Alpentourismus:Higher in Ischgl

Alpentourismus: Ischgl, wie man es kennt: Party vor der "Hexenküche".

Ischgl, wie man es kennt: Party vor der "Hexenküche".

(Foto: Imago/Eibner/EXPA/Groder)

Schöne Reiseziele werden von Musikern gerne besungen. Nun hat auch der berüchtigte Wintersportort seinen eigenen Song. Ob das nach hinten losgeht?

Glosse von Dominik Prantl

Die Liste der Hymnen für schöne Reiseziele ist keineswegs eine, die mit Frank Sinatras "New York, New York" beginnt und mit Freddie Mercurys "Barcelona" endet; speziell im deutschsprachigen Raum hat die Destinations-Werbung durch Musiker jeglicher Couleur eine gewisse Tradition. Die deutsche Band Die Ärzte zum Beispiel wollte wieder an die Nordsee und besang "Westerland"; Herbert Grönemeyer setzte Bochum ein musikalisches Denkmal und für die Band Wanda war erstaunlicherweise nicht etwa ihre Heimat Wien, sondern "Bologna, meine Stadt". Der Ballermann-Barde Ikke Hüftgold richtete bis vor Kurzem sogar seine gesamte künstlerische Existenz auf das Besingen von Mallorca und die intellektuellen Langzeitfolgen des dortigen Sauftourismus (Ole, ole, ole, dicke Titten, Kartoffelsalat) aus, was in der Aufregung um seine "Layla" allerdings ein wenig unterging. Erst vor wenigen Tagen war in einem Interview mit der Online-Ausgabe der Mallorca-Zeitung allerdings der erstaunliche Hüftgold-Satz zu lesen: "Ich habe mit Mallorca abgeschlossen."

In dieser Tradition ist es also vollkommen verständlich, dass Ischgl kürzlich einen Song alleine deshalb produzierte, um die Ischgler Eventreihe "Spring Blanc" musikalisch zu begleiten. Nur ewig im Corona-Krisenmodus Verhaftete und Dauernörgler erkennen in dem Liedtitel "Higher" eine bitterböse Reminiszenz an die Infektionszahlen, vielmehr sollen laut einer Pressemitteilung "Frühlingsgefühle auf den Pisten noch stärker mit musikalischen Vibes transportiert werden". Auch sonst ist das Konzept ausgesprochen stimmig. So richten sich etwa die simplen Rhythmen samt der überschaubaren Textkomplexität eher weniger an Philosophiestudenten oder mit Sinatra sozialisierte Musik-Fans. Was durchaus einer gewissen Logik folgt, denn die wagen sich ohnehin eher nicht nach Ischgl.

Entsprechend bunt und gut gelaunt sind die meist tanzenden Menschen im Video, dazu Berge und Pisten. Kreiert hat "Higher" außerdem der in München lebende Marvin Aloys, immerhin der Enkel des Ischgler Hoteliers Günther Aloys, welcher wiederum den Berg stets als Profitmaschine begriff und mit dieser Haltung zum Visionär avancierte. Jedenfalls hat der DJ und selbsternannte House-Künstler Marvin Aloys nicht nur die Haare schön, sondern auch mehr Ischgl im Blut als Die Ärzte und Grönemeyer zusammen, obwohl der Song "Bochum" ("Bist 'ne ehrliche Haut, Leider total verbaut....Und ständig auf Koks") wie eine frühe Hommage an den Alpenort wirkt.

Bevor man sich nun allerdings zwischen Schleswig-Holstein und Schwarzwald nach Komponisten für "Flatter" und "Blacker" umsieht, sei noch kurz an die entscheidende Frage erinnert, mit welchem Auftrag man die Produzenten engagiert oder ob man das Ganze den Launen der Künstler überlässt. Jan Böhmermann beispielsweise hat Ischgl schon vor zwei Jahren ein Lied gewidmet, ungefragt und aus eigenem Willen, mit simplen Rhythmen, vielen Bergen im Bild und überschaubarer Komplexität, also sehr stimmigem Konzept.

Nur den Text fanden sie in Ischgl - dem Vernehmen nach - dann doch nicht so geil: "Immer wieder Ischgl-Fieber! Schwarze Piste ins Spital! Husti Husti Heh." Dann vielleicht ja doch lieber Ikke Hüftgold?

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