Park Hyatt Hotel in Shanghai:Willkommen im Flaschenöffner

Shanghai im Höhenrausch: Die Wolkenkratzer machen sich Höhenkonkurrenz und immer ist ein Hotel ganz oben mit dabei. Ein Besuch im Rekordhalter.

B. Schaefer

Da ist dieses regelmäßige Klopfen, als ob ein Fensterladen klappert. Es muss der Wind sein. Aber womit könnte der klappern, in knapp 500 Metern Höhe? Eine Glasfassade braucht keine Fensterläden. Und an diesem sonnigen Morgen ist nichts zu sehen, was auf den Wind schließen ließe.

Es wird wohl der Baulärm sein, von irgendeiner Großbaustelle in Pudong. Auch am Jin Mao Tower schlackert nichts. Keine Fahne, kein Mast, der sich bewegt. Bis vor wenigen Monaten war in diesem eleganten Wolkenkratzer Shanghais mit 421 Metern das höchste Hotel der Welt. Jetzt nicht mehr. Jetzt kann man vom gegenüberliegenden Park Hyatt im World Financial Center (SWFC) direkt auf den anderen Hochhausriesen herabsehen.

Drunten vor dem Hotel fegt indes der Wind durch die Stadt, Platanenblätter wirbeln auf. Ein Temperatursturz, trotz Sonnenscheins am Morgen. Es muss also doch der Wind gewesen sein, der ans Fenster geklopft hat.

Das Park Hyatt in Shanghai ist mit 492 Metern das höchste Hotelgebäude der Welt. Genauer gesagt: Das Hotel sitzt mit seinen 174 Zimmern in den Etagen 79 bis 93 des höchsten Gebäudes Chinas. Mit dem Bau wurde in Pudong, dem Finanz- und Bankenzentrum, 1997 begonnen. 101 Stockwerke und eine Nutzfläche von 381.600 Quadratmetern hat der Wolkenkratzer nun. Um ihn zu verankern, wurden 2200 tahlträger bis zu 78 Meter tief in den Grund gerammt.

Shanghais schlammiger Boden machte bereits den Bauherren der Kolonialzeit zu schaffen, die vor hundert Jahren die Bankenpaläste an der Uferpromenade auf der anderen Seite des Flusses erbauten. Architekten berechneten damals eine Sinkquote und setzten bei einem Gebäude die Schwelle der Eingangstüre zunächst 30Zentimeter höher an. Tausende importierte Baumstämme stützten die Häuser auf Stelzen. Ein Architekt formulierte es damals so: London könne gut sechzig Stockwerke hoch bauen, New York und Hongkong einfach beliebig hoch, doch Shanghai höchstens sechs.

Heute gibt es ohne Lift in den Häusern kein Hinauf- und Herunterkommen. Der Zugang zum Aufzug wirkt gruftig wie der Eingang ins Innerste einer Pyramide. Es ist ein hoher Gang mit zeitgenössischer chinesischer Kunst. Selbst in der Kantine der Angestellten hängen weltberühmte Bilder von Yue Minjun. Natürlich keine Originale, Kopien gibt es auf den Straßenmärkten der Stadt ja genug. Interessant, wenn Chinesen beginnen, Chinesen zu fälschen.

Teil 2:

Die Inneneinrichtung des Hotels stammt vom New Yorker Designer Tony Chi. Die Kristallgläser kommen aus Paris, das Porzellan aus Limoges. Wie seltsam, war doch einmal chinesisches Porzellan das Edelste, was an europäischen Höfen zu finden war.

Mit dem Lift geht es in 51Sekunden hinauf in den 87.Stock zum Empfang. Von dort wiederum führen Aufzüge abwärts in die Gäste-Etagen. Oberhalb der Lobby folgen Restaurants. Es gibt keine Buffets. Das Kompott zum Frühstück wird serviert. Die Bar im 92.Stock und der Pool sind die in einem Gebäude höchst gelegenen der Welt.

Eine offene Skybar, wie etwa auf dem Dach des Banyan Tree Bangkok, gibt es nicht. Zu gefährlich, meint die chinesische Hoteldame. Auch sei es in dieser Höhe draußen zu windig, heißt es weiter, auch wenn im Hotelinneren nichts davon zu spüren ist. Gar nichts. Sogar bei einem Taifun würde man nichts merken, behaupten die Statiker des Schwingungstilgers, die übrigens auch die Twin Towers des World Trade Center in New York berechnet hatten.

Der Schwingungstilger versteckt sich im 90.Stockwerk. Hinter der "Wine Library" hängen zwei massive Blöcke an Seilen: je neun mal neun Meter groß, vier Meter dick und 150 Tonnen schwer, abgesichert wie der atomare Kern eines Kraftwerks. Eine Umgebung, in der James Bond herumturnen könnte. Eine Art Foucaultsches Pendel, nur massiv und mit Motor.

Schwankt das schlanke Riesengebäude, soll der Motor des freihängenden Dämpfers diesen in die Gegenrichtung pendeln lassen. Man mag sich das so recht nicht ausmalen. Interessante Vorstellung auch, was mit den 120Tonnen Wassergewicht geschieht, die der Pool zu diesem Ausbalancieren beisteuert.

Bauarbeiten ruhten fast zehn Jahre

Insgesamt sieht das SWFC anders aus, als es ursprünglich geplant war. Ein Gerücht besagt, Mori Building, ein japanisches Bauunternehmen, hatte an der Spitze des Gebäudes eine kreisrunde Öffnung vorgesehen. Das habe die Chinesen so erbost, dass die Bauarbeiten fast zehn Jahre darniederlagen. Das runde Loch auf den Bauzeichnungen sah ihrer Meinung nach wie die japanische Flagge aus, die 1937 während der japanischen Besatzung in Shanghai auf verschiedenen Bauwerken wehte. Doch ganz so war es nicht.

Teil 3: Rekord nur für kurze Zeit

Die Planer Kohn Pedersen Fox Associates, ein Architekturbüro mit Sitz in Manhattan, hatten der mehrstöckigen Öffnung lediglich ein Konstruktionsprinzip zugrunde gelegt. Es sollte dem dünnen oberen Teil des Gebäudes buchstäblich den Wind aus dem Segel nehmen. Die Bauarbeiten ruhten acht Jahre wegen der asiatischen Finanzkrise.

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(Foto: SZ-Grafik)

Unterdessen wurde aus der runden Öffnung ein Rechteck, um das Gebäude nicht so japanisch erscheinen zu lassen, auch wenn das elegant geschwungene Hochhaus nun aussieht wie ein Flaschenöffner.

Das Gebäude wurde in aufeinandergestapelten, zwölfstöckigen Einheiten konzipiert. Nach jeder zwölften Etage folgt ein Evakuierungs-Stockwerk. Es gibt ein Treppenhaus bis nach unten. "Eine Stunde und 20Minuten dauert es vom 87.Stockwerk", sagt Hoteldirektor Christophe Sadones. Er hat es ausprobiert.

Gut und schön. Aber warum nur baut der Mensch so hohe Häuser? Andres Lepik, Leiter der Architekturabteilung an der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin, hat eine Antwort. In seinem Standardwerk über Hochhäuser schreibt er, mit dem Bau von Wolkenkratzern verbänden sich "weit über die rationalen und ökonomischen Motive hinaus von jeher Träume, Hoffnungen und Utopien, die sie vielfach über das ökonomisch Angemessene hinaus wachsen lassen".

Ein fast 500 Meter hohes Haus zu bauen, liegt definitiv jenseits von ökonomisch Angemessenem. Doch Pudong steht für das moderne China - und das will eine aufsehenerregende Skyline.

Vernünftig begründen lässt es sich ohnehin nicht, warum jemand in einem Hotel übernachten will, nur weil es das höchste der Welt ist. Da verhält es sich wohl ähnlich wie mit dem Bergsteigen. Was hat man davon, auf die Zugspitze zu steigen anstatt auf die Alpspitze? Außer eben, auf dem höchsten Berg Deutschlands gewesen zu sein.

Und auf die Alpspitze runterschauen zu können. Vom Park Hyatt sieht man nicht nur auf die 18-Millionen-Stadt, sondern eben auch auf das jüngst höhenmäßig übertrumpfte Gebäude, den Jin Mao Tower.

Der nächste Riese wächst schon

Doch auch das Park Hyatt wird nicht lange das höchste Hotel der Welt bleiben. Die Zeiten sind vorbei, als Wolkenkratzer ihre Rekorde Jahrzehnte behielten, wie das Empire State Building, das 40Jahre lang höchstes Hochhaus der Welt war. Am 29.November 2008 erfolgte, direkt neben dem SWFC und dem Jin Mao Tower, der Spatenstich für den Shanghai Tower. Er soll 2,2Milliarden US-Dollar kosten, 2014 fertig sein, 632Meter hoch werden und 121Stockwerke haben. Inklusive Luxushotel.

Informationen

Anreise: Günstige Hin- und Rückflug mit Air France über Paris nach Shanghai ab 450 Euro, www.airfrance.de

Unterkunft: Park Hyatt Shanghai, 100 Centruy Avenue, Pudong New Area, Shanghai, China 200120, www.parkhyattshanghai.com, DZ ab 500 Euro.

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