Süddeutsche Zeitung

Reise-Kochbücher:Die Welt schmecken

Lesezeit: 2 min

Manche Mahlzeiten sind nicht zu trennen von den Orten, an denen sie zubereitet werden. Wenn man schon nicht hinfahren kann, lassen sie sich zumindest zu Hause nachkochen.

Von Stefan Fischer

Es spricht überhaupt nichts dagegen, sich während eines Urlaubs von Baudenkmälern und Museen beeindrucken zu lassen. Man wird danach mehr wissen über die besuchte Stadt, das bereiste Land. Wird anregende Bilder im Kopf haben.

Man kann eine Region aber auch mit dem Gaumen erkunden. Wer sich auf die Küche eines Landstrichs einlässt, auf die Köche und Wirte, Winzer und Bäcker, wird nicht nur - wie in Museen und Schlössern - etwas über Traditionen eines Ortes erfahren. Sondern auch über den Lebensstil der Bewohner.

Weil die Kulinarik bedeutender wird im Tourismus und weil zur gleichen Zeit Fragen der Herkunft und Verarbeitung von Lebensmitteln relevanter werden, treffen auf dem Buchmarkt zwei Gattungen immer häufiger aufeinander: Reise- und Kochbücher. Und etablieren ein eigenes Genre: das kulinarische Reisebuch.

Immer mehr Titel erscheinen, die Lust machen auf Streifzüge durch Lokale und Läden, die darüber hinaus Anleitungen geben zum Nachkochen. Sie sind gleichermaßen Roadtrip und Rezeptsammlung; die Mahlzeiten sind nicht zu trennen von den Orten, an denen sie zubereitet werden.

Ihr zweites Buch legen Haya Molcho und ihre Familie vor. Sie betreiben von Wien aus das kleine gastronomische Imperium Neni. Ihr erster Band war Tel Aviv gewidmet - die Küche der Stadt inspiriert sie stark. Nun folgt konsequenterweise ein ähnlich geartetes Buch über ihre Wahlheimat: "Wien bei Neni". Essen, Menschen, Geschichten verspricht der Untertitel, das ist das Konzept aller kulinarischen Reisebücher. Haya Molcho und ihre Söhne nehmen die Leser mit in ihre liebsten Gaststuben und zu Freunden, um mit ihnen übers Essen zu plaudern.

Johannes Riffelmacher und Thomas Kosikowski konzentrieren sich nach einem Lateinamerika-Buch nun in "Salt & Silver Mexiko" auf nur ein Land. Sie sind Fremde dort, wollen sich die mexikanische Küche aneignen. Wer sie begleitet, unternimmt im Kopf eine wilde Reise, macht spannende Bekanntschaften und erweitert den kulinarischen Horizont.

Um Letzteres geht es auch Meredith Erickson. Sie lebt in Montreal, ist immer wieder in die Alpen gereist. Zu ihrem ganzheitlichen Bild des Gebirges gehören neben den Bergen zwingend die Menschen, die es bewohnen, und deren Gerichte. Erickson unternimmt anstrengende Skitouren für ein Zürcher Geschnetzeltes, stellt selbst Meraner Würstl her und rät aus Erfahrung: "Esst an fast jedem Stopp ein Schnitzel. Es formt den Charakter."

Das "Alpen Kochbuch" ist auch für Menschen, die mit dem Alpenraum von Haus aus besser vertraut sind als Erickson, nicht banal. Und es tröstet darüber hinweg, dass das Gebirge gerade so weit entfernt scheint wie Montreal.

Meredith Erickson : Alpen Kochbuch. Gerichte und Geschichten von Europas Gipfeln. Aus dem Englischen von Christine Schnappinger. Prestel Verlag, München, London, New York 2020. 354 Seiten, 38 Euro.

Haya Molcho & Söhne : Wien bei Neni. Food. People. Stories. Christian Brandstätter Verlag, Wien 2020. 288 Seiten, 35 Euro.

Johannes Riffelmacher, Thomas Kosikowski : Salt & Silver Mexiko. Tacos, Tequila, Tattoos. Christian Brandstätter Verlag, Wien 2020. 288 Seiten, 35 Euro.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5141955
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.