Süddeutsche Zeitung

Oktoberfest International:Wiesn will die Welt

Das Oktoberfest ist einzigartig - gerade deshalb versuchen so viele Städte auf der ganzen Welt, die Wiesn zu kopieren. Was passiert, wenn Amerikaner, Brasilianer oder Chinesen Blasmusik und Bier auffahren. Ein Überblick.

Stephan Handel

Erinnert sich noch jemand an den Ententanz? Das war Anfang der achtziger Jahre ein kurzzeitiger Hit in bayerischen Bierzelten, bis die Leute merkten, dass sie ziemlich doof ausschauten, wenn sie versuchten, im Takt der Musik Geflügel nachzuahmen. Der Ententanz verschwand recht schnell aus den Programmen, und heute ist er auf der ganzen Welt mehr oder weniger vergessen.

Auf der ganzen Welt? Nicht, wenn es nach den Leuten in Tulsa geht. Tulsa, 400.000-Einwohner-Stadt im US-Bundesstaat Oklahoma, feiert nämlich heuer "30 Years of Chicken Dance". Und weil viele Amerikaner den Ententanz (der in Tulsa "Hühnertanz" heißt, weil sie damals, zur Markteinführung, kein Enten-, sondern nur ein Hühnerkostüm für das Maskottchen auftreiben konnten), weil also viele Amerikaner den Hühnerententanz für etwas original Bayerisches halten, werden die Jubiläumsfeierlichkeiten auf dem "Tulsa Oktoberfest", abgehalten werden, 18. bis 21. Oktober, "Come and join one of Tulsa's best events".

Wer nicht zur Wiesn kommt, der macht sich seine eigene

Es ist eine merkwürdige Welt, in die eintaucht, wer nach "Oktoberfest abroad" sucht: Die Wiesn ist begehrt, und wer nicht nach München kommen kann, der macht sich seine eigene - in allen Abstufungen der Ähnlichkeit und der Größe. In Qingdao zum Beispiel, Volksrepublik China, findet das zweitgrößte Oktoberfest nach dem Original statt - drei Millionen Besucher, das ist einerseits die Hälfte der Münchner Gäste. Andererseits: Vergleicht man die Besucher gemessen an der Einwohnerzahl Deutschlands respektive Chinas, dann müsste die chinesische Gabriele Weishäupl - oder wer auch immer dort zuständig ist - am Ende des Festes eine Frequentierung von annähernd 100 Millionen Menschen vermelden können. Ob jedoch die Paulaner-Brauerei, die das Bier liefert, solche Mengen tränken könnte, darf getrost bezweifelt werden.

Die meisten Oktoberfeste außerhalb Deutschlands berufen sich auf eine irgendwie deutsche Tradition - Qingdao war fast 20 Jahre deutsche Kolonie, die örtliche Tsingtao-Brauerei wurde von deutschen Einwanderern gegründet. Ähnlich verhält es sich in der südamerikanischen Stadt mit dem typischen brasilianischen Namen Blumenau, 1850 von einem Deutschen gleichen Namens etabliert. Das dortige Oktoberfest zieht 700.000 Menschen an, das Bier kommt von der Brauerei "Eisenbahn", und die Blaskapellen werden stilecht aus dem Oberland eingeflogen.

Sehr oft stecken deutsche Auswanderer-Vereine hinter den Festen, auch wenn die mittlerweile mit Deutschland noch so viel zu tun haben wie die Landsmannschaften mit Oberschlesien. In Miami Beach, Florida, etwa organisiert der "German-American Club" das Fest und legt viel Wert darauf, dass jeder Festtag mit einer Flaggenparade beginnt, bei der auch die Fahnen von Pommern und Ostpreußen nicht fehlen dürfen.

Die Stadt München hat nichts gegen die Verwendung des Namens "Oktoberfest" in anderen Zusammenhängen - dass er so begehrt ist, zeigt ja auch die Ausstrahlungskraft der Wiesn. Geschützt ist nur die Wort- und Bildmarke "Münchner Oktoberfest" mit den beiden Maßkrügen darunter. Ansonsten kann sich jeder des Namens bedienen - und wer das wie tut, das zeigt auch, wie sich andere Völker die Deutschen im Allgemeinen und die Bayern im Besonderen vorstellen.

Bayerisches Bier in Palästina

In Taybeh, Palästina, hat das Kulturprogramm des dortigen Oktoberfestes wenig mit einem bayerischen Volksfest zu tun: Hiphop, DJs, eine Kinderzirkustruppe. Aber immerhin: Das Bier wird nach dem bayerischen Reinheitsgebot gebraut, und für die Musik haben sie sich die Kapelle Leobendorf aus der Nähe von Laufen geholt, für die es sicher interessant werden wird, wie denn das hauptsächlich muslimische Palästina auf das bayerische "Oans - zwoa - gsuffa" reagiert.

Die besten Nachahmer aber sind immer noch die Amerikaner - einige 100 Oktoberfeste muss es dort geben, auch wenn sie anhand der veröffentlichten Fotogalerien oftmals eher nach Sommerfest auf dem Campingplatz ausschauen. Das Fest in Phoenix, Arizona, lockt die Besucher mit "Sauerkraut Cooking Contest, Beer Stein Holding, and Alphorn Blowing". Dort allerdings sollte die Stadt München in anderer Sache schleunigst einschreiten: Ausgeschenkt wird Warsteiner.

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SZ vom 18.09.2012/dd
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