bei Streiks im Einsatz sind, sondern auch bei politischen Unruhen oder Naturkatastrophen für die Sicherheit ihrer Kunden sorgen sollen - und auch bei Unfällen oder Krankheit helfen. Mirko Jacubowski, Leiter des Krisenmanagements bei Thomas Cook, über mehr oder weniger dankbare Gäste und Fälle, die besonders nahegehen.

Herr Jacubowski, fühlen Sie sich als Ritter auf dem weißen Pferd für Pauschalreisende?

Mirko Jacubowski: Ich bin eher die Spinne im Netz, bei mir und bei meinem Team läuft alles zusammen. Krisenmanagement ist ein Ineinandergreifen von vielen Einheiten und Prozessen, die in ganz unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens ablaufen. Ich sorge dafür, dass alle Zahnräder ineinandergreifen.

Welche Krisen sind für Sie am schwersten zu managen?

Das ist ganz unterschiedlich. Schwierig können Krisen sein, die einem persönlich nahe gehen, weil es Tote und Verletzte gibt. Wenn ich genau weiß, da hängen jetzt auch Angehörige dran, die sich in einer psychischen Notlage befinden. Oder Schwerverletzte im Zielgebiet kämpfen um ihr Überleben. Besonders tragisch war ein Unfall in Ägypten, bei dem ein Kind ums Leben kam. Es war mit den Großeltern im Urlaub, damit die Eltern mal wieder Zeit für sich hatten. Und dann stirbt es. Wenn man selbst Familienvater mit kleinen Kindern ist, berührt einen das sehr. Das geht natürlich näher, als wenn man einen Airline-Streik managt. Aber schwierige Krisen können auch Hurrikans sein wie vor zwei Jahren "Irma" auf Kuba.

Es dauert meist eine Weile, bis so ein Wirbelsturm auf Land trifft - da könnte man sich eigentlich gut vorbereiten ...

Ja, aber nach Kuba sind die Telefon- und Internetverbindungen generell nicht so gut. Und ein Hurrikan macht sie nicht besser. Da war irgendwann die Verbindung zu unseren Kontaktpersonen gekappt, auf die wir ja angewiesen sind, um einen Lagebericht zu bekommen oder um über sie Anweisungen weiterzugeben.

Also waren die Urlauber doch auf sich gestellt?

Reiseleiter waren ja vor Ort. Und wir haben hier improvisiert und keine großen Dokumente mehr durch die Gegend geschickt, sondern SMS oder Whatsapp. Diese kleinen Datenmengen gehen durch, während es in einem gewissen Zeitraum unmöglich war, größere Dateien nach Kuba zu senden. Wir haben dann eine kaskadierende Kommunikation aufgebaut: Wir schrieben einem und der gab es dann weiter, fast wie "Stille Post". Aber was will man machen, wenn man keine großen Telefonkonferenzen organisieren kann.

Ging es zu diesem Zeitpunkt bei dem Hurrikan darum, Leute von Kuba wegzubringen oder sie in sichere Gebäude zu schaffen?

Um beides. Die kubanische Regierung hat die Evakuierung weitestgehend eigenständig durchgeführt. Es war eher hinterher das Problem: Wir mussten unsere Gäste erst einmal wiederfinden. Die Regierung hat logischerweise nicht bei uns in der Zentrale angerufen und gesagt, wir haben Euren Gast XY da und dort untergebracht. Also mussten wir uns erst einmal einen Überblick verschaffen: Wer ist wo? Das ist natürlich in einer Situation relativ schwierig, in der Zehntausende Gäste - nicht nur von Thomas Cook, sondern aus allen europäischen und amerikanischen Ländern - in Sicherheit gebracht worden waren.

Als der Hurrikan durchgezogen war, ging es darum, die Gäste rauszubringen, weil die touristische Infrastruktur nachhaltig geschädigt war. Es ist nicht damit getan, einen Flieger dorthin zu schicken, die Gäste müssen auch einsteigen. Dafür müssen die Transfers funktionieren, wir müssen wissen, wo die Gäste sind, und, und, und ... das ist ein ziemliches Kuddelmuddel. Unsere Aufgabe ist es, da Struktur reinzubringen, damit am Ende die Gäste nach Hause kommen und wir mit dem Flugzeug nicht halbleer wieder zurückfliegen.

Wie haben Sie Ihre Kunden überhaupt wiedergefunden, haben die sich selbst gemeldet?

Wir haben unmittelbar nach dem Hurrikan unsere Reiseleiter sowie ein extra aus Deutschland entsendetes Krisenteam auf Gästesuche in die Hotels geschickt. Viele Kunden haben uns aber auch per Mail, SMS oder Telefon kontaktiert. Einige Urlauber konnten wir aber wirklich erst mit einigen Tagen Verspätung erreichen, da wir ihre Handynummern nicht hatten. Sie reisten dann per Linienflug nach Deutschland.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema