Süddeutsche Zeitung

Österreich-Kolumne:Sturz aus himmlischer Höh'

Wo Österreich jenseits von Après-Ski-Gedodel und Streif-Abfahrt wirklich unschlagbar ist - und was sich von Vorlieben eines Start-up-Millionärs lernen lässt.

Von Dominik Prantl

Von mir bekommen Sie heute keine Omikron-Klagen, keine Impfpflichtdebatte, keine Inzidenzen-Interpretation, obwohl der Sieben-Tage-Wert in Österreich Richtung Zweitausendermarke klettert.

Lassen Sie uns lieber darüber reden, was Österreich richtig gut kann. Wir halten uns folglich an dieser Stelle auch nicht länger auf mit ÖVP-Skandalen, Politikerchats und sündhaft teuren Studien des Finanzministeriums über das Tier in Sebastian Kurz (er wird offenbar mit Eichhörnchen und Delfin assoziiert, kein Witz). Oder mit Kolumnen des langgedienten Krone-Kolumnisten Michael Jeannée, der diese Woche seinem Land mitteilte, bei welcher Politikerin es unter seinem Nabel rumore.

Also, kommen wir zu den Dingen, die Österreich wirklich beherrscht. Das sind - neben der Altersvorsorge, Allgemeinen Verunsicherungen, Armin-Assinger-Kommentaren ("Bist du deppert") und eigentlich noch tausend anderen Dingen, die zwischen Corona, Kurz und Altherrenhumor zu oft in Vergessenheit geraten - immer noch: Abfahrtsrennen.

Das beste Skirennen des Universums

Wäre ich Jared Diamond, der legendäre Geodeterminist, würde ich jetzt wohl behaupten, dass der Österreicher aufgrund der Geografie seines Landes gar nicht anders kann, als Abfahrtsrennen zu können, weil er sich wegen eines inneren Drangs von der himmlischen Höh' immer wieder hinunterstürzt in sein persönliches Tal, aber darum geht es an dieser Stelle gar nicht.

Denn Österreich ist nicht nur beim Teilnehmen, sondern auch im Veranstalten von Schnee-Events im Allgemeinen und Skirennen im Besonderen Weltmeister; also mindestens. Wenn es irgendwo in dieser Galaxie so etwas wie einen Schnee-Planeten mit langfüßigen Kreaturen gibt, die ihr Leben lang einfach nur dahingleiten, schauen die am Wochenende sicher nach Kitzbühel, um das beste Skirennen des ganzen Universums anzusehen: die Streif.

Über die ökologischen Folgen des Skizirkus

In meiner Wahlheimat Tirol jedenfalls löst das Rennen garantiert mehr Rumoren unterm Bauchnabel aus als sämtliche Politikerchats, Eichhörnchen und Jeannée-Kolumnen zusammen - selbst dann, wenn dieses Mal statt 50 000 nur tausend Zuschauer kommen dürfen. Gewonnen hat am Freitag der Norweger Aleksander Aamodt Kilde. Die geschlagenen ÖSV-Fahrer (der Kärntner Matthias Mayer landete als Bester auf Platz vier) haben bei der zweiten für Sonntag geplanten Abfahrt noch Chance zur Revanche.

Natürlich haben die überirdischen Ski-Eskapaden auf der Streif ganz irdische Nebenwirkungen. Florian Gschwandtner, millionenschwerer Gründer einer Fitness-Selbstdarstellungs-App und selber begeisterter Darsteller seines Fitnesszustands, hat jüngst mit einem elfsekündigen Partyvideo vom Après-Ski eine Debatte über die Coronaregeltreue der Kitzbüheler Gastronomen und sein eigenes Mitteilungsbedürfnis ausgelöst.

Florian Gschwandter, der selbsternannte Naturliebhaber, soll dem Vernehmen nach neben Kitzbühel-Partys auch Gefallen an Heliskiing in Alaska gefunden haben. Das wirft wiederum die Frage auf, inwiefern Nordamerika tatsächlich die bessere Alternative zu den prominenten Destinationen in den Alpen ist; so ganzheitlich betrachtet. Wer mehr darüber wissen will, dem empfehle ich die Zahlenrecherche zu der Frage nach den ökologischen Folgen des Skifahrens.

Dass Österreich jedenfalls auch jenseits von Après-Ski-Gedodel, Abfahrtsrennen und Heliskiing den Wintertourismus ausgezeichnet beherrscht, haben meine Kollegen Hans Gasser und Johanna Pfund in zwei Reportagen über das Kaunertal (SZ Plus) und das Karwendel aufgeschrieben - wobei es sozialmedial garantiert mehr rumort, wenn man in Kitzbühel die Korken knallen lässt.

Diese Kolumne erscheint am 21. Januar 2022 auch im Österreich-Newsletter, der die Berichterstattung zu Österreich in der SZ bündelt. Gleich kostenlos anmelden.

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