Pop-up-Restaurants in San Francisco:Heimwehküche

San Francisco Pop-ups

Das Curry Up Now war vorher ein Imbisslaster, an dem es indisches Essen in mexikanischen Burritos gab. Heute hat es drei feste Standorte.

(Foto: Chaney Kwak)

Steht in San Francisco ein Raum leer, dann zieht ein Pop-up-Restaurant ein. Im Geschäft, in einer Kneipe oder in einem Wohnzimmer. Die Inhaber kochen oft wie zu Hause. Manche werden sogar reich.

Von Chaney Kwak

Nach dem Studium der Architektur an der Berkeley-University in Kalifornien fand sich Evan Bloom am Schreibtisch wieder. Und das war nicht das Leben, das er sich erträumt hatte. Die Sehnsucht, aus dem Büroalltag auszubrechen, wurde immer größer. Damals fing er an, in seiner kleinen Küche Pastrami herzustellen, gepökeltes und gekochtes Rindfleisch. Seine Freunde waren begeistert, die Geschäftsidee war geboren: Es sei an der Zeit, so befanden Evan Bloom und sein Studienkollege Leo Beckerman, dass San Francisco endlich ein anständiges jüdisches Deli bekommt - ein Restaurant, in dem Familien am Wochenende zusammenfinden.

Also warfen beide ihre Karrieren hin und verbrachten die nächsten Monate damit zu perfektionieren, was jedes respektable jüdische Deli benötigt: Pastrami und Roggenbrot.

Die Delis waren einst Institutionen der Nostalgie und des Heimwehs. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es allein in New York mehrere Tausend jüdische Delis. Die Delis - abgeleitet vom deutschen Wort Delikatessen - waren Orte, an denen Einwanderer traditionelle Kost anboten. Das sollte nicht nur den Magen füllen, sondern auch die Sehnsucht der vertriebenen Juden nach ihrer alten Heimat stillen. So erscheint es auch passend, dass Blooms und Beckermans "Wise Sons Jewish Delicatessen" zunächst als Pop-up-Restaurant eröffnet wurde - auch ein Pop-up ist immer unterwegs, unstet, auf seine Art heimatlos.

Man findet solche Pop-ups in San Francisco zuhauf. Sie machen dort auf, wo es vorübergehend Raum gibt: in leer stehenden Geschäften, Kneipen, Wohnzimmern. Manchmal sogar in anderen Restaurants außerhalb deren Betriebszeiten. Mehr als 400 Imbisswagen und Pop-ups, wie es das "Wise Sons" einst war, gibt es in San Francisco. Die jungen, gut betuchten Einwohner lieben es, essen zu gehen. Und Menschen mit Unternehmergeist gibt es viele in der Stadt mit ihrer für die Westküste typischen "Can-do"-Mentalität.

Amateurhaft? Günstig!

"Ich wollte eigentlich nie ein Pop-up", sagt Evan Bloom. "Ich kenne eine Menge Leute, die zu Hause gekocht und dann die Gerichte in Pop-ups verkauft haben. Das erschien alles amateurhaft." Aber Bloom und Beckerman war auch klar, dass sie es sich nicht leisten konnten, ein echtes Restaurant zu eröffnen. Deshalb entschlossen sie sich im Januar 2010, in der Innenstadt ein kleines Café für einen einmaligen Betrag von 150 Dollar anzumieten.

San Francisco Pop-ups

Die ehemaligen Pop-ups Wise Sons Deli und ...

(Foto: Chaney Kwak)

Und sie nahmen bei "Off the Grid" teil, einem kulinarischen Event in San Francisco, bei dem Dutzende Imbisswagen wie eine Karawane durch die Stadt ziehen, um ihre Lebensmittel anzubieten. Der erste Versuch scheiterte. "Wir sind so vorgeführt worden", sagt Bloom. "Wir hatten bis dahin ja noch nie wirklich professionell gekocht." Aber sie gaben nicht auf. Keine vier Wochen nachdem sie ihr Pop-up-Restaurant eröffnet hatten, standen die Kunden bereits Schlange, um Pastrami zu kaufen, Bagels, Matzeknödel-Suppe oder Nudel Kugel, den wahlweise süßen oder herzhaften Auflauf - ein traditionelles Sabbat-Gericht. Bloom und Beckerman konnten die Bestellungen gar nicht so schnell aufnehmen, wie sie hereinkamen. Sie hatten kein Personal, nur Freunde, die halfen - ohne Bezahlung. Eine harte Zeit, die beide zwang, schnell zu lernen. Seit Februar 2012 haben sie nun einen festen Standort im Mission District, dem Kreuzberg San Franciscos. Die Wände zieren Fotos, auf denen die Vorfahren der Besitzer zu sehen sind - es soll ja heimelig bleiben.

Pop-up, das klingt nach Abenteuer und Goldrausch-Gründerzeit. Aber ist das Modell für die Unternehmer wirklich so toll? "Ich vermute, dass die meisten Pop-up-Besitzer einen dauerhaften Standort bevorzugen würden, anstatt ständig die Location wechseln zu müssen", sagt Richard Park, ein groß gewachsener Mann, der mit Tätowierungen übersät ist. Aber ein Pop-up lässt sich eben auch verwirklichen, wenn man nicht viel Geld hat. Er und seine Frau Pam Schafer eröffneten ihr erstes Restaurant, CatHead's BBQ, im vergangenen Januar. Obwohl sie schon vierzig Stunden in der Woche in ihren Jobs arbeiteten, verbrachten beide ihre Freizeit damit, neue Rezepte auszuprobieren. "Es war eine gute Gelegenheit, den Markt zu testen", sagt Park. "San Francisco ist ein kulinarisch schwieriges Pflaster. Die Leute hier können sehr pingelig sein."

Obwohl sie sich zunächst auf Barbecue-Spezialitäten konzentrierten, erkannten sie, dass es für ihr Restaurant überlebenswichtig sein würde, auch vegane Gerichte im Angebot zu haben. Jetzt bekommen Kunden bei ihnen einen Maismehlkrusten-Tofu oder in Whiskey marinierte Portabella-Champignons. "Wir wollen gute Hausmannskost anbieten", sagt Schafer. "Aber wie jedes andere Restaurant auch müssen wir unseren Kunden zeigen, dass wir mit frischen, regionalen Zutaten und zudem nachhaltig arbeiten."

Pam Schafer, deren Vorfahren vor mehr als fünf Generationen aus dem Schwarzwald nach Amerika kamen, orientiert sich in ihrer Küche an traditionellen Familienrezepten. Den deutschen Kartoffelsalat etwa bereitet sie mit lokalen Biokartoffeln und Löwenzahn zu. Park legt ebenfalls Wert auf Tradition. Er grillt das Fleisch so, wie er es von zu Hause in Tennessee kennt: süß mariniert das Rindfleisch, in Senf eingelegt das Schweinefleisch.

Crème brûlée vom Handkarren

San Francisco Pop-ups

... Biscuit Bender haben mit Pastrami-Sandwiches und Kuchen-Kreationen Erfolg.

(Foto: Chaney Kwak)

Sehr beliebt ist in der Stadt auch das japanische Ramen-Restaurant Ken Ken, das ebenfalls im Mission District liegt. Früher war auch Ken Ken ein Pop-up. Die Umwandlung, sagt der Besitzer Takahiro Hori, sei ihm nicht leicht gefallen. Ein Pop-up bietet den Vorteil, dass alles überschaubar bleibt: Die Anzahl der Gerichte ist begrenzt, der Besitzer hat maximal ein oder zwei Mitarbeiter, geworben wird über Mundpropaganda und im Internet.

Werden Pop-ups jedoch dauerhaft, verwandeln sie sich in eine andere Art von Unternehmen. "Man muss Kontrolle abgeben", sagt Takahiro Hori. Alles wird größer, unübersichtlicher. Aber natürlich lässt sich so auch mehr verdienen.

Es gibt einige fast märchenhaft klingende Erfolgsgeschichten in der Stadt, die von Hoffnung und Optimismus lebt: Curtis Kimball etwa begann seine Karriere damit, Crème brûlée zu verkaufen; von einem Handkarren aus, den er quer durch die Stadt schob. Mittlerweile betreibt er einen Kiosk in der Innenstadt. Biscuit Bender verkauften hausgemachte Biskuits zunächst bei Underground-Food-Märkten; seit kurzem haben sie einen festen Platz im Fährhafenterminal der Stadt bezogen. Das "Curry Up Now", in dem man indisches Essen in mexikanischen Burritos bekommt, war anfangs ein umherfahrender Imbiss-Laster. Heute gibt es drei feste Standorte und der Eigentümer, Akash Kapoor, will das Ganze zu einem Franchise-Unternehmen mit 250 Filialen ausbauen. Und dann ist da noch das Saison in der Townsend Street. Auch dieses Restaurant begann als Pop-up, war nur an Sonntagen geöffnet. Heute hat es zwei Michelin-Sterne und gehört zu den teuersten Lokalen der Stadt.

Restaurants:

Wise Sons Jewish Delicatessen, 3150 24th Street, www.wisesonsdeli.com

CatHead's BBQ, 1665 Folsom Street, www.catheadsbbq.com

Ken Ken Ramen, 3378 18th Street, www.eatkenkenramen.com

The Crème Brûlée Cart, 1246 Folsom Street, www.thecremebruleecart.com

Curry Up Now, 659 Valencia Street, www.curryupnow.com

Saison, 178 Townsend Street, www.saisonsf.com;

Off the Grid (Imbisswagen-Treff) www.offthegridsf.com

Streat Food Park (Imbisswagen Parkplatz mit Biergarten) www.somastreatfoodpark.com

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