Promi-Ort Portofino:Hafen der 65 Farben

Bröckelnder Mörtel, grüner Rauputz, quietschgelbe Wände - Renovierungen sollen wieder den alten Fischerort ans Licht bringen. Wer nicht mitmacht, bekommt Ärger.

Stefan Ulrich

Eigentlich ist es doch unerhört, Portofino zu bekritteln. Man bemäkelt ja auch nicht die Venus von Botticelli. Zu dieser Ästhetik-Klasse aber gehört Portofino, der Adonis unter den Fischerorten. In aller Welt hängen Bilder des Dorfes, unzählige Restaurants tragen seinen Namen - und natürlich haben die Amerikaner Portofino nachgebaut.

Promi-Ort Portofino: Die Millionäre behandelten die wunderschönen Häuser von Portofino mit weitaus weniger ästhetischem Gespür als einst die Fischer.

Die Millionäre behandelten die wunderschönen Häuser von Portofino mit weitaus weniger ästhetischem Gespür als einst die Fischer.

(Foto: Foto: Gemeinde Portofino)

Zudem zieht es seit hundert Jahren Prominente aller Provenienz an die ligurische Küste, um den famosen Zwerghafen zwischen immergrünen Berghängen in seiner blauen Bucht zu bestaunen: von Guy de Maupassant bis Madonna, von Kaiser WilhelmII. bis Silvio Berlusconi.

Wer also wollte herummeckern an Portofino?

"Gewiss, wenn Sie mit dem Boot anfahren, wirkt alles herrlich", sagt Pino Milana. "Diese leuchtend bunten Farben der Fischerhäuser rund um das Hafenbecken! Aber wenn Sie die Fassaden aus der Nähe betrachten, sieht es anders aus."

Etwa 70 Prozent bräuchten einen neuen Anstrich, meint der Manager, während er an Bars, Boutiquen und den Staffeleien der Hobby-Maler vorbei den Kai entlangschlendert. Missbilligend prüft er die farbenfrohe Front aus schmalen, hohen Häusern.

"Schauen Sie hier, wie der Mörtel bröckelt; und dort, dieser bleigrüne Rauputz; oder da oben, die Keramikkacheln an der Fassade und diese quietschgelbe Wand. Das alles hat mit Portofino überhaupt nichts zu tun."

Seit Jahrzehnten bastle jeder an seinem Haus herum wie er wolle, kritisiert Milana. Oder man lasse alles vergammeln. "Dabei könnten die Eigentümer mit einer Monatsmiete ihre Fassade ordentlich renovieren." Wahrscheinlich hat er recht.

Schließlich gilt Portofino als teuerstes Pflaster Italiens. Wohnungen mit Meerblick sind nur für phantastische Summen zu haben. Schönheit hat ihren Preis. Damit alles so bleibt, soll sich der Fischerhafen nun einer Farbenkur unterziehen. "Was nicht authentisch ist, muss weg", fordert Milana.

2004 schrieb die 600-Einwohner-Gemeinde ein besonderes Projekt aus: Es galt, einen historisch genauen Farben-Plan zu erstellen. Akzo Nobel, der weltgrößte Hersteller von Farben, zog den Auftrag an Land. Dabei half dem Unternehmen, dass es schon etliche italienische Orte betreut. "Seit Jahren lassen sich die Kommunen von Farben-Firmen beraten, da sie ja selbst keine Experten sind", sagt Milana, einer der Direktoren von Akzo Nobel in Italien.

So hat sein Unternehmen Pläne für Turin, Prato oder Teile Roms erstellt. Die aufwendig ermittelten ,,passenden'' Farben wurden von den Kommunen dann gesetzlich festgelegt, damit sich die Eigentümer bei Renovierungen an die Palette halten müssen.

,,So wird verhindert, dass einer sein Haus neben dem Kolosseum knallblau anstreicht'', sagt Milana. Tatsächlich machen Farben den besonderen Reiz vieler italienischer Orte aus - ob es nun die bunten Inseln Murano und Burano sind, die weißen Dörfer Apuliens oder die feuerfarbenen Gassen Roms. Auch Portofino - der Name leitet sich vom lateinischen Portus Delphini, Delphinhafen, ab - lebt von seinen Farben. Ohne sie wäre es aller landschaftlichen Schönheit zum Trotz nie zu Weltruhm gelangt.

Montague Yeats-Brown, ein britischer Konsul in Genua, ,,entdeckte'' das Dorf 1870 und zog im Kastell über dem Hafen ein. Danach war kein Halten mehr.

Hafen der 65 Farben

Es kamen Aristokraten wie der deutsche Sektbaron Alfons von Mumm. Ihnen folgten Industrielle, Schriftsteller, Filmschauspieler. Humphrey Bogart, Sophia Loren, Clark Gable und Grace Kelly flanierten durch Portofino und machten den Platz am Hafen zur globalen Piazzetta. Und sie kommen noch heute, die Schönen und Berühmten: Ob sie nun Königin Rania von Jordanien, Robert De Niro oder Lothar Matthäus heißen - alle laben sich an Portofinos pastellenen Farben.

,,Dabei waren die Häuser ursprünglich weiß'', erzählt der Genueser Architekt Massimo Poggi, während er sich in einer Trattoria Trofie al Pesto schmecken lässt. ,,Doch im Laufe der Jahrhunderte wurden die Fischer wohlhabender und die Häuser bunter.'' Schließlich kamen Trompe-l'Œil-Malereien dazu, aufgemalte Balustraden und Fensterumrahmungen, Vögel oder Pflanzenornamente.

,,Die Fassaden spiegelten die Entwicklung des Ortes wider'', erzählt Poggi, der schon als Kind stets die Sommerferien im Haus seiner Familie in Portofino verbrachte und hier fast jeden Stein kennt. ,,Die Fischer waren oft ein Jahr auf See'', erzählt er. ,,Wenn sie zurückkamen, wollten sie ihr Haus schon von weitem erkennen.'' Daher die bunten Farben.

Aber auch der Wettstreit mit den Nachbarn habe die Fassaden im Lauf der Zeit immer prächtiger werden lassen. ,,Dabei wurde aber ein harmonisches Ortsbild bewahrt. Diese Fischer hatten Stil.''

In den vergangenen Jahrzehnten sind die Fischer verschwunden - und mit ihnen auch etwas Gespür für Ästhetik. Poggi hat nun im Auftrag von Akzo Nobel in monatelanger Arbeit die alten Farben rekonstruiert. Er wühlte in Archiven, sichtete Gemälde und Fotos, sprach mit den verbliebenen Einheimischen. Zudem arbeitete sich Poggi Schicht um Schicht zu den Originalfarben vor. Er erstellte Laboranalysen und lief bei jedem Licht und Wetter von Haus zu Haus, um mit Farbtafeln die Tönung zu bestimmen.

Heraus kamen die 65 Farben von Portofino. Es sind Gelb-, Rot- und Umbratöne, aber auch ein zartes Lindgrün und ein kräftiges Blau. Jede Farbe erhielt den Dialektnamen, unter dem sie einst die Fischer des Ortes kannten. ,,Arancio du Pipin'' heißt etwa ein nach einem Pipin benanntes Orange, ,,Ca'da barunessa'' - ,,Haus der Baronin'' - ein edles Hellbraun. Das Besondere an dieser Palette für Portofino ist: Hier wurden nicht nur allgemein Farben eines Ortes festgelegt, sondern jedem einzelnen Haus sein historischer Teint zugewiesen. Der ,,Piano del Colore'' soll nun auch als Vorbild für andere Orte in Italien dienen. Die Eigentümer in Portofino sind gehalten, die Fassaden in den festgelegten Tönen zu renovieren. Akzo Nobel stellt dafür als Sponsor fünf Jahre lang kostenlos die Farben bereit, die Kommune hilft mit Steuererleichterungen. Ziehen zu wenige Besitzer mit, so kann sie die Gemeinde zur Renovierung zwingen.

In den vergangenen Monaten wurden die ersten sechs Fassaden in alter Ästhetik wiederhergestellt. So demonstriert ein karminrotes Haus mit tiefgrünen Fensterläden und fein aufgemalten Pfauen, wie noch viel schöner alles wird, wenn Portofino zurück in die Farbenwelt seiner Vergangenheit findet. Heimkehrende Fischer werden sich freilich nicht mehr an den leuchtenden Häusern orientieren, in denen sich heute Luxus-Boutiquen und Edel-Appartements befinden. Oder doch?

Poggi deutet hinüber zum Hafenbecken. Zwischen weißen Yachten zupft ein Mann in einem Holzkahn seine Netze zurecht. Der Architekt lächelt zufrieden: ,,Mittlerweile gibt es wieder drei echte Fischer in Portofino.''

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