Österreichisches Hospiz in Jerusalem:Sachertorte auf der Via Dolorosa

Kaiser Franz Joseph hat es auch gefallen: Nirgends sonst treffen Orient und K.u.k.-Charme so aufeinander wie im Österreichischen Hospiz in Jerusalem.

Lena Prieger, Jerusalem

Blick zum Tempelberg mit dem Felsendom vom Dach des Österreichischen Hospizes

Blick zum Tempelberg mit dem Felsendom vom Dach des Österreichischen Hospizes

(Foto: Lena Prieger)

Huldvoll blicken Kaiser Franz Joseph I. und seine Gattin Sisi aus ihren Rahmen auf kleine Kaffeehaustische. Durch die Terrassentür scheint die Sonne auf den gefliesten Fußboden, und aus dem Hintergrund hallen Walzerklänge durch die hohen, gewölbten Räume.

Hier möchte man sitzen, stundenlang, durch die Zeitung blättern bei einer Melange und einem Apfelstrudel. Vielleicht später noch ein Schnitzel bestellen. Und sich ein schattiges Plätzchen im Garten suchen, unter einer Palme, für ein Verdauungsschläfchen. Bis der Muezzin von der Moschee gegenüber lautstark zum Gebet ruft.

Vermutlich existiert kein anderer Ort, an dem der geballte Orient und der Charme der K. u. k.-Zeit aufeinander prallen wie hier in Jerusalem im Österreichischen Hospiz zur Heiligen Familie. Aus dem quirligen Gassengewirr über die Via Dolorosa kommend, steht der Besucher zunächst vor einer verschlossenen Pforte mit Klingel. Erst wenn ihm von der Rezeption aus geöffnet wird, kann er die Stufen zu einem der eindrucksvollsten Bauten Jerusalems herauf steigen.

Als Josef Pizzamano, der österreichische Konsul in Jerusalem, das Grundstück im Jahre 1855 ersteht, ist dieser Teil der Altstadt kaum bewohnt. Diesem Umstand und den freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Habsburger-Monarchie und dem Osmanischen Reich ist es zu verdanken, dass eine der vornehmsten muslimischen Familien Jerusalems einem Ausländer ihr Land verkaufen darf. So existiert nun seit fast 150 Jahren diese katholische Insel inmitten des muslimischen Viertels der Jerusalemer Altstadt. Inzwischen ist das "Austrian Hospice" eine echte Institution.

Die älteste nationale Pilgerherberge in der Heiligen Stadt hat wechselvolle Zeiten überstanden - und das erstaunlicherweise unbeschadet. Markus Bugnyar erzählt gern von diesen Volten der Geschichte. Seit 2004 ist er Rektor des österreichischen Hospizes und entspricht in keinerlei Hinsicht dem Bild, das sein Titel hervorruft. Mit seinen erst 33 Jahren kann man ihn auch für einen der jungen Volontäre des Hauses halten, bis man das Kollar entdeckt, den weißen Priesterkragen.

Die Gründung des Hospizes verursacht damals heftige Streitigkeiten unter den katholischen Mächten in Jerusalem. Kaiser Franz Joseph ist bestrebt, die kirchliche Position Österreichs in der Heiligen Stadt zu festigen. Doch der oberste katholische Würdenträger der Stadt, der Lateinische Patriarch, und österreichische Franziskanermönche zanken darüber, wer das Spital für fromme Pilger aus der Donau-Monarchie unterhalten darf. Man verfasst geheime Pläne, intrigiert, der Patriarch droht gar mit roher Gewalt. Schließlich entscheiden Austrias Konsulat und die Franziskaner, die geplante Herberge als Österreichisches Pilgerhaus zu bezeichnen und unter staatlichen Besitz zu stellen.

Das Haus bietet heute nicht nur Reisenden Unterkunft - es versteht sich auch als kulturelle Begegnungsstätte. "Das Hospiz ist für Palästinenser und Israelis erreichbar", sagt der junge Bugnyar, "das ist unser Vorteil." Künstler jüdischen, muslimischen und christlichen Glaubens finden hier Ausstellungsraum für ihre Werke. Immer wieder finden klassische Konzerte im prächtigen Salon in der ersten Etage des Hospizes statt.

Mühsame Bauarbeiten vor mehr als 150 Jahren

Bei der Auswahl der Künstler legt der Rektor Wert auf Ausgeglichenheit. Man sehe sich in erster Linie nicht als politisches Forum, sondern als Begegnungsstätte. "Dies ist auch ein Chance für uns zu lernen, miteinander umzugehen", so Bugnyar. Er freut sich über die lebhafte Kulturszene, die sich trotz der schwierigen Bedingungen im muslimischen Osten Jerusalems entwickelt habe.

Der Baubeginn des Hospizes 1855 gestaltet sich alles andere als einfach. Der Boden des Grundstücks aus Bauschutt und Geröll muss mühsam per Muskelkraft abgetragen werden. 3000 Einheimische sind allein hierfür eingespannt, schleppen den Aushub durch die engen Gassen Jerusalems weg und karren Baumaterial heran.

Fungierte zwischenzeitlich als Röntgensaal: das Kaffeehaus des Hospizes

Fungierte zwischenzeitlich als Röntgensaal: das Kaffeehaus des Hospizes

(Foto: Lena Prieger)

So wird Österreich eine Zeit lang der größte Arbeitgeber in Jerusalem. Doch der mit dem Projekt betraute junge Architekt verschätzt sich, die Mittel werden knapp. "Das Baubudget steckt im Fundament", erklärt Bugnyar. Für die repräsentativen Seitenflügel ist damals nicht mehr genug Geld da - ein Glück: Denn so gibt es Platz für den Garten.

Soldaten, die sich vom Einsatz erholen

Diese grüne Oase im steinernen Jerusalem ist inzwischen weit bekannt, heute erfrischen sich hier neben Touristen auch eine Handvoll junger, stiernackiger Männer mit verspiegelten Sonnenbrillen: Österreichische Soldaten, die sich von ihrem Einsatz bei der UN-Truppe auf dem Golan erholen. Nach wie vor zählen viele Pilger zu den Gästen des Hospizes, sogar bedeutend mehr als in den Anfangsjahren.

1863, kurz nach der Eröffnung, machen ganze 73 fromme Katholiken die damals beschwerliche Reise ins Heilige Land und steigen in der austriakischen Herberge ab. Aber nicht nur Österreicher dürfen Quartier beziehen, auch Gäste aus dem Königreich Bayern sind willkommen. In der Eingangshalle hängt noch immer ein schweres Ölgemälde mit Widmung: "Dem Österreichischen Hospiz von den Pilgern der Münchner Karawanen der Jahre 1886/87."

Auch der Kaiser selbst schaut in frühen Jahren einmal vorbei: Anlässlich der Eröffnung des Suez-Kanals besucht Franz Joseph das Pilgerhaus im Jahre 1869 und residiert mehrere Tage dort. Um den Monarchen auf dem Weg vom Hafen Jaffas nach Jerusalem zu beschützen, lässt der Sultan den Habsburger standesgemäß begleiten - von 1500 osmanischen Soldaten zu Pferd.

Aus Konstantinopel wird sogar ein Tischservice für den Kaiser in das Hospiz geschafft, auch für die Speisen seiner Majestät sorgen die Leute des Sultans. Dem Kaiser gefällt es: Seiner Gattin Elisabeth berichtet Franz Joseph in einem Brief, wie wohl er sich im Pilgerhaus fühle und vergisst nicht, die sauberen Zimmer zu loben.

Der heilige Koran neben Janoschs "Oh, wie schön ist Panama"

Noch heute kehrt jeder österreichische Minister auf Staatsbesuch und so mancher Aristokrat im Hospiz ein, man fühlt sich hier zuhause - bleibt allerdings nicht mehr über Nacht. "Die Sicherheitsvorkehrungen wären zu aufwendig", sagt der Rektor. Seit 2001 lebt Bugnyar in Jerusalem, er hat hier Archäologie studiert, bevor ihn die Erzdiözese Wien mit 29 Jahren zum Rektor des Hospizes ernennt.

Seitdem hat er damit begonnen, die Herberge auf Vordermann zu bringen. Mit schnellen Schritten geht er durch "sein" Haus, grüßt nach links und rechts, und erzählt von den Renovierungsarbeiten, die er noch plant. Der Speisesaal soll aus dem Keller in das Erdgeschoss verlegt werden, Solaranlagen für Kühlung und Warmwasseraufbereitung entstehen.

Die Briten beschlagnahmen das Hospiz 1939 - sie sehen es als deutsches Eigentum, schließlich hatte Hitlers Regime Österreich ein Jahr zuvor "angeschlossen". Die Pilgerherberge fungiert fortan als Internierungslager für Geistliche und Schwestern aus den Feindstaaten Deutschland und Italien. "Bis zu 140 Menschen waren hier zeitweise zusammengepfercht", sagt Bugnyar. Später nutzt die britische Mandatsmacht das Haus sogar einige Jahre als Offiziersschule.

Heute können Österreicher und Deutsche im Hospiz ihren Zivildienst ableisten. Christliche und muslimische Palästinenser sind unter den Angestellten, Volontäre jeden Alters kommen für ein paar Wochen oder Monate, um das Heilige Land zu erleben. Auch Protestanten und ein Quäker waren unter ihnen.

In den Bücherschränken auf den Gängen findet sich neben der Hausbibliothek ein kurioser Literaturmix: der heilige Koran neben einer Biographie über Marlene Dietrich und Janoschs "Oh, wie schön ist Panama" - offenbar Spenden früherer Besucher oder Volontäre.

1948 übernimmt die jordanische Armee das Hospiz von den britischen Mandatsherren. Sie errichtet darin während des israelischen Unabhängigkeitskrieges ein Lazarett. Später wird es für viele Jahre zum Krankenhaus.

Der Sechs-Tage-Krieg 1967 kommt einer geplanten Rückgabe an die ursprünglichen Eigentümer in die Quere. Wieder ist das Hospiz Kriegslazarett und gerät durch die Eroberung der Jerusalemer Altstadt unter israelische Kontrolle. Für weitere 18 Jahre bleibt es dennoch arabisches Spital, muslimische und christliche Ärzte praktizieren hier.

1985 wird es schließlich der Wiener Erzdiözese zurückgegeben. Drei Jahre später, nach einer größeren Sanierung, kann das Haus wieder seine ursprüngliche Mission erfüllen: als Pilgerherberge.

Auch wer nicht über Nacht bleibt, kommt heute gerne für ein paar Stunden in das Österreichische Hospiz. Kein Wunder: Sehr weit entfernt scheint der Basarbetrieb in den Altstadtgassen, das Gedränge vor der Grabeskirche oder die Warteschlagen an den Sicherheitsschleusen vor Klagemauer und Tempelberg. Tatsächlich ist das laute Treiben nur eine Mauer weit entfernt. Die Dachterrasse bietet einen der schönsten Rundblicke auf die Dächer der Altstadt, die goldene Kuppel des Felsendoms, die Hügel außerhalb Jerusalems.

In den beiden Stockwerken darunter befinden sich die Gästezimmer des Hospizes. Die Räume sind bescheiden aber bequem eingerichtet, geräumig und hell - und im Vergleich zu anderen Jerusalemer Hotels günstig im Preis. "Der Pilger des 21. Jahrhunderts schläft nicht mehr auf einem Strohsack", stellt der Rektor fest. Und das muss er hier auch nicht. Für 96 Gäste ist Platz. Häufig sind alle Betten belegt.

Auch israelische Reisegruppen finden ihren Weg in das Hospiz mit der bewegten Vergangenheit. Das Kaffeehaus war bis 1984 ein Röntgensaal. Daran erinnert heute nichts mehr. Inzwischen gibt es Stammgäste. Wie in der echten Wiener Kaffeehauskultur kehren sie zum Lesen oder Arbeiten mit ihrem Laptop hier ein. Neben dem Flair Austrias hat auch ein kleinwenig Europa Einzug gehalten. Die Sachertorte kann der Gast auch in Euro bezahlen.

Österreichisches Hospiz zur Heiligen Familie (Austrian Hospice) Via Dolorosa 37 P.O.B. 19600 91194 Jerusalem Israel

Tel.:00972 / 2 / 626 58 00 Fax: 00972 / 2 / 627 14 72 E-Mail:office@austrianhospice.com

www.austrianhospice.com

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