Radtour am Untersee:Wo der Bodensee am schönsten ist

Mit Fahrrad und Schiff kommt man an einem Tag ohne Mühe von der Reichenau über Stein am Rhein wieder nach Konstanz - und auf eine Insel, die eigentlich ein Kloster ist. Die Tour in Bildern.

Von Katja Schnitzler

16 Bilder

Bodensee Radtour Fahrrad Rad Rundfahrt Tour

Quelle: Katja Schnitzler

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Die Radtour um den Untersee, den manche für den schönsten Teil des Bodensees halten, beginnt mit einem Irrtum. Am Rheinsteig in Konstanz weist ein Schild zur Insel Reichenau nach rechts, ein flüchtiger Blick genügt. Wie sich später zeigt, war der Blick zu flüchtig.

Auf dem Rhein sind kurz nach neun Uhr an einem Samstagmorgen außer einem Schiff zum Rheinfall in Schaffhausen nur Kajakfahrer unterwegs. So könnte es weitergehen: Ein flacher Weg direkt am Wasser, das Konstanzer Viertel heißt passenderweise Paradies.

Das erste Ziel der Tagestour soll die Gemüseinsel Reichenau sein, von dort wird das Schiff Rad und Fahrer bis zum anderen Ende des Untersees ins mittelalterliche Stein am Rhein bringen, wo die Rückfahrt knapp 30 Kilometer am Schweizer Ufer entlang zurück nach Konstanz führen wird.

Wer zwei Tage Zeit hat, findet hier eine alternative Tagestour - beide Strecken sind auch für ungeübte Radfahrer zu bewältigen: von Konstanz zur Insel Mainau sowie von Überlingen über die Barockkirche Birnau bis Meersburg.

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Doch kurz nach dem morgendlichen Start gen Reichenau und einem Blick in die Karte ist klar: Dies ist das falsche Rheinufer - zumindest wenn die Insel aus eigener Kraft erreicht werden soll und nicht per Fähre. Also wieder zurück Richtung Konstanzer Altstadt und über die Brücke. Ist der bislang so zuverlässigen Beschilderung des Bodensee-Radwegs also doch nicht zu trauen? Als das nächste Zeichen nach rechts weist, obwohl der Rhein geradeaus fließt, siegt die Sturheit. Man folgt dem Fluss, nicht dem Schild - Irrtum Nummer zwei.

Später klärt der Betreiber des Kultur-Rädle, dem Fahrradverleih am Bahnhof von Konstanz, auf: Der Bodenseeradweg verläuft inzwischen ruhig entlang der Zugschienen, bis man links zur Auffahrtsallee der Insel Reichenau abbiegt. Wer nicht der Beschilderung folgt und geradeaus fährt, irrt durchs laute Gewerbegebiet. Weil irgendwann Vernunft über Sturheit siegt, kehren auch Besserwisser eine halbe Stunde später ins Idyll zurück: Die Dammstraße zur Reichenau ist gesäumt von Pappeln und einem "Schilfurwald", Kinderstube für zahlreiche Wasservögel am Untersee.

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Dank des milden Klimas am Bodensee gedeiht hier nicht nur Wein, sondern auch Obst und Gemüse. Während die Mainau als "Blumeninsel" bekannt ist, gilt die Reichenau als "Gemüseinsel". In Gewächshäusern und vor allem auf weiten Feldern werden Kohl, Karotten, Salate, Gurken oder Tomaten angebaut, "von der Insel Reichenau" ist eine erfolgreiche Marke. Doch das hat ihr nicht den Unesco-Titel Weltkulturerbe eingebracht: Sie ist vor allem eine Klosterinsel. Drei romanische Kirchen aus dem 9. bis 11. Jahrhundert bewahren die Architektur aus dem frühen Mittelalter, zudem sind etwa in St. Georg monumentale ottonischen Wandmalereien erhalten - diese Kirche in Oberzell sehen Besucher zuerst. Doch vor dem sakralen Kulturgenuss, protestiert der radfahrende Körper, muss ans leibliche Wohl gedacht werden.

Gleich gegenüber von St. Georg backt der gebürtige Reichenauer Tobias Wurz Brote im Holzofen, zum Beispiel mit Tomaten und Mozarella. Gemüsepflanzen zieren auch die Tische vor dem "Laib und Seele". Da die weitere Fahrt in die teure Schweiz führen wird, lohnt sich der Stopp doppelt - hier oder in einer der Insel-Gaststätten.

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Wer das schöne Wetter nutzen will, kann sich aber auch in der nahen Gemüsehandlung für ein Picknick eindecken, auf dem Weg zum Münster in Mittelzell auf der Anhöhe haltmachen und dort mit Blick auf Weinstöcke und den Teil des Untersees essen, der Gnadensee genannt wird.

Auf der gesamten Tagestour gibt es kaum Anstiege zu bewältigen, auch untrainierte Radfahrer kommen gut voran. Und nach einem kurzen Hangstück fährt man schon wieder bergab durch die Dörfer der Reichenau, die sich mit Fachwerkhäusern schmücken.

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Am Münster St. Maria und Markus kann man seinen Picknickvorrat beim Winzerverein Reichenau vervollständigen, bevor man in der ehemaligen Klosterkirche staunt, welch hohe Bauwerke im neunten Jahrhundert schon möglich waren.

Um alle drei Kirchen der Reichenau zu besichtigen, fährt man weiter zum Westende der Insel: Dort steht in Niederzell St. Peter und Paul. Oder aber man macht sich gleich auf den Weg zum Bootssteg im Süden der Insel.

Wer nur auf der Insel selbst radfahren möchte, fährt von Konstanz aus mit dem Boot hierher und mietet erst auf der Reichenau ein Rad. Von Karfreitag bis Anfang Oktober werden zudem Kanus und Kajaks verliehen - für diejenigen, die herumpaddeln oder die Insel umrunden wollen; unter dem Damm quert ein schmaler Wasserweg.

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Am Steg der Reichenau fällt die Entscheidung über die weitere Tour: Für die Kurzversion bringt eine kleine Solarfähre Besucher schnurgerade über den Untersee zum Ort Mannenbach: Auf einer Anhöhe kann das Schloss und Napoleonmuseum Arenenberg im nahen Salenstein besichtigt werden. Hier lebte die Familie Bonaparte im Exil, der junge Napoleon III (dessen Onkel der berühmtere Napoleon I. war) wuchs mit Seeblick auf.

In der längeren Variante entscheidet man sich für einen Ausstieg an einem der Orte auf der Schweizer Seite des zweigeteilten Untersees - am schönsten aber ist es, bis Stein am Rhein (im Bild) an Bord zu bleiben, wo der See wieder zum Fluss wird. Auf der Zickzack-Fahrt von Ufer zu Ufer, von der Schweiz nach Deutschland und wieder zurück, weichen Segelboote aus, die eine Regatta fahren - und Freizeitkapitäne, die mit einem Glas Wein herüberprosten. Während an Bord der Fähre Senioren darüber fachsimpeln, wie lange die Batterien ihrer Elektroräder durchhalten, ruft eine Frau bei der Anfahrt auf Steckborn: "Wir mussten mal in der Schule eine mittelalterliche Stadt malen. Genau so hatte ich sie mir vorgestellt!"

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Die knapp eineinhalb Stunden auf dem Schiff sind eine angenehme Pause für die Beine - allerdings steigt auch der Respekt: Das ist schon eine stolze Strecke zurück nach Konstanz. Beruhigend zu wissen: Sollte die Kondition nicht reichen, legt am nächsten Ort bestimmt ein Schiff an.

Wegen Niedrigwasser ist Stein am Rhein ausnahmsweise die Endhaltestelle für alle an Bord - wer weiter dem Rhein folgen will und kein Rad hat, muss den Bus nehmen. Die Fähre wirkt gar nicht so groß, aber bis alle Gäste vom freundlichen Personal auf schweizerisch verabschiedet werden, vergehen zehn Minuten. "Die steigen doch hinten wieder ein und stellen sich nochmal an", argwöhnt eine Passagierin. Aber nicht nur das Schiff ist voller Touristen.

Vor allem auf und vor dem Rathausplatz drängen sich die Menschen: Entweder um die Fassaden der Bürgerhäuser zu studieren und zu fotografieren, oder um die Malereien im Straßencafé auf sich wirken zu lassen. Wer auf einem hellblauen Haus einen weißen Adler entdeckt, hat die ältesten Fresken vor sich: 1418 wurde der "Weis Adler" erstmals erwähnt. Doch mit den Bildnissen sollte man sich nicht begnügen, auch wenn es die meisten Touristen tun: Nach nur wenigen Schritten gibt es ein weiteres mittelalterliches Kleinod.

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Im nahen Klostermuseum St. Georgen wird es still. Im ersten, dunklen Raum ruht eine riesige Weinpresse, durch das "Rheintüreli" blickt man auf den Fluss und auf die Kirche am Ufer gegenüber: Sie ist das nächste Ziel. Denn von dort, wo einst ein römisches Kastell stand, ist der Blick auf Stein am Rhein und das Kloster am schönsten.

In dessen Hof steht ein geschmückter Oldtimer, im Garten wird Hochzeit gefeiert. In der Klosteranlage verwirklichten seit dem elften Jahrhundert diverse Äbte ihre baulichen Visionen, etwa im spätgotischen Kreuzgang und im Festsaal, den ein Freskenzyklus schmückt - hier tafelten einst Benediktinermönche. Der Gedanke macht hungrig, auch man selbst möchte sich vor der Weiterfahrt stärken, aber nicht in der überlaufenen Fußgängerzone. Im Klostermuseum weiß man einen Tipp: Am ruhigsten ist es in der Krippenwelt.

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Ein Café mitten unter Krippen? Das mutet, wenn nicht gerade Dezember ist, etwas sonderbar an. Nur wenige folgen dem Hinweis vor der "Krippenwelt", die auch ein Museum mit 600 internationalen Weihnachtskrippen beherbergt - so verpassen die meisten eine kleine Oase im Hinterhof mit einem Teich, auf dessen Rand man sitzen kann. Man trinkt seinen Kaffee im ältesten original erhaltenen Haus von Stein am Rhein: Hier gab schon im Jahr 1302 Bewohner.

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Um nun zum Aussichtspunkt an der gegenüber der Altstadt liegenden Kirche zu gelangen, darf man nicht der Beschilderung des Bodenseeradwegs folgen, sondern muss zum "Rundweg römisches Kastell". Von hier aus schaut man direkt auf die Klosteranlage mit dem "Rheintüreli". Anschließend kehrt man nicht zurück zum Rad-, sondern folgt dem Wanderweg: Nach ein paar Metern Schieben wird die Straße breiter und führt an Bootshäusern vorbei bis zu einem weiteren Kloster, wobei es "Klösterchen" besser trifft. Dessen Lage ist fast noch schöner.

Das kleine Kloster gehört - entsprechend ihrem Ruf zur Bescheidenheit - Franziskanern, die die Insel Werd mit der Öffentlichkeit teilen. Und das wortwörtlich: Die eine Hälfte ist Besuchern zugänglich, die andere den Mönchen vorbehalten. Einer von ihnen kommt in der Kutte auf dem schmalen Steg entgegen und grüßt freundlich. Unter dem Holzsteig ist das Wasser so flach, dass es an manchen Stellen türkis wirkt. Hier haben Schwäne ihr Revier, in langsamen Kreisen ziehen sie um die Insel, auf der nicht nur in der kleinen Kapelle um Stille gebeten wird: Besucher sollen zur Ruhe kommen, ob im Gebet oder einfach beim Blick auf den Untersee.

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Am Nachmittag wird es Zeit für die Rückfahrt am Schweizer Ufer des Untersees. In Eschenz kehrt man zurück auf den Bodenseeradweg, der bis Mammern entlang der Bahngleise etwas erhöht vom Ufer verläuft und so schöne Ausblicke ermöglicht. Von der anderen Seeseite verkünden Böllerschüsse das Eintreffen eines Regatta-Siegers. Das fordert zu einem persönlichen Wettrennen heraus. In aller Bescheidenheit: Das Rad gewinnt gegen die langsamen Segelboote auf dem Wasser - allerdings wollten diese offenbar gerade anlegen.

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Bis Steckborn führt der Weg in dieser Richtung häufig bergab und wenig bergauf. Die vielen Rennradler und Mountainbiker, die entgegenkommen, haben es weniger leicht - sie wirken ziemlich außer Atem, trotz der besseren Räder. Der Stolz des Leihradfahrers schwindet, als das erste Hinweisschild auftaucht: Der hechelnde Gegenverkehr nimmt am Bodensee-Rundmarathon teil und hat wohl schon ein paar Kilometer mehr hinter sich gebracht.

Unterwegs könnten diverse Versuchungen vom Weg abbringen: Warum nicht eine Pause machen in "Annis Hoflädeli", oder wie wäre es mit "Schlafen im Heu" und zum Abendessen "frische Kalbsleberli"? Ab Mammern führt der Radweg wieder am See entlang, dafür muss man sich in den Ortschaften die Straße mit Autos teilen. Nach Ortsende ist wieder ein schmaler Radweg angelegt, der manchmal zu schmal erscheint, wenn mehr als ein Mountainbiker entgegenkommt. Trotzdem bleibt Zeit für die schönen kleinen Details - etwa dass sogar Verkehrszeichen mit Blumenkästen geschmückt sind.

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Neben dem See zieht vor allem die Bebauung die Aufmerksamkeit auf sich: Sogar Bootshäuser sind architektonisch durchdacht, und an den Uferhängen sind mal mehr, mal weniger durchdesignte Häuser zu sehen - im Bild die typischsten Stilrichtungen auf einem Fleck, wobei Bungalows in allen Formaten neben den alten Villen am häufigsten zu sehen sind. Wahrscheinlich weil hier die größte Fensterfront möglich ist.

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In Mannenbach lohnt am späten Nachmittag ein Besuch beim Stammsitz der Bonapartes nicht mehr, aber ein Abstecher in die "Badi", das große Strandbad in Ermatingen. Am Kiosk gibt es zu Schweizer Preisen für sieben Euro ein Eis und eine Limonade zu kaufen. Ein Mann mit Pferdeschwanz geht gemessenen Schrittes das Ufer entlang, biegt auf den Badesteg ein, steigt ohne Halt ins Wasser, schwimmt in derselben Geschwindigkeit eine Runde und kommt ebenso gemessen wieder zurück. Nach dem Bad wird geduscht, das scheint hier Konsens zu sein. Auf der anderen Seeseite liegt die Insel Reichenau, auch die eigene Tagesrunde ist fast vollendet.

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Die letzte Station vor Konstanz ist das kleine aber umso schönere Dorf Gottlieben, in dem Udo Jürgens lebte und starb. Etwa 300 Menschen wohnen in dem Örtchen mit den pittoresken Fachwerkhäusern. Natürlich ist auch der Marktplatz neben der Schule nicht riesig, dafür steht hier "der größte Getränke-Lebensmittel-Souvenir-Eis-Laden von Gottlieben". Es ist der einzige. Auch die Rush-Hour von Gottlieben ist etwas Besonderes: Sie beschränkt sich auf Boote, die vom größeren Teil des Bodensees zurückkehren.

Nach knapp zehn Stunden kommt man wieder in der Altstadt von Konstanz an - gerade rechtzeitig, um die untergehende Sonne zu genießen. Und um rückblickend denjenigen Recht zu geben, die den Untersee für den schönsten Teil des Bodensees halten.

Fahrradtour Bodensee Untersee Reichenau

Quelle: Illustration: Yinfinity

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Informationen:

Anreise per Fernbus, Bahn oder Auto; wer selbst mit dem PKW unterwegs ist, sollte sich besonders streng an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten, vor allem in den Ortschaften wird alle paar Meter geblitzt.

Länge der beschriebenen Route (ohne Schiffstrecken): von Konstanz zur Insel Reichenau (ohne Irrfahrten) 9 Kilometer; von Stein am Rhein bis Konstanz knapp 27 Kilometer.

Schiffsfahrplan unter www.bsb.de

Fahrräder können zum Beispiel in Konstanz beim Kultur-Rädle am Bahnhof ausgeliehen werden, hier bekommt man auch Tipps für längere oder kürzere Touren.

Für unterwegs empfiehlt sich eine Fahrradtourenkarte - möglichst eine, die sich auch als App aufs Smartphone herunterladen lässt. So lassen sich kleine Irrtümer schnell wieder korrigieren. Generell ist der Bodenseeradweg aber sehr gut ausgeschildert.

Zum Einlesen ist zum Beispiel das Buch von Patrick Brauns "Der Bodensee - 101 Orte zum Verweilen und Entdecken" empfehlenswert.

© SZ.de/ihe/rus
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