Passagierrechte:Wenn der Flieger überbucht ist

Die Passagiere waren rechtzeitig am Check-In erschienen und dann das: Wegen Überbuchung konnten sie ihren Flug nicht antreten. Warum Airlines absichtlich mehr Tickets verkaufen, als das Flugzeug Plätze hat, und welche Rechte abgewiesene Fluggäste haben.

Daniela Dau

Um ihre Maschinen optimal auszulasten, leisten sich Fluggesellschaften aufwändige und detailreiche Prognosemodelle. Trotzdem passiert es immer wieder: Allen Berechnungen zum Trotz sind für einen Flug zu viele Tickets verkauft worden und ein paar Passagiere müssen dableiben. Warum Airlines den Zorn der Kunden in Kauf nehmen, wer mitfliegen darf und welche Rechte diejenigen haben, die vom Flug zurücktreten - die wichtigsten Fragen und Antworten.

[] Warum überbuchen Airlines?

Fluggesellschaften vergeben mehr Plätze als vorhanden, weil nicht alle gebuchten Passagiere tatsächlich zum Abflug erscheinen. Business- und First-Class-Kunden bekommen für ihr teures Ticket mehr Service, zu dem auch flexiblere Umbuchungsbedingungen gehören. Dauert das Meeting oder der Geschäftstermin länger, nehmen sie ohne Aufpreis einfach eine spätere Maschine. Am anderen Ende der Tarif-Skala kommt es ebenfalls häufiger vor, dass Passagiere nicht erscheinen: Bei extrem günstigen Tickets kann der finanzielle Schaden leichter vom Kunden verschmerzt werden, wenn ihm etwas dazwischenkommt. Im Jahr 2009 hat es bei der Lufthansa nach eigenen Angaben rund drei Millionen sogenannter "No-Shows" gegeben.

[] Um wie viel werden Flugzeuge überbucht?

Die optimale Auslastung von Flugzeugen wird mithilfe von Buchungsdaten der vergangenen Jahre und Prognosemodellen berechnet. "Früher wurde großzüger überbucht", sagte Gerd Pontius von der Airline-Unternehmensberatung Prologis Aviation zu Süddeutsche.de. "Das handhabt man heute deutlich defensiver." Flüge mit einer hohen No-Show-Rate würden um bis zu 15 Prozent überbucht.

[] Welche Flüge werden besonders deutlich überbucht?

Ob Kunden ihren Flug umbuchen oder ganz streichen, hängt nach den Erfahrungen der Lufthansa stark davon ab, woher der Fluggast stammt. "Während ein Passagier im ostasiatischen Raum sein gebuchtes Ticket mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nutzt, werden zum Beispiel in Indien verkaufte Tickets häufig gestrichen oder umgebucht", sagte Lufthansa-Sprecher Boris Ogursky zu Süddeutsche.de. Dementsprechend erhöhen oder verringern Airlines ihre Überbuchungsrate. Auch Business-Class-Flüge in den Tagesrandzeiten oder an den Tagen vor und nach dem Wochenende werden erfahrungsgemäß stärker überbucht, wobei hier auch die Psychologie eine Rolle spielt. So ist das No-Show-Risiko für die Fluggesellschaft am Freitagnachmittag geringer als bei Flügen am Vormittag, weiß Airline-Berater Gerd Pontius. "Wer will schon kurz vor dem Wochenende riskieren, seinen gebuchten Platz durch No-Show zu verlieren, um dann auf einem späteren Flug nicht mehr mitzukommen?"

[] Wie viele Passagiere werden wegen Überbuchung nicht befördert?

Um Kunden nicht nachhaltig zu verprellen und Schadenersatzansprüche zu vermeiden, halten die Fluggesellschaften die Anzahl der zurückgelassenen Passagiere so gering wie möglich. Nach Angaben der Lufthansa bewegt sich diese Zahl zuletzt im Promillebereich. Umgekehrt seien 2009 durch Überbuchung etwa 300.000 Passagiere befördert worden, deren Flüge eigentlich ausgebucht waren. "Damit standen jedem 'Denied Boarding' etwa acht durch Überbuchung zusätzlich beförderte Passagiere gegenüber", so Lufthansa-Sprecher Ogursky.

Rechte und Ansprüche bei Überbuchung

Gilt wirklich immer, wer zuerst kommt, fliegt mit? Und was steht denjenigen zu, die am Boden bleiben müssen? Was Sie im Fall einer Überbuchung noch wissen müssen.

[] Wer darf nicht mitfliegen?

Allen statistischen Berechnungen zum Trotz: Die Maschine ist zu voll. Wenn dann noch ein Passagier auftaucht, der einen hohen Status in den Kundenbindungsprogrammen hat, und dringend mitfliegen will, muss ein anderer Fluggast weichen. Üblicherweise aber gelte zumindest bei der Lufthansa: "First come, first serve. Wer zuerst eingecheckt hat", verspricht Lufthansa-Sprecher Ogursky, "der kommt auch mit." In der Regel fragen die Airline-Mitarbeiter am Check-In-Schalter herum, wer freiwillig zurücktreten will. Dafür bieten sie Fluggutscheine, gelegentlich auch Geldzahlungen und die Zusage auf einen Platz im nächstmöglichen Flieger an. "Passagiere, die dieses Angebot annehmen, sollten sich nach Möglichkeit gleich die Bordkarten für den ihnen zugesicherten Flug ausdrucken lassen", rät Christof Berlin von der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp). Falls das nicht möglich sei, sollten Fluggäste auf eine schriftliche Zusage bestehen, dass sie und auf welchen Flug sie umgebucht worden sind. Die Zeit bis zum tatsächlichen Abflug kann mit einem Mahl im Flughafenrestaurant überbrückt werden - nur auf die Kostenübernahme durch die Fluggesellschaft sollte man sich nicht verlassen. "Ein Rechtsanspruch auf Erstattung von Verpflegungskosten zur Überbrückung der Wartezeit besteht nicht, wenn der Passagier freiwillig der Umbuchung auf einen späteren Flug zugestimmt hat", so söp-Schlichter Berlin. Man könne aber trotzdem versuchen, Bewirtungsbelege einzureichen. "Viele Airlines zeigen sich hier kulant, vor allem, wenn längere Zeit bis zum Abflug vergehen muss."

[] Unfreiwillig am Boden geblieben - und nun?

Lässt sich keiner der Wartenden am Check-In-Schalter auf das Angebot der Airline ein, wird es für die Fluggesellschaft teurer. Passagiere, die gegen ihren Willen nicht befördert wurden, haben Anspruch auf Ausgleichszahlungen zwischen 250 und 600 Euro. Dabei kommt es auf die Flugentfernung an und ob ihr Flug innerhalb der Europäischen Union oder zwischen einem EU-Land und einem Nicht-EU-Land stattgefunden hätte. Darüber hinaus regelt die EU-Fluggastrechteverordnung Nr. 261/2004 weitere Ansprüche auf Erstattung des Ticketpreises oder anderweitige Beförderung. Beträgt die Zeit bis zum nächsten Abflug nicht mehr als zwei Stunden, verringern sich die Ausgleichszahlungen um die Hälfte. Außerdem haben gestrandete Passagiere Anspruch auf Betreuungsleistungen wie Mahlzeiten, Getränke, kostenlose Telefonate oder Hotelunterbringung. Belege über entstandene Kosten sollten Passagiere unbedingt aufheben und bei der Airline einreichen. "Grundsätzlich ist die Erstattung von Auslagen bei entsprechendem Nachweis aussichtsreicher", so der söp-Schlichter.

[] Wir müssen Sie leider downgraden ...

Der für die Airline größte Fettnapf bei Überbuchung ist es, wenn First- oder Business-Class-Passagiere in die nächstniedrigere Tarifklasse absteigen müssen. Eine Studie hat gezeigt, dass diese Premium-Kunden darauf langfristig beleidigt und mit Abwendung vom Unternehmen reagieren. Für diese Kunden ist es laut der Studie leichter zu verkraften, gar nicht mitzufliegen oder auf einen späteren Flug zu warten, als sich neben Economy-Passagiere quetschen zu müssen. Umgekehrt werden aber auch immer mal wieder Passagiere aus der überbuchten Economy-Class in den bequemeren Sitzen der höheren Tarifklasse befördert. "Bevor ein Fluggast stehenbleibt, setzen wir einen Economy Class-Gast in die Business Class in Abhängigkeit von Status und Tarifklasse", so Lufthansa-Sprecher Ogursky. "Unabhängig davon kann ein Kunde ein Upgrade anfragen und dieses dann durch das Einlösen von Prämienmeilen noch kurz vor dem Abflug bekommen." Doch so manche Crew soll sich schon über bürokratische Zwänge hinweggesetzt und einfach spontan gehandelt haben - und hat ihrer Airline so einen erfreuten Kunden gesichert.

Sie haben einen Platz bekommen, werden diesen Flug aber niemals vergessen können? Schreiben Sie Ihre Erfahrung auf.

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