Radfahren in den Yorkshire Dales:Miles und Moore

Radfahren in den Yorkshire Dales: Das ortsübliche Swaledale-Schaf begegnet dem Radfahrer an allen möglichen Stellen: auf der Weide, der Straße, am Hausdach - hier als Attrappe.

Das ortsübliche Swaledale-Schaf begegnet dem Radfahrer an allen möglichen Stellen: auf der Weide, der Straße, am Hausdach - hier als Attrappe.

(Foto: Maier-Albang)

Zwischen Schafen, Moorland und blumengeschmückten Dörfern wird die Tour de France 2014 in den englischen Yorkshire Dales eröffnet. Dass es hier nur Hügel gibt, wie die Einheimischen behaupten, ist britisches Understatement - die Gegend ist ideal für Fahrrad-Verrückte.

Von Monika Maier-Albang

Im Radgeschäft in York hatten sie einen gewarnt, nur war der Hinweis zu dezent britisch. "It's a bit hilly." Pah! Hügel? Wo mir doch Stuart Price vom Dales Bike Centre auch noch sein Super-Rennrad überlässt, das für 2700 Euro, "ganz leicht, heb mal an". Es ist tatsächlich so leicht, dass mich kurze Zeit später, auf der Strecke, jeder Windstoß von der Seite in die Fahrbahnmitte zu werfen droht, was aber nicht das Problem ist. Das Problem ist die fehlende Kraft in den Oberschenkeln. Stuart Price zieht los, bergan nicht mehr im Sattel sitzend, sondern auf den Pedalen stehend. Der Rest der Gruppe hat Mountainbikes, und die, die als letzte oben ankommt, wird mit "well done" von Price empfangen. Passt, man fühlt sich genauso: völlig durch.

Wer zu schnell fährt, fliegt aus der Kurve

Die Yorkshire Dales, sie sind ein Traum für Radfahrer, denen Steigungen nichts ausmachen, oder die es sich zumindest nicht anmerken lassen - enge, tief eingeschnittene Täler, Dales eben, in denen Flüsse fließen, nach denen die Täler dann meist auch benannt sind. Zwar reichen die Hügel nur bis auf 700 Höhenmeter, die Pass-Straßen liegen noch darunter - aber die Anstiege haben es manchmal in sich. In der Landschaft, die nicht mehr ganz so junge Seriensüchtige noch aus "Der Doktor und das liebe Vieh" kennen, liegen Dörfer, deren Bewohner um den schönsten Blumenschmuck zu konkurrieren scheinen und die mindestens eine Gastwirtschaft haben, die entweder Schwarzer Schwan heißt oder nach einem Rennpferd oder Bullen benannt ist.

Yorkshire Dales, England
(Foto: SZ-Karte)

Unten, auf saftigem Gras, weiden zwischen Trockensteinmauern schwarz-weiße Kühe und die Swaledale-Schafe, die weiß sind, aber ein Gesicht haben, das aussieht, als hätte man ihnen eine schwarze Maske zwischen die geschwungenen Hörner gezogen und dabei einen Ring um die Augen ausgelassen. Oben ist die Natur sparsamer. Hier, im Moorland, wachsen Hartgräser und Heidekraut, das im August die Landschaft lila färbt, dem Moorschneehuhn aber auch keinen Schutz mehr bieten kann, wenn ab dem Glorious Twelfth, dem 12. eben dieses Monats, die Jäger anrücken.

Der August wäre also ein spannender Monat für Besucher. Doch Stuart Price erwartet seine besonderen Gäste im Juli, am 5., und wer sie sehen möchte, dem empfiehlt er auf seiner Internetseite wärmstens, bereits am Mittwoch oder Donnerstag anzureisen, keinesfalls erst am Freitag, weil dann all die schmalen, gewundenen Straßen zu ihm nach Fremington an der Swale verstopft sein werden. Die Tour de France, die häufig außerhalb Frankreichs startet, wird in diesem Jahr in Yorkshire eröffnet, und die erste Etappe geht durch die Dales, hinauf auf drei Anhöhen - Kidstones Pass, Buttertubs Pass und Grinton Moor. Letztere liegt hinter dem Haus von Stuart und Brenda Price - und die Kurven, die zu ihr führen, sind nicht ohne. Zumindest für den Laien. Im Tour-de-France-Profil sind sie als Steigungen der vierten und dritten Kategorie vermerkt, relativ einfache Bergwertungen. Stuart warnt trotzdem: "Wer bei uns zu schnell runterfährt, den wirft es aus der Kurve." Mancherorts, vor besonders steilen Abhängen, sind sogar Hinweise auf die Straße gemalt, die zum Langsamfahren mahnen. Die Zuschauer werden sich vor seinem Haus auf die Füße treten.

Seit fünf Jahren betreiben die beiden 42-Jährigen in den Dales einen Fahrradverleih. Man muss kreativ sein im Hügelland, wo es nicht viel Arbeit gibt abseits der Bauernhöfe, wo das Leben immer schon hart war. Früher mussten die Menschen in Bleiminen schuften, die schon von den Römern genutzt worden waren. Im 17. und 18. Jahrhundert erlebten auch die Arbeiter in den Dales, dem Land der Gutsherren und Großgrundbesitzer, einen kurzen Anflug von Wohlstand. Mit Weberei ließ sich Geld verdienen, bis die Textilindustrie in die Städte zog, wo ein Heer an noch willigeren, billigeren Arbeitskräften zur Verfügung stand. Heute leben in den Dales gerade noch rund 18 000 Menschen- viel Platz für Erholungssuchende.

Ideen aus Bangkok

Im Garten der Prices schlagen nun Radler ihre Zelte auf oder sie übernachten in den einfachen Zimmern, die das Ehepaar vermietet. Brenda und Stuart haben ein gemütliches Café eingerichtet, in dem sich die Gäste mit "Bren's Brownies" stärken können oder Stuarts Kaffee genießen; auf die neue, blinkende Maschine ist er besonders stolz. In die Dales kommen die, die sich beim Radfahren gerne anstrengen - auf der Straße sind die Rennradfahrer unterwegs, auf den Pfaden und Schotterwegen des Hochmoores die Mountainbiker. Über Stunden kann man hier fahren, ohne einem Menschen zu begegnen. Es reichen die Schafe, die meist brav am Wegrand stehen, ab und an aber gerade dann kreuzen, wenn einem bergan die Puste ausgeht.

Wer es wenig anstrengend möchte, der ist in York gut aufgehoben. Denn die Stadt ist flach wie ein Pfannkuchen, und genau das, sagt Emlyn Roberts vom Reparaturladen Bike Rescue Project, mache sie so attraktiv für Radfahrer. Viele Studenten leben hier, sie kaufen bei Emlyn Roberts bevorzugt günstige, gebrauchte Fahrräder. Und wenn man Familien radeln sieht, sind die Kinder meist in grelle Warnwesten gepackt.

Informationen

Anreise: Flug nach Manchester, z.B. mit KLM von München hin und zurück ab 160 Euro, weiter mit dem Mietauto.

Übernachtung: In den Dales möglich bei Stuart und Brenda Price im Dales Bike Centre, zwei Nächte p. P. mit Frühstück ab 60 Euro, hier auch Fahrradverleih, www.dalesbikecentre.co.uk. Oder B & B in einem stilvollen alten Bauernhaus in Ampleforth, ab 50 Euro p. P. im DZ, www.carrhousefarm.co.uk.

Weitere Auskünfte: Radler-Café und Reparaturwerkstatt in York, www.yourbikeshed.co.uk, weitere Reparaturwerkstatt: www.bikerescueproject.org.uk. Rad-Stadtführungen durch York: www.scootcyclingholidays.co.uk/yorkshire; www.visitbritain.com.

Wer in den Gassen der mittelalterlichen Stadt vorankommen möchte, ist mit dem Rad klar im Vorteil. Und diese Form der Fortbewegung hat Tradition in York: Die Beschäftigten der Schokoladenfabriken kamen in den 1950er-Jahren zu Hunderten mit dem kostengünstigen Verkehrsmittel zur Arbeit. Manch einer wird wahrscheinlich auch Station gemacht haben in dem Haus am Fluss, in dem heute das Restaurant Blue Bicycle untergebracht ist; früher war dort ein - illegales - Bordell. Erkennungszeichen, dass es geöffnet hatte: das blaue Rad vor dem Laden.

Eine für britische Verhältnisse vergleichsweise "radfreundliche Stadt" nennt Roberts York: Es gibt seit neuestem sogar Orte, an denen sich Fußgänger und Radfahrer den Platz teilen sollen - wobei bei dem Shared-Space-Projekt bislang die Radfahrer unterliegen. Entlang des Flusses, der Ouse, können die Yorker auf einem eigens gekennzeichneten Radweg mit angrenzendem Fußweg fahren. Für im Linksverkehr Geübte mag das entspannend sein. Für andere ist es tückisch: Man muss auf Fußgänger achten, die den Radweg kreuzen, ohne sich umzusehen; dabei kommen einem gleichzeitig Radler auf ungewohnter Fahrspur entgegen.

Linksverkehr mit Tücken

Aber immerhin: York bemüht sich. Seit bald schon zehn Jahren versuche die Stadtverwaltung, das Zentrum Yorks möglichst autofrei zu bekommen, sagt die Unternehmerin Adele Procter - zu den Maßnahmen gehören Park-and-Ride-Stellplätze und eben die Radfreundlichkeits-Offensive mit der Beschilderung und Stadtführungen mit dem Rad. Gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Martin Harman hat Adele Procter im November vergangenen Jahres Yorks erstes Fahrrad-Café eröffnet. Im Yourbikeshed kann man Yorkshire Curd Tart, den heimischen Käsekuchen, essen und Kaffee trinken und darauf warten, dass im Raum nebenan das Rad repariert wird. Oder man lässt das Rad zu Hause und isst einfach nur den Kuchen. Die Idee haben die beiden Inhaber von einer Bangkok-Reise mitgebracht.

Es kommen viele Gäste - Einheimische, aber auch Touristen, die ihr Rad draußen ansperren oder es mit ins Café nehmen und dort in einen Radständer stellen können. "Manche, die ein teures Rad besitzen, nehmen es sogar mit in den Keller", erzählt Martin Harman; unten ist ein weiterer Gastraum. "Egal, ob man mit Hund kommt oder verdreckt von der Tour - bei uns ist jeder willkommen", sagt Adele Procter, wir haben keine strengen Regeln." Die beiden schauen sich an, sie lacht. "Da sind wir wohl nicht very britisch."

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