Süddeutsche Zeitung

Passagiere helfen der Deutsche Bahn:Kunden, die größten Kritiker

Seit zehn Jahren holt sich die Deutsche Bahn vor Entscheidungen Rat bei Fahrgästen - doch der Kundenbeirat war anfangs umstritten.

Von Daniela Kuhr

Als sich die Bahn 2004 entschloss, einen Kundenbeirat zu gründen, war sie das erste große deutsche Unternehmen, das diesen Schritt ging. Gründe hatte sie mehr als genug. So hatte der Konzern damals viele Kunden mit einem neuen Preissystem verärgert. Auch Überlegungen, die Bord-Restaurants in den Fernzügen abzuschaffen, empörten viele Reisende. Und schließlich waren Fahrgäste sauer, dass die Bahn ihre Interregio-Züge aufgab. Die Konzernspitze beschloss daher, es sei Zeit, die Kunden enger in die Entscheidungen des Managements einzubeziehen.

"Anfangs war das im Unternehmen sehr umstritten", sagt Ulrich Homburg, der im Bahn-Vorstand für den Personenverkehr zuständig ist. "Viele fragten, ob wir jetzt jeglichen Verstand verloren hätten, indem wir uns freiwillig die größten Kritiker ins Haus holten." Auch seien Indiskretionen befürchtet worden. "Schließlich erfahren die Beiratsmitglieder viel früher als die Öffentlichkeit von Neuerungen, die wir planen." Doch beide Ängste seien unbegründet gewesen. "Die Kritik ist fast immer hilfreich gewesen", sagt Homburg. Und nach außen gedrungen sei auch noch nie etwas. "Wir machen hier ja nicht mit, um öffentlich bekannt zu werden oder uns zu profilieren, - sondern weil wir etwas verbessern wollen", sagt Hans-Joachim Wöbbeking, 64, ehemaliger Sprecher des Kundenbeirats. 30 Frauen und Männer sitzen in dem Gremium. Im ersten Jahr bewarben sich mehr als 5400 BahnFahrer. Alle drei Jahre besetzt die Bahn etwa zehn Plätze neu, bis zu zweimal kann ein Mitglied wiederberufen werden. In ihren DB-mobil-Zeitschriften ruft die Bahn dazu auf, sich zu bewerben. Die Bewerbungen landen in Töpfen, die jeweils für einen bestimmte Kundentyp stehen, etwa für Viel- und Wenigfahrer, für Familien, Geschäftsreisende, Senioren oder behinderte Menschen. Aus jedem Topf wird ein Bewerber ausgelost, damit alle Kundengruppen repräsentiert sind. Zweimal im Jahr trifft sich das gesamte Gremium. Bei diesen zweitägigen Treffen übernimmt die Bahn die Kosten für die Anreise, ein Abendessen sowie das Hotel und zahlt eine Aufwandsentschädigung von 75 Euro.

Zudem finden jährlich mehrere Workshops statt, in denen Mitarbeiter der Bahn und etwa fünf Beiratsmitglieder intensiv an einzelnen Themen arbeiten. Kritiker wenden ein, die Bahn habe den Kundenbeirat nur installiert, weil es sich gut anhöre. Falk Radisch, stellvertretender Beiratssprecher, kann darüber nur den Kopf schütteln. "Dafür tauchen wir viel zu selten in der Öffentlichkeit auf." Inzwischen haben viele große Unternehmen, etwa die Postbank oder die Commerzbank, ebenfalls einen Kundenbeirat gegründet.

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SZ vom 27.05.2014/kaeb
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