Preiskampf bei Airlines:Vollgestopft

Passagiere Kabine Flugzeug

Es wird immer enger in vielen Flugzeugen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Fluggesellschaften sparen an Platz und Service, damit sich der Betrieb ihrer Flugzeuge noch lohnt. Zumindest in der Economy Class wird Fliegen schon bald unangenehmer - manche Passagiere versuchen sich auf ihre eigene Art zu wehren.

Von Jens Flottau

Die Fluggesellschaft Emirates gilt als sehr servicebewusst. Sie bietet ihren Kunden opulente und ziemlich bequeme Sitze an Bord. Gerade erst hat sie angekündigt, dass bald alle Passagiere an Bord kostenlos im Internet surfen können, sobald die Technik das zulässt. Bis zuletzt hat Emirates allerdings auch in einem Projekt geprüft, ob und wie nicht doch noch ein paar extra Sitze in die Economy Class des Airbus A380 unterzubringen wären.

Wenn schon Emirates darüber nachdenkt, den Passagieren ein wenig Platz zu klauen, dann muss die Lage ernst sein. Und in der Tat haben die meisten großen Fluggesellschaften zumindest in Europa und den USA Ähnliches beschlossen und - zum Leidwesen der Passagiere - vieles davon auch bereits umgesetzt. Viele Airlines stellen die Sitzreihen an Bord enger aneinander als noch vor ein paar Jahren und schaffen es dadurch, mehr Reisende in ihren Maschinen unterzubringen. Gerade erst hat die amerikanische Fluggesellschaft Jetblue für einen Schock bei ihren Fans - die gibt es wirklich - gesorgt. Seit dem Start im Jahr 2000 galt Jetblue praktisch als die einzige Airline in den USA, die auf Inlandsflügen guten Service bot. Dazu gehörte auch, dass der Sitzabstand deutlich generöser war als bei der Konkurrenz. Doch das will Jetblue nun teilweise zurücknehmen: Die Airbus A320-Jets werden künftig mit 165 Sitzen ausgestattet, bisher waren es nur 150.

Damit liegt Jetblue immer noch besser als andere. Generell galt früher ein Abstand von 31 Inches (78 Zentimeter) zwischen den Sitzen als Standard. Doch viele Airlines, vor allem Charter- und Billiganbieter, sind mittlerweile bei 28 Inches (71 Zentimeter) angekommen. Den Trend ausgelöst haben ökonomische Zwänge und technischer Fortschritt bei den Sitzherstellern. Ausbaden müssen es die Passagiere.

Am Anfang standen die Billigfluggesellschaften. Sie schafften es unter anderem deswegen, mit ihren günstigen Tickets noch Geld zu verdienen, weil sie mehr Sitze in ihre Flugzeugen einbauten. Easyjet forderte von Airbus sogar einst, zwei zusätzliche Notausgänge an Bord des Airbus A319 einzubauen, damit bis zu 156 Passagiere mitfliegen dürfen.

Geringste Kosten pro Passagier

Ein Lufthansa-Airbus A320 flog einst mit deutlich weniger als 150 Sitzen durch Europa, bei Easyjet sind es 180. Airbus hat gemeinsam mit den europäischen Flugsicherheitsbehörden die Zulassung auf 189 Sitze erhöht. Die größere A321, die bislang die meisten Airlines mit weniger als 200 Sitzen einsetzen, darf künftig bis zu 240 Passagiere befördern. Die ersten, die die größere Kapazität nutzen, werden wieder die Billig-Airlines sein. Denn deren Geschäftsmodell basiert auf den niedrigstmöglichen "Stückkosten". Wer also die meisten Sitze verkauft, kommt pro Passagier auf die niedrigsten Kosten, denn für die Airlines ändert sich durch die höhere Kapazität auf der Kostenseite wenig. Angesichts des Massenexodus der eigenen Kunden hin zu den Anbietern der günstigen Tickets können es sich Branchengrößen wie Lufthansa nicht leisten, untätig zu sein.

Für die technischen Voraussetzungen haben Sitzhersteller wie Recaro Aircraft Seating aus Schwäbisch Hall gesorgt. Sie haben Sitze mit deutlich dünneren Rückenlehnen entwickelt, die es den Airlines erlauben, sie mit geringerem Abstand zur nächsten Reihe einzubauen. Die Industrie argumentiert, dass der sogenannte Living Space für den Passagier im Kniebereich gar nicht kleiner werde, weil einfach nur die einst massiven Komponenten des Sitzes weniger Platz einnehmen. Manchmal gewinnen daher die Gäste bei der Beinfreiheit.

Nur die halbe Wahrheit

Das ist allerdings höchstens die halbe Wahrheit. Denn der Abstand zum oberen Teil der Rückenlehne und damit auch zum Vordermann ist gesunken. Das wird vor allem dann unangenehm, wenn dieser die Rückenlehne nach hinten fährt, um sich selbst ein bisschen mehr Platz zu verschaffen. Den Bildschirm des eigenen Laptops auszuklappen, um ein wenig zu arbeiten, ist angesichts der Platzverhältnisse an Bord nun oft unmöglich.

Wo einfach nur die alten Sitze enger gestellt werden, sorgt der Platzmangel mittlerweile oft für handfesten Ärger. In den USA landete zuletzt eine Maschine von United Airlines außerplanmäßig, weil sich zwei Passagiere in die Haare bekamen: Ein Mann hatte am Vordersitz einen sogenannten Knee Defender angebracht, eine Klammer, die verhindert, dass der Sitz zurückgeklappt werden kann. Die vor ihm sitzende Passagierin fand das wenig lustig und kippte ihm ein Glas Wasser über den Kopf. Der Knee Defender ist bei praktisch allen US-Airlines verboten, weil die Möglichkeit, den eigenen Sitz zurückzuklappen, quasi im Flugpreis inbegriffen ist und andere Passagiere dies nicht einfach eigenhändig verhindern dürfen. Trotzdem freut sich der Knee Defender-Hersteller darüber, dass die Nachfrage nach den Plastikklammern drastisch gestiegen ist, seit US-Medien über den Vorfall berichtet haben.

Dass nun viel mehr Passagiere an Bord sollen als ursprünglich vorgesehen, hat nicht nur bei den Sitzen, sondern auch an anderen Stellen des Flugzeuges Folgen. Oft bauen die Airlines einen Teil der Bordküchen aus oder kleinere ein. Da sie auf Kurzstrecken sowieso auch beim Service sparen, spricht vieles dafür: Sie räumen Platz frei für zusätzliche Sitze, sie sparen Gewicht und Treibstoff. Airbus hat den gesamten hinteren Teil der A320-Kabine neu konzipiert, mit einer Mini-Küche und zwei Toiletten direkt vor dem hinteren Druckschott. Um das zusätzliche Gepäck der vielen Reisenden irgendwie unterbringen zu können, müssen noch extra größere, bewegliche Gepäckablagefächer eingebaut werden, die man nach unten ziehen kann, die beim Schließen aber weiter nach oben in die Decke gedrückt werden. Auch Boeing arbeitet für nächste Generation der 737 an einem neuen Konzept für das Interieur, durch das mehr Sitze in das Flugzeug passen werden.

Noch sind die enger bestuhlten Flugzeugkabinen der großen internationalen Fluggesellschaften vor allem auf Kurzstrecken zu finden, doch es deutet sich schon an, dass sich die Zeiten auch auf den Langstrecken bald wieder ändern werden, zumindest in der Economy Class. Wieder einmal sind es die Billigfluggesellschaften, die auch diesen Trend auslösen.

Air Asia und Jetstar in Asien versuchen bereits, das Geschäftsmodell von den Kurz- auf die Langstrecken auszudehnen. Zur Gruppe der Pioniere gehört auch Norwegian, die mittlerweile nicht mehr nur von Oslo, Kopenhagen und Stockholm Langstreckenflüge in die USA anbietet, sondern auch von London und bald anderen europäischen Standorten.

300 Plätze in ein 200-Sitze-Flugzeug

Und weil darüber hinaus Emirates, Etihad and Qatar als neue Konkurrenten auf der Langstrecke die durchschnittlichen Preise drücken, sehen sich die Etablierten nun ihrerseits gezwungen, zu reagieren. Am weitesten will die Lufthansa gehen. Sie will Ende kommenden Jahres einen neuen Billigableger für Langstrecken starten. Die Airline will Maschinen des Typs Airbus A330-200 einsetzen, den klassische Fluggesellschaften mit gut 200 Sitzen ausrüsten, wenn eine gute Business oder sogar eine First Class dabei ist. Lufthansa will die Jets, die unter einer anderen Marke fliegen werden, mit rund 300 Sitzen ausstatten.

Für die europäischen Airlines ist dabei besonders unangenehm, dass ausgerechnet diejenigen Konkurrenten, die ihnen mit ihren günstigen Preisen und riesigen zusätzlichen Kapazitäten das Leben so schwer machen, auch noch die besten Produkte haben. So stellt Etihad Airways in der kommenden Woche die Kabine ihres ersten Airbus A380 vor. Die First Class, die Etihad schon vor Monaten in einem Modell am Boden präsentiert hat, sucht ihresgleichen und heißt, nur wenig übertrieben, Appartment. Doch wem das nicht genug ist, der kann auch die Residence buchen. Dafür nutzt Etihad den Raum im Oberdeck des Riesen-Airbus vorne neben der Treppe, der anderweitig nicht sinnvoll zu verwenden ist. Ganz vorne schräg oberhalb des Cockpits ist ein kleines Schlafzimmer mit (schmalem) Doppelbett untergebracht, dahinter ein Badezimmer mit Dusche und eine Art Wohnzimmer mit Couch und Sessel. Qatar Airways und Emirates sind zwar beim Luxus nicht ganz so weit gegangen, aber immerhin bietet Emirates seinen First Class-Gästen eine Dusche an, beide haben auch eine Bar eingebaut, die bei den Passagieren äußerst beliebt ist. Doch nicht jede Airline nutzt den Raum, den die A380 bietet, gleichermaßen. Emirates-Chef Tim Clark lästert, die Kabinen mancher europäischer Betreiber ließen vermuten, sie hätten die A380 mit einer DC-10 verwechselt - ein Langstreckenjet aus den 70er-Jahren.

Emirates übrigens hat sich am Ende doch entschieden, es bei zehn Sitzen pro Reihe in der A380-Economy Class zu belassen. Das Management hatte Sorge, dass die Kunden enttäuscht sein könnten, wo sie doch bei Emirates nur das Beste erwarten.

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