Süddeutsche Zeitung

Kolumne "Ende der Reise":Männer in kurzen Hosen

Lesezeit: 2 min

Tennissocken und Sandalen: Die Urlaubsgarderobe beweist nicht immer Stilsicherheit - bei beiden Geschlechtern.

Von Stefan Fischer

Kleider machen Leute, das wusste der Schweizer Schriftsteller Gottfried Keller schon vor mehr als 150 Jahren. Er hat aus diesem Gedanken eine hübsche Novelle gemacht, in der ein Schneider für einen Grafen gehalten wird, weil er sich ungeachtet seiner Armut bestens kleidet. Was trotz einiger Kapriolen letztlich zu seinem sozialen Aufstieg führt.

Die knappe Form der Novelle ist indes zu klein bemessen, wenn man sich dem Thema "Kleidung im Urlaub" mit gebotener Ernsthaftigkeit widmen möchte. Dafür bedarf es einer mehrbändigen Kulturgeschichte. Schon der Umstieg von langen auf kurze Hosen bringt bei etlichen Männern das bisschen Stilsicherheit, über das sie verfügen, ins Wanken. Die Gründe dafür bedürften einer abwägenden Erläuterung. Zu viel für eine Novelle, zu viel erst recht für eine Zeitungskolumne.

Nur so viel: Trifft man urlaubende Männer in den Pinten von Palma, den Kafenions von Kreta oder den Trattorien von Taormina, ginge man ohnehin nicht davon aus, dass sie ihrer Arbeit als Finanzbeamter oder Fliesenleger nachgehen. Dennoch tragen sie Hemden, die einem entgegenschreien: Ich bin weder im Büro noch auf dem Bau! Blau ist hier nur das Meer, eventuell ist es auch der Tourist nach zu viel Sangria, Retsina oder Nero d'Avola. Aber auf gar keinen Fall ist es die Oberbekleidung. Für Bürohemden respektive Blaumänner ist definitiv kein Platz im Koffer, die Urlaubsgarderobe signalisiert klipp und klar und papageienbunt: Freizeit!

Gleiches tun Herrensandalen, die in den schönsten Wochen des Jahres rahmengenähte Budapester oder ebenso zu goutierende Sicherheitsschuhe mit Stahlkappe ersetzen. Modisch sind sie zweifelhaft, zumal in Kombination mit Tennissocken. Der Mensch ist offensichtlich lediglich in der Lage, eine Schicht aufzutragen. Ist dies notwendigerweise Sonnencreme, bleibt kein Platz für zivilisatorischen Firnis.

Dass hier bislang nur von Männern die Rede ist im Zusammenhang mit modischen Entgleisungen und nicht von Frauen, ist übrigens allein der Höflichkeit geschuldet. Auch über Bikinis, Strandhüte und Wickelröcke ließe sich viel schreiben, nicht immer zum Vorteil der Trägerinnen. Es geht in dieser Geschichte jedoch zum guten Schluss um einen Mann, den während seines Urlaubs die schiere Verzweiflung gepackt hat und der sich nicht anders zu helfen wusste, als sich seine Frau zum Vorbild zu nehmen.

Es wäre auch alles gut gegangen, wenn er denn die nötige Disziplin aufgebracht hätte. Der Mann wollte von der indonesischen Hauptstadt Jakarta auf die Insel Ternate reisen, wofür er einen negativen Corona-Test benötigt. Er hatte keinen, seine Frau schon. Also trat er die Reise vollverschleiert im Gewand der Gemahlin an, mitsamt deren Test. Aufgeflogen ist er, weil er sich zu früh wieder umgezogen hat. Auch diese Geschichte belegt: Vielfarbige Hemden und Sandalen sind nie eine gute Wahl.

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