Polen:Schindlers Museum

Die ehemalige Fabrik von Oskar Schindler, der im 2. Weltkrieg 1200 Juden das Leben rettete, liegt in einem unsicheren Viertel von Krakau - umringt von Müll und Bierdosen. Nun soll der Ort zu einer Touristenattraktion werden.

Die Lipowa Straße im Krakauer Stadtteil Zablocie steht üblicherweise nicht auf dem Besichtigungsplan von Touristen.

Oskar Schindler; dpa

Oskar Schindler: vom Kriegsgewinnler zum Menschenretter.

(Foto: Foto: dpa)

Die Gegend ist nicht gerade einladend und nicht allzu sicher. Verfallende Industriegebäude, ein Netz von Bahngleisen, heruntergekommene Wohnhäuser. Die wenigen Menschen auf der Straße sind überwiegend Betrunkene oder wenig Vertrauen erweckende tätowierte Gestalten in Trainingsanzügen.

Dennoch: Hier soll bis zum Herbst eine neue Touristenattraktion entstehen. Denn in der Lipowa Straße ist die "Emalia" zu finden, die ehemalige Fabrik Oskar Schindlers.

Seit Steven Spielberg zum Teil an Originalschauplätzen "Schindlers Liste" drehte, ist der deutsche Fabrikant, der 1200 Juden das Leben rettete, weltweit bekannt.

Suche nach dem Drehort

Seit den 90er Jahren strömen Touristen in das alte jüdische Viertel Kazimierz, auf der Suche nach den Drehorten des Films, findige Reisebüros bieten "Schindler-Touren" an, bei denen unter anderem auch die berühmte Fabrik angesteuert wird.

Bisher gab es wenig zu sehen. Neben der Pförtnerloge vor dem Fabriktor erinnert nur eine Gedenktafel an Oskar Schindler. "Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt", wird darauf aus dem Talmud zitiert.

Noch vor wenigen Monaten schlug eine polnische Zeitung Alarm: Die Fabrik drohe zu verfallen, Besuchern sei der Zutritt auf das Gelände verwehrt worden, überall lägen Müll und Schrott herum. Diesen Zustand wollte die Krakauer Stadtverwaltung nicht länger dulden. Eine Reinigungsfirma nahm erfolgreich den Kampf mit dem Dreck auf.

Im Herbst soll am historischen Ort ein Museum eröffnet werden, für das das polnische Kulturministerium und die Stadt Krakau vier Millionen Zloty (knapp eine Million Euro) zur Verfügung stellen.

Der Krakauer Künstler Aleksander Janicki plant die Multimedia-Ausstellung, die sowohl über Schindler als auch die von ihm geretteten Juden informieren soll. Er hofft, mit Hilfe der Spielberg- Stiftung und des israelischen Holocaust-Museums Jad Waschem Kontakt zu den geretteten Familien und Fotos und Dokumente zu erhalten.

Schon jetzt stehen Teile der Fabrik mit einer improvisierten Ausstellung Besuchern offen. In der Pförtnerloge steht ein Modell der Fabrik. Im Treppenhaus wurde auf einer Zwischenetage eine Diaschau mit Bildern Schindlers und des Krakauer Gettos eingerichtet.

Kein besserer Ort

Auf den Untertiteln wird in polnischer und englischer Sprache über das Schicksal der Krakauer Juden und den deutschen Industriellen berichtet, der als Kriegsgewinnler begann und als Menschenretter endete.

Bisheriger Höhepunkt der improvisierten Ausstellung ist ein Besuch in Schindlers Büro, neben einer Druckerei. Auf dem breiten Schreibtisch des Fabrikanten liegt das Besucherbuch, in dem Menschen aus aller Welt ihre Gedanken und Eindrücke hinterlassen. "Es gibt keinen besseren Ort für ein Museum", schrieb eine Besucherin aus den USA.

Es ist allerdings eine Diskussion darüber ausgebrochen, ob der nicht sonderlich große Raum tatsächlich Schindlers Büro war. "Hier hat Schindler gearbeitet - es gibt keinerlei Zweifel", versichert Grazyna Leja, die Tourismus-Chefin der Krakauer Stadtverwaltung.

Artur Wabik von der Druckerei im Fabrikgebäude glaubt dagegen, der Raum könne höchstens das Sekretariat gewesen sein. "Ein Fabrikdirektor in so einer Klitsche? Unmöglich."

Jaroslaw Knap von einem Krakauer Multimedia-Unternehmen vermutet das wahre Büro Schindlers dagegen in den heutigen Redaktionsräumen eines Snowboarder-Magazins: "Da hängt immer noch so eine schöne Karte des Generalgouvernements."

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