Flugreise:Bitte alle aussteigen

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An Bord eines Flugzeugs die Landung zu verschlafen, kann üble Folgen haben. (Foto: IMAGO/Matej Kastelic/IMAGO/YAY Images)

Ladekabel, Laptops und Lieblingsbücher werden versehentlich an Bord von Flugzeugen zurückgelassen. Und manchmal auch deren Besitzer – vor allem dann, wenn sie schlafen.

Glosse von Stefan Fischer

Es gab in Deutschland einmal eine Fluglinie, die hat jedem Passagier nach der Landung ein Schokoladenherz geschenkt. Eine nette Geste war das, die bei vielen Menschen spätestens ab dem Moment der Durchsage, dass nun der Landeanflug beginne, Vorfreude ausgelöst hat. Auf die in rote Aluminiumfolie eingewickelte Süßigkeit, die man bald in Händen halten und sich nach dem Verlassen der Maschine noch auf der Passagierbrücke in den Mund schieben würde. Angesichts einer Nachricht aus den USA erscheint diese einstige Aufmerksamkeit allerdings in einem etwas anderen Licht. Vielleicht ging es bei dieser Fluglinie gar nicht so sehr um Herzlichkeit, sondern um kühlen Pragmatismus. Denn wer Schokolade geschenkt bekommt, wenn er ein Flugzeug verlässt, steigt ziemlich sicher auch tatsächlich aus – Bestechung mit ein bisschen Vollmilchschokolade.

Nun mag man sich fragen, wer freiwillig in einem Flugzeug bleibt, wenn er sich endlich wieder die Beine vertreten kann, womöglich sogar in der Sonne. Aber es scheint diese Fälle hartnäckiger Sitzen- und Liegenbleiber zu geben. Andernfalls hätte die Association of Professional Flight Attendants, das ist die Gewerkschaft der Flugbegleitenden von American Airlines, nicht ihre Mitglieder öffentlich zu mehr Sorgsamkeit ermahnt. Zwar ist man in den USA grundsätzlich schneller bei der Hand mit Hinweisen, dieses zu tun und jenes zu unterlassen, anstatt auf die Lebenserfahrung der Menschen zu vertrauen. Weshalb man keinen Mixer und keine Waschmaschine kaufen kann, in deren Anleitung nicht eindringlich davor gewarnt würde, Haustiere dort hineinzustecken. Man muss allerdings davon ausgehen, dass es meistens erst eines konkreten Anlasses bedarf, ehe schriftlich festgehalten wird, was allen außer dem Verursacher des Anlasses ohnehin klar ist.

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Essay von Stefan Fischer

Jedenfalls werden die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter von ihrer Gewerkschaft aufgefordert, künftig wieder gründlicher nachzusehen, ob noch Passagiere an Bord sind, ehe sie selbst die Maschine verlassen. Denn Fälle von schlafenden Reisenden, die in Flugzeugen zurückgeblieben sind, scheinen sich in den USA gehäuft zu haben. Mitreisenden mag man es noch nachsehen, dass sie ihren Sitznachbarn, der eine Maga-Kappe trägt, nicht wecken, weil sie sich dann womöglich von ihm nur anschreien lassen müssen, es sei fake news, dass er geschlafen habe. Aber ist es von Angestellten einer Fluglinie zu viel verlangt, dass sie einen sanft stupsen, wenn man die Landung verschlafen hat? Einen bemerken, selbst wenn man sich tief im Sitz zusammengerollt hat und nicht durch laute Schnarchgeräusche auffällt? Auch schließt sich die Frage an, worin Reinigungstrupps ihre Aufgabe sehen, wenn sie sogar Menschen von zwei oder drei Zentnern Gewicht in den Sitzreihen liegen lassen?

Nun mag man sich damit trösten, dass man im Fall der Fälle vielleicht wieder mit abhebt und auf diese Weise unverhofft nach New York oder Hawaii kommt. Das ist jedoch genauso eine Illusion wie die, jemals wieder ein Schokoladenherz geschenkt zu bekommen. Nahezu sicher wird man nach einer kühlen Nacht auf einem Außenposten des Rollfelds doch entdeckt. Und sollte man entgegen aller Wahrscheinlichkeit beim Anschlussflug immer noch an Bord sein, fliegt die Maschine garantiert dorthin zurück, wo man hergekommen ist. Oder nach Iowa.

Stefan Fischer kann im Sitzen nur schwer einschlafen, auch wenn er manchmal gerne würde. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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