Nachtleben in Neuseeland:Die kurzen Nächte von Auckland

DJ Sandon James, Auckland, Neuseeland

"Wir haben die Frauen an den Zucker verloren", meint der DJ Sandon James, nicht ganz im Ernst.

(Foto: Racket Bar)

Neuseeland steht vor allem für grandiose Natur. Aber es gibt auch ein Nachtleben - zumindest, wenn man sich beim Ausgehen etwas beeilt.

Von Friederike Ostermeyer

Heute trägt er seinen roten Hut. Ein guter Kontrast zu den schwarzen Locken, findet Sandon James. Das Nachtleben hat längst begonnen, obwohl es noch hell ist. In Auckland muss man sich abends beeilen. Wer einen Restaurantbesuch plant, tut das am besten für 19 Uhr. Sonst wird es knapp. Die meisten Küchen schließen gegen zehn. Nach 18 Uhr ist es kaum mehr möglich, irgendwo einen Kaffee zu bekommen. Die Neuseeländer haben es nicht so mit dem mediterranen Lebensgefühl, obwohl das milde Klima es ihnen leicht machen würde, sich darin zu versuchen. Doch das Kiwi-Herz schlägt weiter auf die alte, britische Art - nur eben am anderen Ende der Welt. Und mit weniger Nebel.

Kurz nach 20 Uhr bringt die Sonne die blaugoldene Skyline von Auckland ein letztes Mal zum Aufblitzen, bevor sie schließlich hinter den unzähligen Segelbooten und Yachten verschwindet, die am Hafen vor Anker liegen. Dazwischen Menschen, die rund um den Viaduct Harbour bereits mit ihrer Suche nach Samstagnacht-Zerstreuung begonnen haben. Und dazwischen Sandon James, der genau weiß, wo sie zu finden ist.

Das erste Mal habe er mit acht Jahren Musik aufgelegt, sagt er. Heute ist er 35 und in der Szene eine bekannte Größe. Zusammen mit seinem Partner Chris Scott gründete er das DJ-Duo Sweet Mix Kids. Fast täglich haben die beiden irgendwo einen Gig. Jeden Sonntag moderieren sie eine eigene Show beim jungen Radiosender George FM. Manchmal werden sie auf der Straße erkannt. Es lebt sich gut als DJ in Auckland. So gut, dass Sandon James sich eines dieser schicken, neuen Apartments mit privatem Bootsanlegeplatz an der Wynyard Wharf leisten kann. In seiner Wohnung stapeln sich weder Vinylplatten, noch findet sich hier das kreative Chaos eines Künstlers. Stattdessen gibt es flauschigen Teppichboden und helle Vintage-Möbel. Nur das Plakat vom Berliner U-Bahn-Netz an der Wand, auf dem Sandon James die Haltestelle Kottbusser Tor dick eingekreist hat, lässt erahnen, nach welchem Lebensgefühl er sich manchmal sehnt.

Billig ist etwas, das in Auckland gar nicht geht

"Ach, Berlin", sagt er. "Mit Berlin oder überhaupt Deutschland lässt sich das Nachtleben hier nicht vergleichen. Eigentlich sind die Neuseeländer ein passives Volk", sagt er, als er die Quay Street entlanggeht. Junggesellenabschieds-Horden, die durch ihre Nüchternheit noch etwas verlegen wirken, Pärchen, andere Gruppen sieht man hier. Die Männer tragen karierte Hemden oder T-Shirts mit Großbuchstaben-Aufdruck, die Frauen enge Kleider und Schuhe mit nicht zu hohen Absätzen. Sie wirken so, als ob sie sichergehen wollten, nicht allzu sexy daherzukommen. Das könnte ja schnell billig aussehen, und billig ist etwas, das in Auckland gar nicht geht.

Auckland, die Millionenstadt mit der glänzenden Fassade, die von Weitem so tut, als könne sie mit London oder Los Angeles mithalten, wurde auf 40 erloschenen Vulkanen erbaut. So sehr sich der symbolträchtige Vergleich mit dem Tanz auf dem Vulkan in Sachen Nachtleben anbietet, so wenig lässt er sich nutzen. Dafür belegt die oft so genannte "City of Sails" seit Jahrzehnten bei internationalen Städterankings Spitzenplätze in Sachen Lebensqualität. Und Lebensqualität bedeutet hier eben auch, dass auf öffentlichen Plätzen kein Alkohol getrunken werden darf, Rauchen geächtet wird und die meisten Bars um zwei und einige wenige um vier Uhr nachts schließen. Ein Bier kostet mindestens zehn Dollar, etwa sechs Euro, ein Wein 13 Dollar. Da muss man schon genau planen, wie man seinen kurzen Tanz auf den kleinen Vulkanen gestaltet. In Berlin hat man drei Tage am Stück Zeit und kann sich treiben lassen, in Auckland geht das nicht. So erklärt das jedenfalls Sandon James, der hinzufügt: "Die einheimischen Männer sind langweilig, und weil sie so langweilig sind, werden die Frauen depressiv."

Partyszene in Auckland, Neuseeland

Auckland, Neuseeland

(Foto: SZ-Grafik)

Er lacht plötzlich auf und deutet auf ungefähr 20 junge Frauen, die geduldig vor dem Dessert-Restaurant Milse anstehen. "Der Beweis, dass wir die Frauen an den Zucker verloren haben." Im Milse werden ausschließlich hübsch angerichtete Kuchen, Eis und süße Cremes in allen erdenklichen Variationen angeboten.

Das Milse gehört zum Britomart, einem für neuseeländische Verhältnisse antiken Gebäudekomplex aus dem 19. Jahrhundert in der Nähe des Hafens. Weil man in den 1970er- bis 1990er-Jahren so sehr damit beschäftigt war, aus Auckland eine Wolkenkratzer-City zu machen, drohten die herrschaftlichen viktorianischen Gebäude zu verfallen. 2002 erkannte man, dass ein wenig Retro-Schick der Stadt ganz guttun könne. Architektonisch mit Holz, Glas und Lichterketten verschönert, befinden sich dort, wo vor 150 Jahren Handel betrieben wurde, nun Bars, Restaurants und Boutiquen. Irgendwann im Laufe der Nacht landen die meisten im Britomart, weil es mit seinen vielen Lichtern so vielversprechend aussieht.

"Ein Drink, der zu mir passt"

Mittlerweile ist es nach 21 Uhr. Rund um den Britomart drängen sich Menschen. Auch im Better Burger, einer Art überdachtem amerikanischen Biergarten, in dem bunte Fähnchen und ausgediente Cricket-Schläger von der Decke hängen. Die Zeit für die Sweet Mix Kids ist gekommen. Chris Scott steht schon hinter dem DJ-Pult und spielt "Last Night A DJ Saved My Life", unterlegt mit sanften Techno-Beats. Die meisten Frauen trinken Sekt, die meisten Männer Bier. Allen fällt es schwer, ihren Blick vom Smartphone zu lösen, doch langsam lockert sich die Stimmung. Die ersten Zehn-Dollar-Biere entfalten ihre Wirkung. James, der sich jetzt ebenfalls hinter das Pult gestellt hat, dreht den Regler hoch und wechselt zu Electro Swing, einem Mix aus 20er-Jahre-Musik und House.

Dass die Neuseeländer fast nur kommerzielle Musik hören, bedauert James. "Mit dem komplizierten Techno aus Berlin kann man hier nicht ankommen." Einmal hat er in Berlin aufgelegt. Das sei ein Erlebnis gewesen. "Die Leute wirken entspannt und glücklich, so als hätten sie alle Zeit der Welt. Hier sind alle nur irgendwann betrunken und schließlich aggressiv." Wer so etwas wie ein alternatives Nachtleben sucht, geht auf die Ponsonby Road, die sich ein Stück südlich der Innenstadt befindet. Weil in den 1970er-Jahren die Mieten rapide sanken, siedelten sich dort Künstler, Literaten und andere Kreative an. Heute treffen sich in den Bars und Cafés die reichen Kreativen. Auch Sandon James ist hier gerne, am liebsten im Mea Culpa, einer kleinen, schlauchigen Bar mit barocken Spiegeln und schummrigem Licht. Dort steht Kate hinter dem Tresen und mixt Whisky-Cocktails. Dabei strahlt sie eine Professionalität aus, dass man nicht von der Karte bestellt, sondern einfach "einen Drink, der zu mir passt" ordert.

Keine Zeit verlieren, tanzen, tanzen, tanzen!

Die Zeit rennt. Es ist bereits nach Mitternacht. Sandon James will noch im Racket auflegen, einem Bar-Club-Gemisch in der Innenstadt. Eintritt zahlt man nicht, doch achten die Türsteher genau darauf, dass das Männer-Frauen-Verhältnis ausgeglichen ist. Flip-Flops, die in Neuseeland eine ernst zu nehmende modische Verwirrung darstellen, müssen ebenfalls draußen bleiben. Der Laden selbst wirkt mit seinen bunten Lampions, den funkelnden Lichterketten und den roten Backsteinfassaden auf eine raue Art verspielt. Die meisten tanzen, viel zu bereden gibt es nicht. Knapp drei Stunden bleiben noch. Also: keine Zeit verlieren, tanzen, tanzen, tanzen! "Der beste Club der Welt", sagt Sandon James. Überhaupt ist in Auckland für ihn das meiste weltbestens. Nur die Sache mit dem Mainstream, da könne man hier von Berlin noch lernen, findet er. Und die Einheimischen könnten etwas verrückter sein.

Ganz in der Nähe der Ponsonby Road befindet sich dann doch noch ein kleiner, außen unscheinbarer Underground-Laden, der dem Feiervolk einen Sound jenseits von Chart-Hits und "Summer of '69" verspricht. In der Ink Bar gibt es weder Karohemden noch enge Kleidchen. Die Mädchen tragen bunte Leggings, die Jungs Kapuzenpullis. Die Stimmung ist lässig, und trotzdem sind alle ganz aufgeregt, weil man extra DJs aus Berlin eingeflogen hat. Plötzlich sind Sandon James und sein roter Hut verschwunden. Gleich ist es vier Uhr, die letzten Clubs und Bars schließen. Wer jetzt geht, hat gute Chancen, noch ein Taxi zu bekommen. Man muss sich eben nachts beeilen in Auckland.

Informationen

Die Neuseeländer beginnen die Abende bereits zwischen 19 und 20 Uhr. Essen kann man zum Beispiel in Orphans Kitchen, (http://orphanskitchen.co.nz), einem Lifestyle-Restaurant mit gesunder Küche. Wer es deftiger mag, gönnt sich einen Burger im Better Burger, das zur Partymeile Britomart (www.britomart.org) gehört. Das Racket (http://racketbar.co.nz/ liegt gleich um die Ecke und hat, was in Auckland nicht leicht zu finden ist, eine große Tanzfläche. Wer sich in der Underground-Electro-Szene wohler fühlt, sollte in der Ink Bar (http://www.inkbar.co.nz) vorbeischauen und sich vorher einen passenden Drink im Mea Culpa (www.meaculpabar.com) mixen lassen. Zu den wenigen großen Clubs zählt das Roxy (http://www.roxy.co.nz)

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