150 Jahre Postkarte:"Der deutsche Student trinkt Bier und zerrt seinen Hund umher"

Was hätten berühmte Leute von Goethe bis Mark Twain auf ihre Postkarte geschrieben - zum Beispiel aus Heidelberg?

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Quelle: Hartmut Pöstges

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Eigentlich ist fast egal, was auf der Postkarte aus dem Urlaub steht - Hauptsache, sie kommt überhaupt an und vermittelt so die wichtigste Botschaft "Ich habe an Dich gedacht (sogar auf Reisen)". Der Text wird da zur Nebensache, Geheimnisse schreibt sowieso niemand auf die unverhüllte Karte, die womöglich Nachbarn und andere Neugierige ebenfalls lesen. Während der Strandurlauber aber einst von der Adria schrieb, "das Wetter ist gut, der Strand sauber und das Meer einfach wunderbar", schickt er heute noch öfter ein Smartphone-Foto mit derselben Botschaft oder teilt es ohne Adressat in sozialen Medien. Doch das erfreut weit weniger als der Anblick einer bunten Postkarte zwischen Reklame und Rechnungen. Dies ist wohl der Grund, weshalb noch immer jeder Zweite zumindest vorhat, in diesem Jahr eine Postkarte oder gar einen Brief im Urlaub zu schreiben.

Vor 150 Jahren wurden die ersten Postkarten in Europa versandt, damals noch ganz ohne Bild. Später war die eine Seite der Adresse vorbehalten, auf der anderen schrieb man die Nachricht um das Motiv herum; bis jemand auf die schlaue Idee kam, die Adresse vom Textteil mit einem Strich zu trennen und so die andere Kartenseite für das Motiv freizuräumen. Am 30. Juli ist übrigens Weltpostkartentag und am 1. Oktober 1869 wurde erstmals in Österreich-Ungarn eine "Correspondenzkarte" versandt - zwei kleine Erinnerungen für all diejenigen, die heute noch nichts Handgeschriebenes verschickt haben.

Der Text darauf müsste gar nicht so belanglos ausfallen: Auch auf den wenigen Zeilen wäre genug Platz für Erhellendes über den Urlaubsort. Was also hätten Dichter, Denker und Reisepionierinnen auf ihre Postkarten geschrieben? Wir haben nach Zitaten gesucht und sie mit Motiven kombiniert, wie sie in Kartenständern weltweit noch immer zu finden sind. (Eine Warnung an unsere kitschempfindlichen Leser: Die farbintensiven Motive könnten Schaudern und Gänsehaut auslösen).

Im Bild: Postkarte um 1900, damals wurde noch auf der Motivseite geschrieben

surfing wave wellenreiten welle strand meer beach

Quelle: André Hugo/Unsplash

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"Genau das ist es: Ein königlicher Sport für die von der Natur bestimmten Könige der Erde."

Jack London (US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist, 1876-1916) entdeckte auf Hawaii, Waikiki Beach, seine Leidenschaft fürs Surfen. Aus: "The Cruise of the Snark", 1913

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Quelle: dk-fotowelt - Fotolia

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"Man schlägt immer Seitenwege und Fußsteige ein, und glaubt dadurch näher zum Ziele zu gelangen. Wie im Leben überhaupt, geht's uns auch auf dem Harze."

Heinrich Heine (deutscher Dichter, Schriftsteller und Journalist, 1797-1856), "Reisebilder", darin: Die Harzreise, 1826

Im Bild: Blick auf das Schloss Wernigerode im Harz

Heidelberger Schloss Neckar Altstadt  Heidelberg

Quelle: eyetronic - stock.adobe.com

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Über Heidelberg: "Der deutsche Student besucht nur diejenigen Vorlesungen, die seinem erwählten Fachgebiet entsprechen, und den Rest des Tages hindurch trinkt er sein Bier, zerrt seinen Hund umher und lässt es sich allgemein gut gehen."

Und über das hessische Hirschhorn am Neckar: "Es war ein Viertel, das mit verwachsenen, schielenden, verwahrlosten und ungekämmten Idioten wohl versehen war."

Mark Twain (US-amerikanischer Schriftsteller, 1835-1910), gewohnt pointiert in "A Tramp Abroad" ("Bummel durch Europa"), 1880

Postkarte Postkarten Victoria Memorial Kalkutta Kolkata Indien India

Quelle: Martin Jernberg/Unsplash

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"Wer einmal nicht nur mit den Augen, sondern mit der Seele in Indien gewesen ist, dem bleibt es ein Heimwehland."

Hermann Hesse (deutsch-schweizerischer Schriftsteller, Dichter und Maler, 1877-1962) reiste 1911 durch Indien, 1922 erschien sein Roman "Siddhartha".

Im Bild: Victoria Memorial in Kalkutta

Rom engelsburg tiber Postkarte Postkarten

Quelle: William West/Unsplash

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"Ich kann sagen, daß ich nur in Rom empfunden habe, was eigentlich ein Mensch sei. Zu dieser Höhe, zu diesem Glück der Empfindung bin ich später nie wieder gekommen. Ich bin, mit meinem Zustande in Rom verglichen, eigentlich nachher nie wieder froh geworden."

Aber auch: "Wer in Rom bleiben und sich ansiedeln will, muß heiraten und katholisch werden, sonst hält er es nicht aus und hat eine schlechte Existenz."

Johann Wolfgang von Goethe (deutscher Dichter u.v.m., 1749-1832), über sein Glück und Katholizismus in Rom sprach er in den Jahren 1828 und 1829 mit Johann Peter Eckermann

Rasender Roland im Rapsfeld

Quelle: dpa

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"Du schaust zum Fenster hinaus und entdeckst, daß du einherjagst wie mit galoppierenden Pferden, noch schneller geht es, du scheinst zu fliegen, und doch ist hier kein Schütteln, kein Luftdruck, nichts von dem, was du befürchtet hast."

Hans Christian Andersen (dänischer Dichter und Schriftsteller, 1805-1875) über seine erste Fahrt mit der Eisenbahn im Jahr 1840

Im Bild: nicht der Zug, den Andersen nahm, sondern der "Rasende Roland" auf der Insel Rügen, der es auf immerhin 30 km/h Spitzengeschwindigkeit bringt

Postkarte Postkarten London Big Ben Houses of Parliament England Great Britain

Quelle: Ming Jun Tan/Unsplash

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"Wer spät zu Bette geht, steht spät auf, das ist in der Regel; daher hat die goldene Morgensonne nirgends weniger Verehrer als in London, wo doch sonst das Gold nicht zu gering geachtet wird."

Schriftstellerin Johanna Schopenhauer (deutsche Schriftstellerin, 1766-1838, Mutter des Philosophen Arthur Schopenhauer), in ihrem Buch "Reise durch England und Schottland". Im Jahr 1803 war sie auf der britischen Insel unterwegs.

Im Bild: Glockenturm mit Big Ben im goldenen Morgenlicht

Roque Cinchado, Teneriffa

Quelle: daliu - Fotolia

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"Kein Ort der Welt scheint mir geeigneter, die Schwermut zu bannen und einem schmerzlich ergriffenen Gemüte den Frieden wieder zu geben, als Teneriffa und Madeira. Und solches bewirken nicht allein die herrliche Lage und die reine Luft, sondern vor allem das Nichtvorhandensein der Sklaverei, deren Anblick einen in beiden Indien (Ostindien und Südamerika) so tief empört, wie überall, wohin europäische Kolonisten ihre sogenannte Aufklärung und ihre Industrie getragen haben."

Alexander von Humboldt (deutscher Naturforscher, 1769-1859), "Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents", Band 1, Stuttgart 1859

Im Bild: Teide und Roque Cinchado auf Teneriffa, Spanien

Postkarte Postkarten Stonehenge England

Quelle: K. Mitch Hodge/Unsplash

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"Kein Wunder ist es, daß dieses Monument vom Volke dämonischen Kräften zugeschrieben wird, denn kaum würde, selbst in unsern Zeiten, mit allen Hülfsmitteln der Mechanik ein solches Werk zum zweitenmal zustande zu bringen sein."

Hermann von Pückler-Muskau, (Graf und Weltreisender, 1785-1871), nach einem Besuch der geheimnisvollen englischen Kultstätte in Stonehenge im Jahr 1828

Postkarte Postkarten Paris Pont Alexandre III. Brücke Frankreich France

Quelle: Leonard Cotte/Unsplash

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"Die vornehme Welt lebt in unerhörtem Glanz dahin. Doch ist wohl alles oberflächlich, es glitzert, mehr ist nicht da. In den Theatern sitzen sie ohne eine Ahnung von Kunst, das Beste entgeht ihnen, das weniger Gute applaudieren sie, ohne eine Ahnung zu haben, daß sie sich damit verraten."

Paul Klee (deutscher Maler und Grafiker, 1879-1940) in einem Brief aus Paris im Jahr 1905

Im Bild: Auch der Pont Alexandre III. über die Seine glitzert in abendlicher Beleuchtung.

Tunesien

Quelle: Gabriella Grassia/Unsplash

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"Der trockene Sand ist ein äußerst unangenehmer Anblick für das Auge und der Schattenmangel macht im Verein mit der natürlichen Hitze des Klimas den Aufenthalt schier unerträglich. Ich habe viel Mühe, mich daran zu gewöhnen."

Lady Mary Montagu (englische Schriftstellerin und Lyrikerin, 1689-1762), über Tunis, "Briefe aus dem Orient". Als mysteriös, gar barbarisch galt das Osmanische Reich im 18. Jahrhundert in England. Reisepionierin Mary Montagu wagte sich hin - und gönnte sich den Luxus einer eigenen Meinung.

Palma de Mallorca Kathedrale cathedral

Quelle: Anqi Lu/Unsplash

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"Wir hätten stehenden Fußes nach Barcelona umkehren sollen" und "in einer Gegend, die so nah bei den großen Zivilisationen Europas liegt, hätten wir kaum damit gerechnet, nicht eine einzige Herberge zu finden", schrieb George Sand über ihre Ankunft in Palma im November 1838. Die Zahl der Unterkünfte ist inzwischen gestiegen.

George Sand (französische Schriftstellerin, 1804-1876), "Ein Winter auf Mallorca"

Im Bild: Kathedrale der Heiligen Maria, genannt "La Seu" (der Bischofssitz), in Palma de Mallorca

Postkarte Postkarten Tempel Abu Simbel Ramses Ägypten Egypt

Quelle: Cecioka [<a href="https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0" data-pagetype="EXTERNAL" data-id="">CC BY-SA 4.0</a>], <a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Abu_Simbel_14.jpg" data-pagetype="EXTERNAL" data-id="">via Wikimedia Commons</a>

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"Ramses' Appetit auf Kaffee war unersättlich. Ich weiß nicht, wie viel pro Tag er aufnahm. Unser Koch stand fassungslos vor den Anforderungen an seine Vorräte. Noch nie hatte er einen Gast bewirten müssen, dessen Mund mehr als einen Meter in der Breite maß."

Amelia Edwards (englische Dichterin, Reiseschriftstellerin und Hobby-Archäologin, 1831-1892), über "Renovierungsarbeiten" am Ramses-Tempel in Abu Simbel im Jahr 1874. Mit Hilfe von Kaffee sollten weiße Flecken getilgt werden, die durch frühere, ähnlich unprofessionelle Restaurierungen entstanden waren.

Hannover Neues Rathaus new Townhall

Quelle: Marcel Tantuc/Unsplash

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"Hannover macht einen vornehmen Eindruck, aber doch sonderbar; in mancher Beziehung wie München: groß, weit, leer, forcirte Gothik (die mir doch nicht recht scheinen will) überhaupt etwas 'rauf Gepufftes, wie jemand der sich über seine Kräfte anstrengt und dem die Puste ausgeht."

Theodor Fontane (deutscher Schriftsteller, 1819-1898), "Der Ehebriefwechsel" 1873-1898, Brief aus Hannover

Im Bild: das Neue Rathaus in Hannover, seit 1913 fertig und im eklektizistischem Stil erbaut

Postkarte Postkarten Kurische Nehrung Nidden Nida Litauen

Quelle: Zairon [<a href="https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0" data-pagetype="EXTERNAL" data-id="">CC BY-SA 4.0</a>], <a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kurische_Nehrung_Parnidden-D%C3%BCne_16.JPG" data-pagetype="EXTERNAL" data-id="">via Wikimedia Commons</a>

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"Alles ist weglos, nur Sand, Sand und Himmel."

Thomas Mann (deutscher Schriftsteller, 1875-1955) über die Kurische Nehrung, damals Ostpreußen, heute Litauen. Er ließ sich dort ein Ferienhaus bauen, in dem er die Sommer von 1930 bis 1932 verbrachte.

© SZ.de/kaeb/edi/dd
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