Süddeutsche Zeitung

Parasitenplage in Vancouver:Olympische Wanzenspiele

Die kanadische Stadt Vancouver, wo sich in wenigen Tagen die weltbesten Wintersportler treffen werden, hat ein tierisches Problem.

Bernadette Calonego

Nur wenige Tage vor dem Start der Olympischen Winterspiele am 12. Februar hat ein winziger Feind die kanadische Stadt Vancouver fest im Griff: die Bettwanze. Die bis zu sechs Millimeter langen Blutsauger haben sich in der kanadischen Westküstenmetropole erstaunlich stark vermehrt. Treffen Myriaden dieser behaarten Parasiten nun auf Hunderttausende Sportler, Funktionäre, Touristen und Sicherheitsleute, so könnte sich die Plage nach Ansicht von Experten noch verschlimmern.

"Sobald man die Tür eines stark befallenen Raumes öffnet, bewegen sich die Wanzen auf einen zu", warnt Richard Taki, Direktor bei der Gesundheitsbehörde Vancouver Coastal Health. "Manchmal entdeckt man Tausende von ihnen unter einer Matratze." Es sei sehr schwierig, die Tiere wieder loszuwerden.

Realistischerweise könne nur die Frage nur lauten: "Wie halte ich diese Pest irgendwie unter Kontrolle?" Mehr als zwei Dutzend verschiedene Krankheitserreger konnten Wissenschaftler bei Bettwanzen bisher nachweisen, unter anderem auch das Hepatitis-B-Virus, das Hepatitis-C-Virus und das HI-Virus. Eine tatsächliche Übertragung dieser Viren auf den Menschen konnte bisher allerdings noch nicht belegt werden.

Auch teure Villen und exklusive Hotels betroffen

"Good night, sleep tight, don't let the bed bugs bite" - mit diesem niedlichen Gedicht bringen viele Eltern in Nord- und Mittelamerika ihren Nachwuchs abends ins Bett ("Gute Nacht, schlaf süß und lass Dich nicht von den Bettwanzen beißen"). Das Leben freilich ist weniger niedlich: Vielerorts wird gegen das Ungeziefer exzessiv Gift gespritzt. Doch dieser Overkill begünstigte bereits die Bildung von Resistenzen. Die häufig verwendeten Pyrethroid-Insektizide sind mittlerweile fast wirkungslos.

In den vergangenen zehn Jahren hätten die Anrufe von wanzengeplagten Vancouveriten bei seiner Firma um satte 600 Prozent zugenommen, sagt Sean Rollo, Schädlingsbekämpfer bei der Firma Orkin in der kanadischen Hafenstadt. Selbst die exklusivsten Villen und die teuersten Hotels seien von der Plage mittlerweile betroffen.

Das Aufheizen der Zimmer auf 55 Grad Celsius gilt als eine der wenigen Möglichkeiten, sich der Tiere zu entledigen. Dafür muss ein spezieller Wanzenofen den Gebäuden mehrere Tage lang einheizen.

Auch Wanzenspürhunde sind gefragt. "Unser Frankie riecht Bettwanzen wie andere Hunde Bomben und Drogen", erklärt Schädlingsbekämpfer Rollo. "Der Hund ist besser als jeder menschliche Kammerjäger." Der zwei Jahre alte Jack Russell Terrier, der einst aus einem Tierheim in Florida gerettet wurde, kann Wanzen selbst dort erschnüffeln, wo noch nichts auf eine Plage hindeutet - er wittert nämlich Wanzen-Eier, von denen ein Weibchen bis zu zwölf Stück an einem Tag legt. Und 200 pro Leben.

Angesichts solcher Zahlen muss das Versagen der Pyrethroid-Insektizide als besonders dramatisch angesehen werden - auch weil sie billig und als relativ ungefährlich für Menschen und Haustiere gelten.

So gut wie resistent gegen die gängigen Mittel

John Clark von der US-amerikanischen Universität Massachusetts Amherst und sein Team haben herausgefunden, dass viele Wanzen Genmutationen an einer Zellmembran aufweisen. Durch diese reagieren sie nicht mehr auf das Gift, vertragen im Schnitt die 264-fache Dosis.

Auch deshalb erwarten Experten, dass die Wanzenplage gerade in Vancouver durch die Winterspiele dramatisch zunehmen wird, ganz so wie in der australischen Hauptstadt Sydney während der Olympischen Spiele im Jahr 2000. "In 95 Prozent der Hotels in Sydney war mindestens ein Zimmer befallen", erinnert sich David New von Bed-Bugs.co.uk, einer britischen Wanzenbekämpfungsfirma.

Die Tiere, die so klein wie ein Apfelkern sind, ernähren sich von menschlichem und tierischem Blut und werden von Körperwärme angezogen. Ihre toxischen Bisse hinterlassen schmerzhafte, juckende Striemen; Opfer dieser Attacken berichten, dass man vor lauter Juckreiz nicht mehr schlafen kann.

So wirken die Olympia-Tipps von Mark Amery von der Firma Vancouver Bed Bug Control Inc. denn auch eher hilflos: "Schauen Sie genau, wo Sie sich hinlegen", warnt er. "Drehen Sie die Matratze um. Schauen Sie nach, was sich unter ihr befindet!" Ansonsten: Viel Glück. Auf der Webseite "Bedbug Registry" (Bettwanzenverzeichnis) kann man immerhin nachlesen, welche Gebäude in Vancouver besonders betroffen sind.

Auch in Deutschland steigt dieser Tage die Zahl der Bettwanzen - immer mehr Tiere werden über Koffer oder Kleidung als ungewolltes Urlaubs-Mitbringsel eingeschleppt. Wie gesagt: Bettwanzen sind ein hartnäckiges Haustier. Selbst nach neun Monaten ohne Nahrung legen einige von ihnen noch Eier.

Wie hat ein kanadischer Blogger dieser Tage im Internet gewarnt? "Es sieht so aus, als ob die olympischen Athleten viel mehr aus Vancouver nach Hause tragen werden als nur ein paar Medaillen."

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